Versuchungen widerstehen?. Hermann Kügler

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Versuchungen widerstehen? - Hermann Kügler Ignatianische Impulse

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er nahm das Kreuz in seine Hand:

       ›Lass ab von mir, unsaubrer Geist!

       Sei, wie du bist, wer du auch

       seist!‹

       Puh! da sauste mit großem

       Rumor

       der Satanas durchs Ofenrohr.«

      Ganz anders fühlt sich eine Erfahrung hundert Jahre später an: Auf der Rückfahrt aus dem letzten Sommerurlaub machte ich an einer Schweizer Autobahnraststätte Halt, um zu tanken und einen Kaffee zu trinken. Schon am Eingang zur Raststätte warb der Pächter mit einem wirklich gut aufgemachten Plakat für ein Sonderangebot: »Süße Sünde: Lassen Sie sich in Versuchung führen! Genießen Sie heute einen himmlischen Pott Kaffee mit einem Extra-Stück hausgemachten Kuchen!«

      Dass ich dieser Versuchung nicht erlegen bin, lag eher am doch recht stolzen Preis des Angebots als an meiner Tugend. Aber keine Frage: Sich in Versuchung führen zu lassen und der »süßen Sünde« zu erliegen wird in der Werbung der Raststätte als etwas ausgesprochen Positives hingestellt, womit man sich an einem schönen Sommertag etwas Gutes zur Erhöhung der Lebensqualität gönnen soll.

      Würden Sie, liebe Leserin und lieber Leser, »Versuchung« eher mit der ersten oder eher mit der zweiten Geschichte in Verbindung bringen? Ist eine Versuchung, welcher Art auch immer, auf jeden Fall oder im Zweifelsfall zu meiden? Oder schadet es bisweilen nicht, ihr zu erliegen, weil das der Erhöhung der Lebensqualität dient – getreu dem Bonmot des britischen Dramatikers Alan Ayckbourn: »Das Schlimmste im Leben sind die Versuchungen, denen man nicht erlegen ist«?

      Offenbar gibt es mindestens zwei Sorten von Versuchungen: solche, die uns zu etwas verführen wollen, das besser zu meiden ist, wenn wir unserem Lebensentwurf treu bleiben wollen – und solche, deren Befolgung ein »Mehr« an Lebensqualität verspricht oder, vorsichtiger formuliert, die man nicht gleich meiden muss, sondern mit denen sich eine Auseinandersetzung zumindest lohnt.

      Nach der Einführung ins Thema wird es im zweiten Kapitel um die positiven, also herausfordernden Aspekte von Versuchungen gehen und im dritten um die gefährlichen. Versuchungen unter dem Schein des Guten sind Thema des vierten Kapitels, und im fünften geht es darum, wie wir Menschen sie erkennen und bewältigen. Eine Meditation von Karl Rahner über unsere Versuchbarkeit und zehn hoffentlich nützliche Leitsätze zum Umgang mit Versuchungen beenden das Buch.

      Danke für Ihr Vertrauen sage ich den Menschen, die sich mir in ihren Versuchungen anvertraut haben und von denen ich viel über meine eigene Versuchbarkeit gelernt habe; und besonders danke ich Dagmar Arens, Maria Franz, Andreas Gesierich und Hyen Jin Yoo für viele gute Gespräche und für ihre fruchtbare und wohlwollende Kritik am Buchmanuskript.

      Versuchungen gehören zum Leben – ob wir sie wahrnehmen wollen oder nicht. Und allemal gilt, was der italienische Journalist und Schriftsteller Giovanni Guareschi sagte: »Manch einer, der vor der Versuchung flieht, hofft doch heimlich, dass sie ihn einholt.«

Leipzig, im Frühjahr 2008 Hermann Kügler SJ

      1. Annäherungen

       Erste Annäherung: Was sind Versuchungen?

      Relativ einfach mag es sein, wenn Sie sich im stillen Kämmerlein eingestehen, wodurch Sie persönlich versuchbar oder verführbar sind – das kann ja ganz unterschiedlich sein. Aber könnten Sie mit wenigen Worten sagen, was unabhängig von Ihrem Erleben eine Versuchung ist?

      Irgendwie scheint es so zu sein, dass wir gar nicht genau sagen können, was eigentlich eine Versuchung ausmacht. Ist es der Reiz des Heimlichen und Verbotenen? Einer Versuchung zu erliegen – bedeutet das, ein eigentlich sinnvolles Gesetz oder Gebot zu missachten? Jemand würde z.B. etwas tun, was zwar reizvoll erscheint, was er aber bei klarem Verstand nicht tun dürfte oder sollte. Er oder sie würde etwa Diätvorschriften missachten und sich damit schaden. Ein anderer kauft etwas, was er sich gar nicht leisten kann. Noch jemand erledigt eine wichtige Aufgabe wegen eines kurzfristigen Vergnügens nicht oder geht fremd, weil sich eben die Gelegenheit dazu bietet.

      Wir Menschen können durch andere verführt, also erfolgreich in Versuchung geführt werden durch Schmeicheleien, durch Bitten und Anstiften, durch Erwecken von Neugier und durch Manipulation. Wer einer Versuchung erlegen ist, erlebt anschließend oft Schuldgefühle und Reue. Die Handlung tut ihm leid, und er möchte sie vielleicht ungeschehen machen. Ich habe einmal verschiedene Definitionen zusammengesucht. Eine keineswegs vollständige Liste liest sich so:

      Eine Versuchung ist eine Handlung, die einem Menschen reizvoll erscheint, die er jedoch nicht tun dürfte oder sollte. (http://de.wikipedia.org)

      In den Religionen ist Versuchung das Bestreben, den Gläubigen vom Gehorsam gegenüber Gott bzw. den Göttern oder vom rechten Weg abzubringen. (Brockhaus-Enzyklopädie)

      Verführung ist die gelingende negative Einflussnahme eines anderen Menschen oder des Satans auf das sittliche Verhalten. (Bibellexikon)

      Verführung ist die bewusste und planmäßige Hinführung zum Bösen durch Zureden, Rat, Befehl oder schlüssige Handlungen. (Wörterbuch der Pastoralanthropologie)

      Versuchung heißt: jemanden auf seinen Wert, seine Beständigkeit hin prüfen, ihn von den als recht erkannten Werturteilen abbringen, ihn in Sünde führen. (Bibellexikon)

      Versuchung ist der Anreiz zur Sünde. (Karl Rahner, Theologe)

      Die Versuchung besteht in der Gefahr, die optimale dynamische Hinordnung auf die ständige Vervollkommnung durch Handlungen zu gefährden, die dieses Streben beeinträchtigen. (Waldemar Molinski, Moraltheologe)

      Eine Versuchung ist eine Situation, die mir zwar einen momentanen Vorteil und Genuss bringt, langfristig und objektiv gesehen mir oder anderen aber schadet. Sie begegnet mir tagtäglich, im Großen, im Kleinen, im Unwichtigen, im Existentiellen, sie macht mir zu schaffen, ich kämpfe mit ihr. (www.evangelium.de)

      Versuchung ist der Wunsch des Menschen, sich von Gott zu trennen. (Lutz Hoffmann, Jesuit und Ökonom)

      Versuchung ist die radikale Gefährdung des Glaubens, die zum Weggang aus der Jüngerschaft führen kann und damit das Heil des Menschen bei Gott aufs Spiel setzt. (Herbert Vorgrimler, Theologe)

      Versuchung liegt dann vor, wenn der Mensch im Begriff ist, sich auf eine infantile Phase regredierend fixieren zu lassen. (Richard Ries, nach Sigmund Freud)

      In Versuchung gerät der Mensch, wo er im Begriff ist, sich mit seiner Persona zu identifizieren, und wo er in Gefahr ist, sich mit seinem Schatten zu identifizieren bzw. seinen Schatten auf andere zu projizieren. (Richard Ries, nach C.G. Jung)

      So weit – so gut. Damit wir aber vor lauter Bäumen den Wald nicht übersehen, also einen gewissen ersten Überblick behalten, lege ich mich auf die weiteste Definition fest und verstehe »Versuchung« im Folgenden so: Eine Versuchung

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