Warum ich Jesus folge. Adrian Plass
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Wie sich herausstellte, war das bei einigen davon auch der Fall, doch einem der Texte schien es mir etwas an Judo-Geschick zu mangeln. „Könnten wir uns den letzten Text über das Lottospielen noch einmal vornehmen?“, fragte ich.
„Okay!“, nickte Robert.
„Also, in diesem Text sagst du, dies sei eine sehr materialistische Zeit, und statt daran zu denken, wie sie eine Menge Geld gewinnen können, sollten Leute über ihr geistliches Leben nachdenken und erkennen, wie viel Jesus für sie getan hat. Im Grunde machst du ihnen sozusagen Vorwürfe, weil sie Lotto spielen, oder?“
„Na ja, ich bin damit nicht einverstanden.“
„Aber meinst du nicht, du könntest eine etwas positivere Route einschlagen, als einfach zu sagen, dass es schlecht ist – als die Träume der Leute so total und unbarmherzig abzukanzeln?“
„Nun …“
„Warum spielen Leute Lotto?“
„Um reich zu werden.“
„Nun, so kann man es sehen. Man könnte aber auch sagen, dass sie sich danach sehnen, dass in ihrem Leben etwas ganz Wunderbares passiert.“
„Ja, aber Geld ist nicht –“
„Langsam, langsam! So weit sind wir noch nicht. Sie wollen, dass in ihrem Leben etwas Wunderbares geschieht, etwas, wodurch sich alles verändert. Wenn Jesus in ihr Leben käme, dann wäre das etwas Wunderbares, wodurch sich alles verändern würde, stimmt’s?“
„Richtig, und deshalb –“
„Also haben sie eigentlich das richtige Verlangen, nur vielleicht nach den falschen Dingen – einverstanden?“
„Ja, vielleicht, aber es ist doch das Verlangen nach Geld, das falsch ist. Das muss ich ausdrücken.“
„Robert, hast du schon einmal über die Tatsache nachgedacht, dass Jesus mehr als einmal Reichtum als Lohn für die Nachfolge angeboten hat?“
Robert rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum und schüttelte den Kopf. „Hat er nicht. Er hat gesagt, es sei ziemlich unmöglich für einen reichen Mann, in den Himmel zu kommen.“
„Und was, sagte er, sollen wir im Himmel sammeln?“
„Na ja, Schätze, aber damit meinte er kein Geld, er sprach von –“
„Langsam, langsam! So weit sind wir noch nicht. Er appellierte an den menschlichen Zug, der reich sein möchte, oder? Er sagt uns, dass es okay ist, reich zu sein, solange wir begreifen, was die wichtigste Währung von allen ist. Richtig? Und wenn wir in den Himmel kommen und durch die göttliche Shopping-Zone bummeln, welche Währung wird das sein? Was wird auf dem Bündel himmlischer Banknoten stehen, die uns die Bankschalter-Engel aus dem Konto ausgezahlt haben, das wir während unseres Erdenlebens angespart haben?“
„Liebe?“
„Genau! Die Währung des Himmels ist Liebe, und wenn Jesus in unser Leben kommt, werden wir plötzlich zu Erben eines Vermögens, das wir in der Ewigkeit ausgeben werden. Vielleicht sollten wir zu den Lottospielern lieber sagen:, Prima! Ihr habt genau die richtigen geistlichen Instinkte. Ihr wollt eine echte, bedeutende Veränderung in eurem Leben, und ihr wollt reich sein. Was ihr noch nicht verstanden habt, ist, dass ihr beides bekommen könnt, ohne eine müde Mark einzusetzen, und das bei erheblich besseren Gewinnchancen.‘ Wie findest du das, Robert? Denkst du, dass man so an die Sache herangehen könnte?“
Ich sah ihn hoffnungsvoll an. Er erwiderte meinen Blick wie eine Landratte, die auf einem fadenscheinigen Floß durch einen schweren Sturm treibt. „Also, ich, äh, ich glaube, ich lasse es lieber so, wie es ist.“
Das warf mich um, aber darum geht’s ja schließlich beim Judo, nicht wahr?
4
Ich folge Jesus,
weil …
… er freundlich zu Leuten ist, die tief verletzt worden sind
Lassen Sie mich Ihnen nun von einem der wichtigsten Dinge erzählen, die mir je passiert sind. Ich hoffe, dass es Ihnen etwas Besonderes sagen wird und dass Sie dadurch vielleicht etwas mehr von der Barmherzigkeit Gottes begreifen und, was viel weniger wichtig ist, vielleicht auch mich etwas besser verstehen werden.
Dieses Erlebnis hatte ich in den frühen Morgenstunden auf dem British-Airways-Flug BA 2028, als unsere Maschine auf dem Weg von der aserbeidschanischen Hauptstadt Baku zum Flughafen Gatwick in England durch den dunklen Himmel über Europa dröhnte.
Ich war sowieso schon innerlich sehr bewegt. In Baku unterrichtete mein ältester Sohn Matthew englische Konversation an einer privaten Sprachschule. Als ich dort im Flugzeug saß, erinnerte ich mich an jenen unglaublichen Moment, als ich den kleinen Matthew zum ersten Mal gesehen und mir selbst zugeflüstert hatte, dass mir damit vielleicht zum ersten Mal ein Spielzeug geschenkt wurde, das eine echte Chance hatte, nicht kaputt gemacht zu werden. Und jetzt, kurz vor seinem vierundzwanzigsten Geburtstag, hatte ich ihn eine Woche lang besucht und eine Stadt voller faszinierender Extreme erkundet.
Aserbeidschan, noch bis vor kurzem Teil der Sowjetunion, ist ein islamisches Land, dessen Umrisse – sehr passenderweise, wenn man seine Lage im Osten der Türkei bedenkt – an einen Adler erinnert, der von Westen nach Osten fliegt. Um die Jahrhundertwende war es eines der großen ölproduzierenden Länder, und vielleicht wird es das wieder sein, wenn das schwarze Gold wieder zu fließen beginnt. Einstweilen jedoch scheinen die Sowjets das Land ausgesaugt zu haben und dann wieder verschwunden zu sein, und zurück blieb ein Volk, das vielleicht den Willen, die Möglichkeiten und die Mittel verloren hat, sich einen erträglichen Lebensstandard zu sichern. An jeder Straße und in jeder Gasse sah ich Stände, an denen entweder billige Plastikartikel, Ersatzteile für die unter den miserablen Straßen leidenden Autos oder Schuhreparaturen feilgeboten wurden, unverzichtbar wegen der ebenso unebenen und verwahrlosten Bürgersteige. Mehrmals begegnete ich älteren Leuten, die resigniert neben alten, verstaubten Personenwaagen saßen, offenbar in der Hoffnung, dass der eine oder andere Passant vielleicht plötzlich den unwiderstehlichen Drang verspüren würde, gegen Bezahlung sein Gewicht zu erfahren. Manche Straßenstände, die oft, aber keineswegs immer von Kindern beaufsichtigt wurden, waren nicht mehr als Kartons, auf denen zwei oder drei Flaschen eines mit Kohlensäure versetzten Orangengetränks mit ungewissem Alter standen. Die Straßen waren voll von Taxis, hauptsächlich in Russland produzierten Ladas. Es waren so viele, dass schwer ersichtlich war, wer denn die potenziellen Fahrgäste sein sollten, wenn nicht andere Taxifahrer-Kollegen, deren Fahrzeuge auf der Strecke geblieben waren. Es war alles ziemlich deprimierend gewesen.
Andererseits konnten manche Aspekte der aserbeidschanischen Kultur schon Neid erwecken. Ich bin Kindern begegnet, die zusammen im Dunkeln nach Hause gingen, ohne sich vor irgendwelchen Angriffen zu fürchten, und die meisten Frauen, mit denen ich sprach, fühlten sich auf den meisten Straßen zu jeder Tages- und Nachtzeit ebenso sicher. Arbeitslosengeld gibt es in Aserbeidschan nicht, und die Alterspension beträgt nur rund acht Euro im Monat, aber dafür werden die Alten dort nicht vernachlässigt, im Stich gelassen oder in die Fremdbetreuung abgeschoben. Sie haben bis zum Tod einen Platz in ihren Familien. Ich fand die Leute in Aserbeidschan sehr gastfreundlich