Gesammelte Werke von Xenophon. Xenophon
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Früh am Tage nach ihrer Vereinigung erforschte Xenophon die Opfereingeweide eines Streifzuges wegen, den der Mangel an Lebensmitteln nothwendig machte, womit er zugleich die Absicht verband, die Gebliebenen zur Erde bestatten zu lassen. Nach verrichtetem Opfer folgten ihm auch die Arkadier, und sie begruben die meisten Todten auf der Stelle, wo sie gefallen waren – denn sie lagen schon seit fünf Tagen und konnten nicht weiter gebracht werden, – Einige aber, die am Wege lagen, trugen sie zusammen und beerdigten sie, so gut es die jetzigen Umstände erlaubten, aufs Feierlichste; denen aber, die sie fanden, errichteten sie einen großen Grabhügel und einen hohen Scheiterhaufen und legten Kränze darauf. Nach Endigung dieses Geschäfts gingen sie ins Lager zurück, und nach genossener Abendmahlzeit begaben sie sich zur Ruhe. Am folgenden Tage kamen alle Soldaten zusammen, vorzüglich auf den Ruf des Hauptmanns Agasias aus Stymphalus, des Hauptmanns Hironymus aus Elis und anderer arkadischen Veteranen. Es wurde beschlossen, denjenigen mit dem Tode zu bestrafen, der noch einmal den Vorschlag machte, die Armee zu theilen; ferner sollte die letztere ihre vorige Verfassung bekommen und unter ihren vorigen Anführern stehen; endlich wählte man an Chirisophus' Stelle, der, ungeachtet der angewendeten Arzneimittel, schon an einem Fieber gestorben war, Neon von Asine. Jetzt stand Xenophon auf und sagte: »Soldaten, daß wir die Reise zu Lande fortsetzen müssen, liegt, wie mich dünkt, am Tage; denn wir haben keine Schiffe. Es ist aber nothwendig, bald aufzubrechen, denn zu einem längern Aufenthalt fehlen euch die Lebensmittel. Wir also wollen opfern: ihr aber müßt euch, da der Feind Muth bekommen hat, mehr als irgend jemals aufs Schlagen gefaßt machen.« Hierauf opferten die Heerführer in Beisein des Sehers Arexion aus Arkadien. Denn Silanus aus Ambracia hatte sich auf einem gemietheten Schiffe von Heraklea aus geflüchtet. Die Opfer gaben aber für den Abmarsch keine glücklichen Anzeichen. Man setzte also für diesen Tag die Unternehmung aus. Einige nahmen sich die Freiheit, zu sagen: Xenophon habe, in der Absicht hier eine Colonie anzulegen, dem Seher die Aussage, daß die Vorbedeutung des Opfers dem Abmarsch nicht günstig wäre, in den Mund gegeben. Xenophon ließ nun durch den Herold bekannt machen: dem morgenden Opfer könnte Jeder nach Belieben beiwohnen, und wenn sich noch ein Seher im Heere befinde, so möchte er kommen, um die Besichtigung des Opfers mit vorzunehmen. Nun kamen Viele zum Opfer. Dreimal erforschte man wieder die Eingeweide des Abmarsches, ohne glückliche Anzeigen zu finden. Die Soldaten wurden hierüber sehr bestürzt, denn die Lebensmittel, die sie mitgebracht hatten, waren beinah' aufgezehrt, und andere waren hier nirgends zu kaufen. Als sie sich hierauf wieder versammelt hatten, sprach Xenophon: »Soldaten, unserm Marsche sind, wie ihr seht, die Opferanzeigen noch nicht günstig, und doch sehe ich euch Mangel leiden: wir müssen also, glaube ich, fortfahren, hierüber den Willen der Götter zu erforschen.« Da trat Einer auf und sagte: »Natürlich können die Opfer unserer Absicht nicht günstig sein; denn wie ich von einer Person, die gestern zufälliger Weise zu Schiffe hier ankam, gehört habe, so ist ja Kleander, der Statthalter von Byzanz, im Begriff, mit Transportschiffen und Galeeren hierher zu kommen.« Hierauf beschloß man einmüthig, dazubleiben. Allein auf Lebensmittel mußte man nothwendig ausgehen: man schlachtete also aufs Neue drei Opfer für diese Unternehmung, ohne eine Vorbedeutung des glücklichen Erfolges wahrzunehmen. Schon kamen die Soldaten vor Xenophon's Zelt und klagten ihm den Mangel an Proviant: er erklärte ihnen aber seinen Entschluß, sie zu keiner Unternehmung anzuführen, die von den Opfern widerrathen würde.
Am folgenden Tage wurde wieder geopfert: und weil Alle dabei interessirt waren, so schloß beinahe die ganze Armee einen Kreis um das Opfer. Als nun kein Opfervieh mehr vorhanden war, ließen die Anführer das Heer nicht zu einer Unternehmung, sondern zur Berathschlagung zusammenkommen, und Xenophon sprach: »Vielleicht haben sich die Feinde zusammengezogen und wir müssen kämpfen. Wenn wir also das Gepäck auf einem festen Platz zurückließen und in Schlachtordnung vorrückten, so würden uns die Opfer vielleicht günstiger sein.« – Als die Soldaten dies hörten, schrieen sie: es wäre kein fester Ort nöthig, man sollte nur aufs Eiligste opfern. Da man nun keine Schafe mehr hatte, so wurden Zugochsen gekauft und geopfert. Xenophon ersuchte den Arkadier Kleanor, sich mit Eifer zu einer Unternehmung anzuschicken, wenn jetzt etwa die Opfer günstig wären. Allein auch diesmal waren sie es nicht.
Neon, der an Chirisophus' Stelle Feldherr geworden war, suchte bei dem Anblick des drückenden Mangels der Mannschaft, sich ihr gefällig zu bezeigen, und da er mit einer gewissen Person aus Heraklea gesprochen hatte, die ihm versicherte, in der Nähe Dörfer zu kennen, wo man sich mit Proviant versorgen könnte, so ließ er durch den Herold bekannt machen: Alle, welche Lust hätten, möchten nach Lebensmitteln ausziehen, er würde sie anführen. Hierauf machte sich ein Corps von ungefähr zweitausend Mann mit Stangen, Schläuchen, Säcken und andern Geräthschaften versehen, auf den Weg. Als sie nach ihrer Ankunft in den Dörfern sich zerstreuten, um die Lebensmittel einzutreiben, wurden sie von dem Vortrabe eines Cavalleriecorps des Pharnabazus, das den Bithyniern zu Hilfe gekommen war, und mit diesen vereinigt die Griechen wo möglich von einem Einfalle in Phrygien abhalten wollte, überfallen. Diese Reiterei hieb nicht weniger als fünfhundert Griechen nieder; die übrigen entflohen auf einen Berg. Einer von den Flüchtlingen brachte die Nachricht von dieser Begebenheit ins Lager. Xenophon nahm nun, da das heutige Opfer nicht günstig gewesen war, einen Zugochsen – denn anderes Schlachtvieh hatte man nicht – zum Opfer und zog dann mit Allen, die nicht über fünfzig Jahr alt waren, dem geschlagenen Corps zu Hilfe, vereinigte sich mit dem Reste desselben und kehrte ins Lager zurück. Es war schon gegen Sonnenuntergang, und die Griechen hielten in der größten Niedergeschlagenheit ihre Mahlzeit, als auf einmal eine Anzahl Bithynier aus dem Gebüsche hervorbrach, die Vorposten überfiel und sie theils niederhieb, theils bis in das Lager verfolgte. Auf den Lärm, der dadurch entstand, griffen die Griechen allgemein zu den Waffen. Allein es schien nicht rathsam, den Feind zu verfolgen und bei Nachtzeit das Lager abzubrechen, denn die Gegend war waldig: sie stellten daher blos hinreichend starke Vorposten aus und blieben die Nacht über unter dem Gewehr.
5.
So nun wurde die Nacht zugebracht. Mit Tagesanbruch aber führten die Feldherrn das Heer, das ihnen mit Waffen und Gepäck folgte, in jene haltbare Gegend. Am Eingange in dieselbe zogen sie, noch vor der Stunde der Frühmahlzeit, einen Graben und besetzten ihn überall mit Pallisaden, drei Stellen ausgenommen, wo sie Thore ließen. Nun kam auch ein Schiff von Heraklea mit Gerstenmehl, Schlachtvieh und Wein. Xenophon stand früh auf und opferte wegen des Ausmarsches der Armee, und gleich das erste Opfer versprach einen glücklichen Erfolg. Schon am Ende der Feierlichkeiten erblickte der Seher Arexion aus Parrhasia einen glückweissagenden Adler und forderte Xenophon auf, die Truppen anzuführen. Sie passirten den Graben und traten unter die Waffen; darauf wurde durch den Herold bekannt gemacht, nach geendigter Frühmahlzeit sollte das Heer gerüstet ausmarschiren, das Gepäck aber und die Sklaven zurücklassen. Alle zogen nun aus, nur Neon nicht, weil man für gut befunden hatte, diesen zur Bedeckung des Lagers stehen zu lassen. Allein seine Hauptleute und Soldaten, die sich schämten, bei dem Ausmarsch der Andern zurückzubleiben, gingen