Rassismus. Robert Miles P.
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Zunächst richtet sich eine Reihe von Aufsätzen gegen die zunehmende Tendenz, den Rassismus-Begriff in einer lockeren und oftmals undefinierten Weise zu verwenden (vgl. etwa Flew 1986); das ist ein Einwand, dem ich zustimme. Allerdings findet sich in Palmers Buch nicht ein einziger Beitrag, der einen ernstzunehmenden Überblick über die Entwicklung des Begriffs oder seine gegenwärtige Verwendung in der wissenschaftlichen Literatur böte. In dieser Hinsicht geht die Qualität der Kritik über polemische und politisch motivierte Sophisterei nicht hinaus.
Nur wenige von Palmers Autorinnen und Autoren versuchen zu bestreiten, dass es so etwas wie Rassismus (oder, wie sie manchmal sagen, Vorurteile) in Großbritannien gibt, und nicht einer von ihnen möchte sich als Rassist bezeichnen oder explizit rassistische Behauptungen vorbringen. Man gibt sich jedoch einige Mühe, Argumente und Praktiken zu rechtfertigen, die andere als rassistisch definieren würden. Honeyford behauptet, die »Vorliebe für die je eigene Art« sei »eine universelle Neigung« (1986: 52). O’Keeffe geht gleichermaßen davon aus, dass »Vorliebe kein Vorurteil ist« und findet nichts Anstößiges darin, »bei der Heirat Menschen der eigenen Rasse« den Vorzug zu geben (1986: 190). Diese Behauptung klingt unverfänglich, obwohl man durch das Fehlen jeglichen Beweismaterials für ihre Untermauerung ihres problematischen Charakters gewahr wird. An und für sich genommen ist die Behauptung, es sei »natürlich«, »die je eigene Art« zu bevorzugen, nicht rassistisch, wenngleich es Gründe gibt, ihre Richtigkeit zu bezweifeln. Aber es handelt sich hier um die ausdrückliche Rechtfertigung eines Eingrenzungs- und damit zugleich eines Ausgrenzungsprozesses. Bevorzugen heißt, Gegenständen, Personen oder Gruppen einen Rang zuzuweisen, eine Bewertung vorzunehmen, wodurch notwendigerweise andere Gegenstände, Personen oder Gruppen ausgeschlossen werden. Worauf es im Zusammenhang der Rassismusdiskussion ankommt, sind die Kriterien, mittels derer »die je eigene Art« und damit die Anderen kategorisiert und von daher zugleich ein- und ausgegrenzt werden, nicht zu vergessen die Erklärung, die für solche Ein- und Ausgrenzungen angeboten wird.
O’Keeffe enthüllt die problematischen Konsequenzen, die das Argument der Vorliebe für die je eigene Art mit sich bringt, wenn er zur »Frage der Einwanderung nicht-weißer Personen« erklärt, es sei »absurd zu leugnen, dass eine etablierte Gemeinschaft das Recht besitzt, ihre wesenhafte Identität zu bestimmen und zu verteidigen. Gegenwärtig schließt diese wesenhafte Identität das weiß -Sein mit ein« (O’Keeffe 1986: 191). Sehr wahrscheinlich wird damit eine Einwanderungspolitik gerechtfertigt, deren Ziel es ist, Angehörige »nicht-weißer Rassen« daran zu hindern, in Großbritannien ansässig zu werden, weil ihre Gegenwart die unangenehme Konsequenz hätte, diese mutmaßliche »weiße Identität« zu zerstören. Vor dem Hintergrund der weiter unten entwickelten Definition handelt es sich dabei zweifellos um ein rassistisches Argument: O’Keeffe verwendet somatische oder phänotypische Kriterien, um verschiedene Bevölkerungen nach Kategorien zu sortieren. Dabei misst er der Anwesenheit »nicht-weißer« Menschen in Großbritannien negativ bewertete Folgen zu, um ihre Ausgrenzung durch ein Einwanderungsgesetz zu rechtfertigen, das der Bevorzugung »weißer« Menschen dient.
Noch ein zweites Thema (das wir ebenfalls weiter unten erörtern) zieht sich wie ein roter Faden durch Palmers Buch. Verschiedene Autoren wenden sich gegen Argumente, die besagen, dass die statistisch aufweisbaren Benachteiligungen, denen Menschen karibischer und asiatischer Herkunft in Großbritannien ausgesetzt sind, als Folge des Rassismus gedeutet werden können (so etwa Marks 1986: 36). Zum Teil gehen die Einwände auf die Frage nach der Definition von Rassismus zurück. Zusätzlich jedoch wird eingewendet, a) dass statistische Korrelationen noch keinen Beweis für ein Kausalverhältnis darstellen, und b) dass eine statistisch gleiche Kategorisierung von Menschen karibischer und asiatischer Herkunft signifikante Unterschiede zwischen diesen Gruppen unsichtbar machen könnte. Logisch und empirisch sind beide Argumente gut begründet. Schlussfolgerungen der Art, dass der Rassismus zum Beispiel bei der Leistungsschwäche westindischer Kinder an englischen Schulen keine Rolle spielt, ziehe ich daraus jedoch nicht (vgl. Flew 1986: 20).
Bezeichnenderweise ignorieren die Beiträge in Palmers Buch, indem sie zu zeigen versuchen, dass die Vertreter anti-rassistischer Politik nichts weiter sind als politisch motivierte Agitatoren, samt und sonders das umfangreiche Beweismaterial über Wesenszüge und Ausmaß des Rassismus und damit verbundener Ausgrenzungspraktiken in Großbritannien. Ich will hier nur drei Beispiele nennen. Unerwähnt bleiben die Untersuchungen über die weit reichenden Ausgrenzungspraktiken, die Menschen karibischer und asiatischer Herkunft erfahren haben (Daniel 1968, Smith 1977, Brown 1984); nicht berücksichtigt wird das vor kurzem freigegebene Beweismaterial, das zeigt, wie die verschiedenen britischen Regierungen der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre nach einem Weg suchten, um »farbige« britische Untertanen daran zu hindern, ihr verbrieftes Recht wahrzunehmen und sich in Großbritannien niederzulassen, während zugleich »weiße« britische Untertanen aus den Kolonien oder dem Commonwealth dieses Recht in Anspruch nehmen durften (vgl. etwa Joshi und Carter 1984, Harris 1987); unerwähnt bleiben schließlich auch die Untersuchungen zur weiten Verbreitung rassistischer Ansichten z. B. in der Londoner Polizei und bei Personalchefs in Betrieben und Konzernen (D.J. Smith 1983, Jenkins 1986).
Ich vertrete in diesem Buch nicht die Auffassung, der Rassismus (und damit zusammenhängende Ausgrenzungspraktiken) sei nur eine zweitrangige – wo nicht gar unbedeutende – Determinante der strukturellen Position und Erfahrung von Bevölkerungsgruppen, die rassisch konstruiert worden sind. Vielmehr ist der vom Rassismus und verwandten Ausgrenzungspraktiken ausgehende Einfluss immer Bestandteil einer umfassenderen Struktur von klassenspezifischer Benachteiligung und Ausgrenzung. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, die Wirkungsweisen des Rassismus und verwandter Ausgrenzungspraktiken im Zusammenhang mit klassenspezifischen Positionen von Menschen karibischer und asiatischer Herkunft zu untersuchen: teils um die Besonderheit dieser Wirkungsweisen zu beleuchten, teils um die Ähnlichkeit mit der Wirkungsweise klassenbedingter Erfahrungen dieser und der eingeborenen Bevölkerungsgruppen zu untersuchen. Mit anderen Worten stellt sich – vor dem Hintergrund des umfangreichen Beweismaterials über Umfang und Auswirkungen des Rassismus und verwandter Ausgrenzungspraktiken – die Aufgabe, die verschiedenen Formen und Ebenen der Determination, die Verknüpfungen zwischen Rassismus, Sexismus und Nationalismus und die von diesen Ideologien abgeleiteten Ausgrenzungspraktiken im Kontext der Reproduktion der kapitalistischen Produktionsweise zu entwirren.
Schlussbemerkung
Wie der Rassismus sein Objekt brutalisiert und entmenscht, so brutalisiert und entmenscht er auch seine Anhänger. Er stellt einerseits Beziehungen zwischen Menschen in Klassenstrukturen her, und leugnet andererseits deren Menschsein, auch wenn diese Verleugnung jeweils unterschiedliche Bedeutungen hat, je nachdem, ob sich die Personen in dieser Beziehung auf der Seite der Herrschenden oder der Beherrschten befinden. Dergestalt ist der Rassismus ein Problem für alle, die in einem gesellschaftlichen Kontext leben, in dem er sich äußert und Ausgrenzungspraktiken aufrechterhält. Als Vermittlungsinstanz weist er allen, die Zeugen seiner Präsenz sind, eine (bisweilen besondere) Rolle bei seiner Identifikation, Erklärung, Verurteilung und Beseitigung zu.
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