Ein hörendes Herz. Cordula Leidner

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Ein hörendes Herz - Cordula Leidner Ignatianische Impulse

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Umkehr, Versöhnung und Neuorientierung – dies entspricht der sog. ersten Woche der Exerzitien; die Suche nach vertiefter Lebensgestaltung aus der Beziehung zu Christus und der Wunsch, in Gottes Liebeswillen zu leben – dies spiegelt die Dynamik der Exerzitienetappen, die ausdrücklich der Nachfolge Christi gewidmet sind.

       Liebend-aufmerksam leben

      Mit der Zeit kamen Versuche auf, andere Namen für »Gewissenserforschung« zu finden und damit Akzente zu setzen für den Versuch, mit dem eigenen Leben vor sich und auf Gott hin da zu sein. Anstöße dazu gaben Wünsche, diese ur-ignatianische Gebetsweise tiefer zu verstehen: »Examen« war das Urwort im Sinne von Paulus – »Prüft alles, das Gute behaltet«. Die Tradition hat dieses Wort übernommen; alltäglich-nüchtern spricht man von Tagesrückblick; mit Blick auf die Medien formuliert: sich für eine persönliche Tagesschau Zeit nehmen; biblisch: Gebet der Ver-Antwortung auf die Frage Gottes »Adam, wo bist du?«; Gebet auf der Bettkante – formulierte jemand; spirituelle Bewusstseinserweiterung – ist die Sprache der 68er Jahre; und schließlich entstand aus einem Gespräch heraus die Formulierung: »Gebet der liebenden Aufmerksamkeit« – gerne auch »Gebet der Achtsamkeit«.

      Wenn ich Kurse zu dieser Gebetsweise gebe, dann stelle ich zuerst nicht die Übung, die Methode vor, sondern mache auf einige grundlegende menschliche Haltungen aufmerksam, um die es geht und die für Menschwerdung fundamental bedeutsam sind. Dann stelle ich die Frage: Welche Rolle spielt dies in deinem Leben, wo kommt dies vor? Und: Suchst du nach einer Form, die dafür vielleicht eine bessere Hilfe ist als deine bisherige Praxis? Dann stelle ich das Modell von Ignatius vor, und die Kursteilnehmer versuchen sich in den ersten Übungsschritten.

       Mensch-Sein durch die Kultur des Innehaltens

      Wenn – wie im Jahr 2011 – »Stresstest« zum Wort bzw. Unwort des Jahres wird und man sich vor dem »Burnout«, dem Ausgebranntsein, mehr fürchtet als vor einer Feuersbrunst, dann sagt das einiges. Eines auf jeden Fall: Wir scheinen uns wie in einer Mäusetrommel zu bewegen bzw. unfähig, vom Karussell unserer wirklichen und eingebildeten Verpflichtungen, Gedankenspiele, Gefühlswolken, um die sich alles dreht, auszusteigen. Das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit ist zunächst einmal der Versuch, ein wenig auszusteigen: mal Schluss jetzt; Pause, Stille, Innehalten, aufatmen, zurück- und vorausblicken, zu sich kommen. – Karl Valentin hat dies einmal feinsinnig-witzig – in hochdeutscher Version – so ausgedrückt: »Heut’ Abend, da möcht’ ich mich besuchen und bin gespannt, ob ich daheim bin.« Also: zu sich kommen statt ständig »außer sich sein«.

      Die praktische Frage lautet: Wie steht es bei mir mit der Kultur der Unterbrechung? Kommt sie vor? Wie kommt sie vor? Und wann? Bei einem tiefen Durchatmen? Bei einer kleinen Gesprächspause? In fünf Minuten vor dem Schlafengehen auf dem Balkon? Bei der Fahrt mit der Straßenbahn? Die ersten Minuten vor dem Einschlafen? In einem kleinen morgendlichen Vorausblick auf den kommenden Tag? In einem ernsthaften Gespräch über persönlich Wichtiges? Wer sich auf die Entdeckung von Pausen und Pausenqualität macht, wird fündig werden. Einem, der nach der Häufigkeit des »Examens« fragte, antwortete Ignatius: »Ja, machen Sie das nicht jede Stunde?!« Anders gesagt: Nur wer Pausen macht, kann pausenlos leben. Nur wer unterbricht, wird zum ganzen Menschen.

       Mensch-Sein im Da-Sein des Gegenwärtigen

      Die stärkste Geschichte, in der Gegenwärtigkeit eine Rolle spielt, ist die Begegnung von Mose mit Gott in der Wüste. Dort offenbart sich Gott mit seinem Namen: »Ich-bin-der-da-ist«. Dasein ist einer der ganz einfach-großen Gottesnamen. Gott ist reines Gegenwärtig-Sein.

      Wenn, wie die Bibel sagt, der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen ist, stellt sich die Frage: Wie steht es in meinem Leben mit der Kultur der Gegenwärtigkeit? Bin ich da, wenn ich da bin, oder immer noch oder wieder schon irgendwo anders? »Seltsam, manche Menschen können in einer Stunde länger da sein als andere in einer Woche«, sagte mir einmal jemand – eine Erfahrung, die es in sich hat.

      Was bedeutet für mich das Wort: »In Ihm leben wir, in Ihm bewegen wir uns, in Ihm sind wir« (Apg 17)? Findet mein Leben »außerhalb Gottes« statt? Aufmerksam leben hieße, im eigenen Leben wach zu sein für den, der sich mit dem Namen offenbart: »Ich-bin-wo-dubist«. So übersetzt Martin Buber. Was ist meine Antwort auf Seine Frage: »Adam, Mensch, wo bist du?« Das Gebet der Aufmerksamkeit ist Einübung bzw. Ausübung von Gegenwärtig-Sein mit dem eigenen Leben im Leben.

       Mensch-Sein im Dankbar-Sein

      Es ist ein starkes Wort, wenn Ignatius von Loyola einmal sagt, er sei überzeugt, dass die Dankbarkeit die Quelle alles Guten und die Undankbarkeit die Quelle alles Bösen sei. Um dies einsehen zu können, sind einige Erkenntnisse notwendig:

      Dankbarkeit ist Ausdruck der Fähigkeit, einzustimmen in den Grundrhythmus allen Lebens, nämlich empfangen und geben zu können.

      Dankbarkeit ist eine Quelle von Bereicherung, denn mir gehört wirklich nur das, wofür ich »Danke« sagen kann.

      Dankbarkeit ist im Tiefsten die Annahme seiner selbst aus dem großen Gegeben-Sein aus der schöpferischen Gottesliebe.

      Umgekehrt gilt: Feind jedes Dankbarkeitsempfindens sind z.B. die Unaufmerksamkeit für Geschenktes oder die Selbstverständlichkeit, mit der jemand alles für sich in Anspruch nimmt, und der Gedanke, dass ich eigentlich auf alles ein Recht habe.

      Wie pflege ich Dankbarkeit in meinem Leben? Kommt sie vor? Welchen Ausdruck findet sie? Nehme ich sie als Quelle der Lebendigkeit wahr und versuche das Geschenk der Dankbarkeit zu kultivieren? – Für Ignatius ist die Kultivierung der Dankbarkeit Gott und den Menschen gegenüber ein wesentlicher Schritt in seiner Übung.

       Mensch-Sein im wahrhaftigen und befreienden Wandlungsprozess

      Was lebt, regt sich und wächst, und dies geschieht oft und immer wieder durch Schwierigkeiten und Gefährdungen hindurch. Auf dem Lebens-Weg gibt es viele Abwege, Umwege, Irrwege. Auch: Grenzen, Fehler, Verfehlungen, lebensfeindliche Tendenzen, Schuld, Sünde. Oft ist ein entscheidender Schritt, es mir und anderen zugeben zu können, dass ich verwundet wurde und verwundet habe; dass ich Fehler begangen habe und andere sich an mir »vergangen« haben. Wo dies geschieht, kann das biblische Wort gelten: »Die Wahrheit wird euch frei machen.« Zu eigenen Schwächen stehen zu können, ohne sie schönzureden, das ist menschlich und in einem tiefen Sinne stark.

      Wie kann ich mich von wachstumshemmenden Ängsten befreien lassen? Wer und was hilft mir dabei? Wer vergibt mir? Wie kann ich Versöhnung mir schenken lassen und fördern? Sie ist notwendig: ohne Versöhnung kein Wachstum. – Darum geht es Ignatius in seiner Bitte, die eigenen Dunkelheiten zu erkennen und in die Freiheit der Liebe zu finden. Schmerz, Trauer, Reue, Bitte um Vergebung, Umorientierung, Perspektivenwechsel führen in eine neue Zukunft. Um den zukunftsfähigen und zukunftswilligen Menschen geht es. Für ihn bedeuten Fehler eine Möglichkeit zum Lernen.

       Mensch-Sein im Einüben und Ausüben

      »Sich mit Seiner Gnade Besserung vornehmen« – so formuliert es Ignatius schlicht im letzten Punkt seiner »allgemeinen Gewissenserforschung«. Dahinter steht eine doppelte Erkenntnis: All unser menschliches Werden und Wachsen ist Gnade, Geschenk, Vorgabe. Ebenso gilt, dass dem Menschen seine Lebenskraft gegeben ist, um sein Leben mitzugestalten.

      Als Hilfe hierzu bietet

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