Das doppelte Venussymbol. Siegfried Mau

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Das doppelte Venussymbol - Siegfried Mau

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er es hält.

      »Gib mir mal bitte mein Fernglas«, sagt er mit besorgter Miene und zittriger Stimme zu seiner Freundin Marisella. Diese muss das kleine Fernglas bei jedem ihrer gemeinsamen Küstenausflugsfahrten mitnehmen, weil ihr Freund Klaus so ungefähr jedem Wiesen- und Wasservogel, der ihren Weg kreuzt, hinterherschauen muss und dann – während er dieses Federvieh noch im Flug beobachtet – irgendwelche lateinischen Namen nennt, von der sie wiederum meint, dass dieses wohl die Namen der passierenden, gefiederten Objekte seien und sich wundert, wie viel Freude er doch daran hat, nur weil gerade so ein gefiedertes Viehzeug an ihnen vorbeifliegt. Na ja, ihre Welt ist das nicht gerade, weil sie sich mehr für sportliche Aktivitäten interessiert, aber so ist er halt.

      Was sagt ihr ihre Mama immer? Wer einen Mann ohne Fehler sucht, der wird nie einen abbekommen, wobei man ja nicht wirklich von einem Fehler sprechen kann, sondern eher von einem kleinem Tick. Deshalb übergibt sie ihm das Fernglas auch meistens mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen.

      Nun dient aber gerade dieses kleine Fernglas dazu, sich dieses gruselig, befremdlich wirkende Objekt in genau diesem Rechen des Schöpfwerkes anzuschauen.

      Ja, da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Dieses Objekt schien zweifelsfrei ein menschliches Bein, oder besser gesagt, ein menschlicher Unterschenkel zu sein. Instinktiv greift er zu seinem Mobiltelefon und will die örtliche Polizeidienststelle informieren. Aber, wie war nochmals die Nummer und wer ist denn hier überhaupt zuständig? Ein wenig verärgert über sich selbst, weil ja gerade er das wissen müsste, wählt er die 110.

      »Hier ist der Polizeinotruf Wittmund, von wo aus rufen Sie an, wie ist Ihr Name und was ist geschehen?«, meldet sich eine dunkle Männerstimme.

      Routinemäßig antwortet er. »Kommissar Heidenreich, ich brauche mal die Kripo und die Spusi an der Schleuse Harlesiel. Es handelt sich um einem Leichenfund, oder besser gesagt von einem Körperteil einer vermutlichen Leiche.«

      »Ah ja, Sie sind also in Harlesiel an der Schleuse und brauchen Ihre Kollegen zwecks Unterstützung?«, erwidert die ein wenig ungläubig wirkende Stimme des Polizeikollegen aus der Leitstelle.

      »Nein, nein, ich ermittle hier nicht, ich bin nur zufällig hier als Kurzurlauber und habe Kenntnis über den Körperteilefund erlangt«, antwortet er.

      »Okay, dann bleiben Sie mal bitte dort und bewegen sich nicht mehr weg, Herr Kommissar Heidenreich. Ich schicke erst einmal einige Einsatzfahrzeuge und schaue mal nach, wer von der Kripo für dieses Gebiet zuständig ist. Außerdem werde ich mal vorsichtshalber die Wasserschutzpolizei dazu benachrichtigen, da das Körperteil sich ja vermutlich an oder in einem Hafenbecken befindet, oder?«

      »Ja, danke. Das macht vermutlich Sinn«, antwortet Heidenreich, sich über sich selbst ärgernd, weil er nicht selbst auf diese Idee gekommen war.

      »Mann, wenn ich wieder im Dienst bin, dann werde ich erst einmal die Telefonnummern der Wasserschutzpolizei und der Dienststellen der verschiedenen Gebiete hier in der Gegend in mein Handy einspeichern. Das war ja jetzt schon fast peinlich, das ausgerechnet ich nicht wusste, wer hier verantwortlich ist. Wenn das bekannt wird, dann lachen sich doch meine Kollegen zuhause auf meiner Dienststelle in Aurich kaputt. Dann kann ich mir wieder so Sprüche anhören wie, jetzt weiß du wenigstens, warum du nur Backgroundunterstützer und Assistent bist und nur die IT- und Aktenarbeiten machen darfst, oder: mach dir nichts draus, du hast ja noch mehr als dreißig Dienstjahre vor dir, da hast du ja noch genug Zeit, das zu lernen. Dabei sind doch gerade wir Backgrounder diejenigen, welche die Ermittler meistens auf die richtige Spur bringen. Das ist jetzt mehr als ärgerlich«, sagt er fast ein wenig wütend zu seiner Freundin Marisella, die seine Verärgerung nur mit einem leichten Lächeln quittiert.

      Inzwischen ist die Brücke voll mit Touristen, die ebenfalls auf den Schmutzrechen des Schöpfwerkes schauen, der das abgetrennte Körperteil gerade durch eine Seitwärtsbewegung in Richtung des Müllsammelplatz befördert, wo der Unterschenkel sich dann mit einigen Treibholzstücken und abgerissenen Wasserpflanzen aus dem Rechen löst und aus mittlerer Höhe auf einem Haufen mit Unrat landet, worauf sich dann die gaffende Menschenmenge mit gezückten Handys zur vorderen Ecke der Brücke bewegt, um ihre Fotografiergier zu befriedigen.

      Jetzt sind auch die ersten zwei Streifenwagen eingetroffen. Heidenreich steigt die Treppe zur Brücke empor, geht auf den aussteigenden Polizisten zu und spricht ihn an.

      »Moin, ich bin Kommissar Heidenreich, ich habe die Leitstelle informiert. Im Schmutzrechen des Schöpfwerkes hing ein abgetrennter menschlicher Unterschenkel, der sich jetzt allerdings schon auf dem Müllhaufen vor dem Betriebsgebäude da vorne befindet.«

      »Ah ja«, antwortet der Streifenwagenpolizist, Polizeihauptmeister Heini Ringel. »Und warum lassen Sie es zu, dass die gaffende Menge dort halb über das Brückengelände hängt und den darunter liegenden Fundort mit ihrer DNA verunreinigt? Wer hat Sie denn zum Ermitteln hergeschickt ?«

      Heidenreich atmet tief durch. »Moment mal, ich bin rein zufällig hier und ermitteln tue ich hier schon gar nicht.«

      Der Streifenwagenpolizist schaut ihn nur kurz an, schüttelt ungläubig den Kopf, dreht sich um und weist dann seine jüngeren Kollegen ein.

      »Los Jungs, erst mal den kompletten Bereich absperren! Müller, Sie notieren die Namen aller hier rumstehenden Gaffer und sammeln alle gezückten Handys ein. Wenn sich jemand widersetzt, dann sofort mit Festnahme drohen. Ich rufe erst mal noch Verstärkung und prüfe nach, ob wirklich die Kripo und die Wasserschutzpolizei verständigt sind. Und Müller, nehmen Sie mal als allererstes die Daten von dem Grünschnabelkommissar da vorne auf, der hat angeblich alles mitbekommen.«

      Polizeihauptmeister Ringel war noch nicht ganz am Funkgerät, da treffen auch schon die Kollegen der Wasserschutzpolizei ein, die er kurz in den Sachverhalt einweist, nicht ohne den Kommentar, dass die richtige Polizei ja mal wieder schneller vor Ort sei, als die Kollegen von der Kripo.

      »Wir sperren dann erst einmal das Hafenbecken und die Schleusenanlage, damit es hier keine Wasserbewegungen mehr gibt«, antwortet der Kollege der Wasserschutzpolizei, »und so wie es aussieht, werde ich auch mal unsere Taucher anfordern. Wahrscheinlich liegt der Rest von dem Unterschenkel noch irgendwo hier im Hafenbecken, wenn er nicht mit dem Schleusen der Schiffe in die Nordsee gespült wurde. Die Schleusentore liegen ja genau neben dem Schöpfwerk. Sicher wurde der Unterschenkel von irgendeiner Schiffsschraube abgetrennt. Wäre ja nichts Neues.«

      Inzwischen wurden die Brücke, die Zuwegung zum Hafen, das Hafenbecken und die Schleusenanlage gesperrt und die Taucher der Wasserschutzpolizei befinden sich im Hafenbecken, um den Unterwasserbereich abzusuchen. Noch immer ist weder ein Kollege der Spurensicherung, noch von der Kriminalpolizei vor Ort.

      Doch kaum zu glauben, endlich trifft der alte, blaue Dienstwagen der Kriminalpolizei am Ort des Geschehens ein, gefolgt von dem Dienstbulli der Spurensicherung.

      Der erste Hauptkommissar Kubischenko und seine Kollegin Hauptkommissarin Kralle gehen dem Polizeihauptmeister Ringel entgegen.

      »Und Heini, was gibt es hier so Spannendes, dass vor den Absperrbändern hunderte von Touristen gaffen?«

      »Ja, moin Kojambo«, antwortet Polizeihauptmeister Heini Ringel, obwohl er ganz genau weiß, dass der erste Hauptkommissar Kubischenko den Spitznamen gar nicht gern hört. Aber so nennen ihn die älteren Polizisten schon immer. Scheinbar deshalb, weil er wie Kojak keine Haare mehr auf dem Kopf hat und beim Sprechen und beim Überlegen häufig sein linkes Auge zukneift, was man ja mehr oder weniger ähnlich dem Filmkommissar Columbo zuschreibt, bloß raucht er keine Zigarren, sondern filterlose Zigaretten, die er meistens nur halb aufraucht, um dann den übrig gebliebenen Stängel in eine kleine, zerbeulte

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