Spielend leben. Stefan Kiechle

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Spielend leben - Stefan Kiechle Ignatianische Impulse

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umschreibe ich den Begriff des Spiels:

      Das Spiel ist eine freiwillige Handlung,

      – die in abgegrenzter Zeit und an abgegrenztem Ort nach gegebenen oder vereinbarten Regeln stattfindet,

      – die vom gewöhnlichen Leben abgehoben ist und oft dessen Rollen verändert,

      – die die Sinne anspricht und Schönes erleben lassen will,

      – die Entspannung voraussetzt und über Anspannung neue Entspanntheit schafft,

      – die Vertrauen braucht und zugleich vertieft,

      – die ein Ende hat, aber wiederholbar ist,

      – die bildet und Sinn vermittelt,

      – die keinen unmittelbaren Zweck hat, sondern im Vollzug Freude bereitet,

      – die humanen Geist friedlich und beglückend verleiblicht.

      Was ist das Gegenteil des Spiels? Spontan würden wir den Ernst anführen, doch sofort bemerken wir, mit wie viel Ernst, ja Verbissenheit wir viele Spiele spielen. Vielleicht kann man als Gegenstück zum Spiel die Arbeit ansehen: Sie hat einen Zweck und braucht ein Ergebnis, sie muss in realer Welt stattfinden und diese gestalten – und zwar mit bleibender Wirkung –, sie befriedigt Primärbedürfnisse und ist daher notwendig, ihre Zeit ist meist nicht wählbar, sondern vorbestimmt. Und doch: Manche Arbeit wird durch Spiele angeregt und befruchtet, umgekehrt wird manches Spiel – nicht nur dort, wo es professionell betrieben wird – zur harten Arbeit. Vielleicht ist ja diejenige Arbeit die effektivste, die man wie ein Spiel macht, ja in der man sich wie in einem Spiel verliert. »Spiel« hat wohl kein Gegenteil, unser Begriff davon ist nicht randscharf. Das Spiel bleibt einzigartig, nicht genau zu begrenzen oder einzufangen, bleibt selbst spielerisch.4 Schließlich hängt auch, ob wir etwas und was wir als Spiel empfinden, vom Spiel unseres Empfindens und von unserer Wahrnehmung ab: Jedes Spiel ist emotional und subjektiv, gehört einer personalen, rational nicht ganz einholbaren Ordnung an, und nur wer frei spielen will und an das Spiel glaubt, spielt.

      Ist aber, so verstanden, nicht alles Leben Spiel? Fragen wir umgekehrt: Wer spielt nicht? Notleidende empfinden ihr Leben nicht als Spiel, für sie ist es bitterer Ernst, Kampf ums Überleben. Wer von Angst gepackt ist, spielt nicht. Sterbende stehen am Ende des Lebens und damit am Ende aller Spiele, in endgültiger Verantwortung, unfreiwillig und einmalig, ganz und gar frei, im Herzen voller Zweifel oder voller Hoffnung. Kein Spiel ist also, wo Leben eingeschränkt oder am Ende ist. Spiel ist, wo Leben blüht. Leben ist ohne Spiel nicht denkbar und nicht lebbar. Insofern das Dasein lebendig ist, spielt es; wo es stirbt, spielt es nicht mehr.

      Nochmals gefragt: Was aber ist das Spiel? Zum Spiel gehört – wie zu jedem gelungenen Leben – immer der Charakter des Zusätzlichen und Überschüssigen, des Überflüssigen und ein wenig Sinnlosen, des Willkürlichen und Austauschbaren, des Lebensprallen und ein wenig Genusssüchtigen, auch der des Ungeschuldeten und Geschenkten, daher der des frei Ergriffenen und des dankbar Verkosteten. Spiel ist vielleicht das, was »Leben« über das bloße Überleben oder Existieren hinaus meint.

      Die oben zusammengestellten Kennzeichen des Spiels gelten alle für das Leben – außer der Wiederholung. Das Leben ist einmalig! Nur wird es nach dem Tod fortgesetzt und überboten in einem neuen Leben, ohne Zeit und Raum, einem anderen und ewigen Spiel; doch davon später.

      Selig, wer sein Dasein als spielerisch verstehen darf, wer es spielend lebt. In unserer westlichen Welt sind wir meist so gut situiert, dass wir Freiräume für das Spiel haben und seine Freuden genießen können – wer etwa Geld und Zeit findet, dieses Buch zu kaufen und zu lesen, ist wohlhabend genug, um zu spielen, zumindest mit den hier vorgelegten Gedanken. Es ist paradox: Wohlstand schafft Spielraum, allerdings finden auf ihre Weise auch arme und ärmste Menschen Spielräume; diese sind meist einfacher, sinnlicher, gemeinschaftlicher – also für das Spiel noch geeigneter?

      Für die Freiräume und für die Gnaden des Spiels gilt es zu danken. Als Spiel können wir dann alles verstehen, was aus dem Notwendigen des Alltags ausgegrenzt ist, was frei ist und künstlerisch, was in sich selbst Freude macht und bildet, was uns packt und bewegt, was zum Geistigen hinzieht und es verleiblicht, was spirituelles Leben fördert und zum inneren Frieden hilft.

      Ein Beispiel: Im Jesuitennoviziat spielten wir am Freitagnachmittag auf dem Sportplatz eineinhalb Stunden Basketball. Nach obiger Bestimmung galt: Zeit und Ort waren abgegrenzt. Alltägliche Rollen waren aufgehoben: Der Novizenmeister, sonst eine starke Autorität, war ein einfacher Mitspieler, eher mittelmäßig begabt, überhaupt waren viele der sonst Starken schwach und umgekehrt. Der Leib mit allen Sinnen war gefordert, und ein gelungener Spielzug und Korbwurf wurde von allen, auch von der gegnerischen Mannschaft, als schön erlebt. Man ging entspannt in das Spiel – es ging ja um nichts –, war dann atemloskonzentriert und damit höchst angespannt, nach dem Spiel aber war man gut entspannt für andere Aufgaben. Die Mitglieder einer Mannschaft mussten einander vertrauen und miteinander kooperieren, ebenso vertraute man den anderen Mitspielern, dass sie regeltreu und ehrlich spielten. Fehlpässe und verfehlte Korbwürfe enttäuschten, wurden aber gerne verziehen. Immer wieder spielten wir freitags Basketball, in der Wiederholung wurde das Spiel zum Ritual, machte immer neu Spaß. Es bildete den fairen Umgang der Spieler aus und schweißte sie zusammen. Es war zweckfrei und suchte die Freude im Spiel selbst. Man war angespornt zu siegen und nach dem Spiel stolz darauf, aber der Sieg war unwichtig und wurde bald wieder vergessen. Dankbar waren wir, wenn wir die Zeit zum Spiel gefunden hatten und die Umstände wie etwa das Wetter passten. »Geistige« Ideale wie Respekt und Vertrauen, Zusammenarbeit und Ehre – in Gesprächen oft beschworen – trainierten wir »leiblich«.

       Spiel und Spiritualität

      Mehrfach wurde angedeutet: Zwischen Spiel und Spiritualität besteht ein enger Zusammenhang. Wer gut zu spielen weiß, findet leichter in das spirituelle Leben, und der spirituelle Mensch kann hingebungsvoll und getröstet – vielleicht auch fairer? – spielen.

      Nach dem Ideal Jesu (vgl. z.B. Mt 18,1–5) sind Kinder der Inbegriff seliger Existenz. Selbstvergessen und selbstverloren spielen sie, stundenlang hingegeben, in abgrundtiefem Vertrauen, dass die Welt und die Menschen gut sind und ihr Leben geborgen ist in der Güte Gottes. Die Seligkeit der Kinder besteht nicht in ihrer Bedürftigkeit oder darin, dass viele ihrer Fähigkeiten noch unausgebildet sind – man würde den Mangel verklären –, sondern darin, dass sie spontan Freude empfinden, dass sie interesselos den Augenblick verkosten, dass sie dankbar und vertrauend sich dem hingeben, was sie – und sei es noch so gering – an beschränktem Ort und in beschränkter Zeit vorfinden, dass sie so klein sein können, wie sie sind, und sich nicht größer machen müssen, dass sie Zuwendung vorbehaltlos annehmen und daraus leben, dass sie – mit einem Wort – aus dem Spiel und im Spiel leben. »Selig« bedeutet in der Sprache der Bibel: Gott nahe; aufgenommen in sein »Reich«, das aus Gerechtigkeit und Friede, aus Liebe und Glaube und Hoffnung besteht. Deswegen sagt Jesus: »Werdet wie die Kinder!«, und dieses Wort Jesu gilt, auch wenn wir wissen, wie früh sich schon bei Kindern der Wurm des Bösen einschleichen kann …

      Im Spiel lernen wir, dass Leben Gnade ist: Ob wir heute Zeit und Muße haben zu spielen, ob wir gerade in der rechten Gestimmtheit und Entspannung sind, ob wir bereite Mitspieler finden, ob das Spiel nicht im Streit oder im Ärger endet, sondern gelingt und Freude macht, ob also der kairos – der rechte Augenblick – sich einstellt, all das können wir wünschen, und wir können das Unsere dazu beitragen, aber es liegt nicht wirklich in unserer Hand. Gelungenes Spiel ist – so empfinden wir immer wieder – Fügung, Geschenk, Gnade. Erfüllte Begegnung – und

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