Architektur einer Gemeinschaft. Vitus Seibel

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Architektur einer Gemeinschaft - Vitus Seibel Ignatianische Impulse

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style="font-size:15px;">       3. Ein Fanfarenstoß – so beginnt es

      »Wer immer in unserer Gesellschaft, von der wir wünschen, dass sie mit dem Namen Jesu bezeichnet werde, unter dem Banner des Kreuzes für Gott Kriegsdienst leisten und allein dem Herrn und der Kirche, seiner Braut, unter dem Papst, dem Stellvertreter Christi auf Erden, dienen will, der soll sich nach dem feierlichen Gelübde immerwährender Keuschheit, Armut und Gehorsams dessen bewusst sein, dass er Teil einer Gesellschaft ist, die vornehmlich dazu errichtet worden ist, um besonders auf die Verteidigung und Verbreitung des Glaubens und den Fortschritt der Seelen … abzuzielen … und er soll sich bemühen, zuerst Gott, dann die Art und Weise dieses seines Instituts, die ja ein Weg zu ihm ist, vor Augen zu haben und dieses ihm von Gott gesetzte Ziel mit allen Kräften zu erreichen; ein jeder jedoch nach der ihm vom Heiligen Geist gewährten Gnade und der eigenen Stufe der Berufung« (Formula Instituti 1 von 1550).

      Wie ein Fanfarenstoß tönt dieser erste Satz der so genannten Formula Instituti, der Formel des Instituts, der Magna Charta des Ordens (auch wenn die äußere Gestalt des Satzes etwas schwerfällig scheinen mag). Dieses Grundgesetz, das durch die Satzungen erläutert und ausgelegt wird, wurde in einer ersten Fassung 1540 von Papst Paul III. genehmigt und in einer zweiten Fassung 1550 von Papst Julius III. bestätigt. Auf der Grundlage dieser Formula entfaltet sich also das Gesamtwerk der Konstitutionen, wie die Satzungen in der den Jesuiten geläufigen Bezeichnung genannt werden.

      Wie die Formula Instituti ist auch das Credo, unser Glaubensbekenntnis, eine Art Kurzformel, und zwar unseres Glaubens. Es ist hilfreich, solche prägnanten Zusammenfassungen zu probieren. Auch auf der persönlichen Ebene. Was ist mir wichtig? Was spricht mich besonders an in meinem Glauben? Was ist erprobt in meinen Gebeten, meinen Erfahrungen, meinen Überlegungen? Trägt es dazu bei, meinen Nächsten in aufbauender Weise mit einzubeziehen? Ist es offen für Korrekturen, für Fortschreibungen? Sind die Kriterien meiner Kurzformel ausgerichtet an Jesus Christus? Solche Kurzformeln müssen nicht unbedingt schreckliche Vereinfachungen sein. Sie sind geeignet, Entscheidendes immer wieder ohne große Anstrengung in Erinnerung zu rufen. In schwierigen Situationen können sie Wichtiges auf den Punkt bringen. Im Alltag können sie die Schönheit unseres Glaubens aufblitzen lassen.

       4. Von der Ouvertüre zum Finale – ein Lebensskript

      Nach der Formula Instituti, der Zusammenfassung dessen, wie der Orden sich versteht und was er will, folgen die Konstitutionen. Sie werden eingeleitet mit einer Art Präludium, dem so genannten Examen, einer Prüfung, die den Interessenten vor Augen geführt wird. Ein Kandidat soll wissen, auf was er sich einlässt und dass dies kein Zuckerschlecken werden wird. Und der Orden will die Neigung und Eignung des Eintrittswilligen prüfen.

      Dann folgen die zehn Teile der Satzungen.

      Im I. Teil wird die Zulassung behandelt. Wer glaubt, berufen zu sein, muss bestimmte Bedingungen erfüllen und sich verschiedenen Prüfungen unterwerfen, »um bei dem zu helfen, was die Gesellschaft (Jesu) in Bezug auf den göttlichen Dienst erstrebt« (147).

      Der II. Teil handelt von der Entlassung derjenigen, die sich nicht bewähren oder die erkennen, dass ihr Weg ein anderer sein soll. Auffallend ist, dass sehr betont wird, mit wie viel Liebe und Taktgefühl die Trennung geschehen soll.

      Der III. Teil hat die Bewahrung, Förderung und Vertiefung der Berufung zum Thema. Besonderer Wert ist darauf zu legen, dass das Gemeinschaftsgefühl eingeübt wird, der Korpsgeist, der die Gemeinschaft prägen soll. Eine besondere Betonung liegt auf dem Gehorsam. Er besteht nicht nur in einer äußeren Durchführung des Befohlenen, sondern in einem inneren Bemühen um Übereinstimmung mit dem Willen dessen, der befiehlt (284).

      Der IV. Teil handelt von der Ausbildung der Ordensstudenten in den Wissenschaften.

      Im V. Teil werden die unterschiedlichen Formen und Stufen der Eingliederung in den Orden vorgestellt.

      Im VI. Teil kommt das persönliche Leben seiner Mitglieder zur Sprache.

      Der VII. Teil ist der Sendung gewidmet. Das Leben der Mitglieder ist apostolisch, d.h. im weiten Sinne seelsorgerlich. Das ist das Ziel aller Arbeiten des Ordens. Insofern ist dieser VII. Teil das Zentrum aller zehn Teile.

      Um das Wohl des Ganzen in diesem Vorhaben zu gewährleisten, stellt der VIII. Teil alles vor Augen, was den Leib zusammenhält und zur Einheit notwendig ist. Mit demselben Ziel befasst sich der IX. Teil mit dem besonderen Augenmerk auf die Leitung. Hier ist eigens hervorgehoben, »wie der Generalobere sein soll«, eine Fundgrube für alle, die ein Leitungsamt innehaben.

      Der X. Teil schließlich beschreibt, »wie dieser ganze Leib in seinem guten Stand bewahrt und gemehrt werden soll« (812). In diesem Finale findet man eine Art Zusammenfassung der ganzen Satzungen. Wie man das macht, den ganzen Leib zu bewahren und zu mehren, bleibt eine ständige Anfrage und ein Auftrag an den Orden, der ja auch, wie viele Gemeinschaften, unter starkem Rückgang zu leiden hat.

      Dem äußeren Aufbau entspricht eine innere Richtung des Textes: Von den Anfängern zu den Ausgebildeten, von den Teilen zum Ganzen, vom Individuum zur Gemeinschaft, von der Ouvertüre zum Finale. Und in den einzelnen Kapiteln: vom Geistigen zum Leiblichen. Der letzte Satz des Gesamtwerks könnte diesseitiger oder banaler kaum sein: Die Stellen, an denen man Kollegien gründet, sollen gute Luft haben (827). Dieser Aufbau bringt Wiederholungen mit sich, die aber in einem jeweils neuen Kontext Akzentverschiebungen bedeuten. Sie sind durch die unterschiedlichen Stufen der Eingliederung oder die verschiedenen Zielpunkte bedingt. Dies mag auch einer der Gründe gewesen sein, weswegen Pater Bobadilla die Satzungen zwischendurch nicht geschmeckt haben. Offensichtlich hatte sich ihm die Logik des Aufbaus nicht erschlossen. So wurde sie ihm zu einem Labyrinth.

      Fragen, die sich ergeben, sind: Wie könnte das Buch meiner Satzungen, meines Lebens aussehen? Wie würde ich meine Reifungsstufen benennen? Wie könnten die Überschriften über die Abschnitte meines Lebens lauten? Wie habe ich meine Identität gewonnen? Was tue ich für mein Gottesverhältnis? Wie fördere ich meine Anlagen und Talente? Was sind die spezifischen Fallen, die mir das Leben schwer machen? Wie sehen meine Vorstellungen einer lebendigen Gemeinschaft aus? Wie gestalte ich meine Beziehungen zu anderen?

      In welchen Gemeinschaften lebe ich? Was würde ich ihnen für ihr Wachsen wünschen? Wie geht meine Reifung zu einer eigenständigen Individualität zusammen mit der Entwicklung meiner Gemeinschaftsfähigkeit?

       5. 17 + X – schöpferische Treue

      Ignatius hat die Konstitutionen geschaffen und dabei während entscheidender Jahre vor allem die außerordentliche Unterstützung seines Sekretärs Juan de Polanco gehabt. In einer Mischung aus Gebet, Nachdenken, Entwürfen und praktischen Erprobungen sowie in der Auswertung der vor Ort gemachten Erfahrungen hatte das Ganze der Konstitutionen allmählich Form angenommen. In 17 Jahren entstand so ein Gebilde, das keiner anderen Ordensregel glich.

      Die 1. Generalkongregation des Ordens billigte 1558, zwei Jahre nach dem Tod des Ignatius, die Konstitutionen und legte fest, dass keine Veränderungen mehr vorgenommen werden sollten. Ignatius selbst allerdings war der Meinung gewesen, dass die Konstitutionen für Veränderungen offen bleiben sollten. Man entschied sich aber dann aus Verehrung ihm gegenüber, den ursprünglichen Text unverändert zu belassen.

      Im Laufe der Zeit wurde es aber notwendig, den veränderten Entwicklungen Rechnung zu tragen. Neue Zeiten, neue Konstellationen, kirchenrechtliche Veränderungen, tiefer gehende Erkenntnisse mussten berücksichtigt werden. So häuften

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