Lebendige Seelsorge 5/2016. Группа авторов

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„die deutschen Einlagen sind sicher“, um eine Massenpanik zu verhindern. Wäre die Panik eingetreten, niemand hätte die Sicherheit der Einlagen garantieren können. Das faktenbasierte Argument hat seine Macht verloren. Es gewinnt die überzeugend-starke Meinung.

       Erik Flügge

      Geschäftsführer der SQUIRREL & NUTS Gesellschaft für Strategische Beratung mbH; berät Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Großorganisationen bei der strategischen Aufstellung und Optimierung ihrer Kommunikation; veröffentlichte 2016 den SPIEGEL-Bestseller „Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“ im Kösel-Verlag.

      Im Grunde müsste dieser Trend der Theologie in die Hände spielen. Sie verhandelt seit jeher einen Glauben, der mehr den Charakter einer Meinung als den Charakter eines Faktums hat. So viele intellektuelle Pirouetten wir auch drehen, Gott bleibt wissenschaftlich nicht beweisbar. Ohne Glaube gibt es keinen Gott.

      Es läge eine so große Chance darin, schlicht den eigenen Glauben zu formulieren. „Ich glaube an Gott“ – „Ich folge seinen Geboten“. Aussagen, die in unserer Zeit schon genügend Sprengkraft besitzen, weil sie längst nicht mehr selbstverständlich sind. Doch statt den Trend der Zeit zu begreifen, entwickelt sich kirchliches Sprechen immer weiter in die genau gegenteilige Richtung. Starke Meinung und schlichte persönliche Glaubenszeugnisse treten immer mehr zurück hinter einer hochtrabenden Theoretisierung Gottes.

       SPRECHEN VOR DEM KREUZ

      Was mich im Kern an dieser sprachlichen Selbstüberhöhung stört, ist, dass sie sich selbst theologisch widerlegen müsste. Ich frage mich immer wieder, wenn ich Predigten höre oder Hirtenbriefe lese, wieso man meint, auf eine hochtrabende Sprache zurückgreifen zu dürfen im Angesicht des Kreuzes.

      Zuletzt begegnete mir ein Beispiel dafür in Bischof Osters Überlegungen zum Beichtrückgang. Er schreibt, die Beichte sei für den erlösungsbedürftigen Menschen „ein völlig unverdientes und unangemessenes Gnadengeschenk, immer neu im Sakrament der Versöhnung alles vor den Vater hinlegen zu können“. Ich verstehe diesen Text. Ich habe ausreichend viele Semester Theologie studiert. Das Bildungsbürgertum versteht diesen Text. Es kann mit schweren Formelsätzen und starker Verdichtung umgehen. Meine Großmutter versteht den Text nicht. Sie geht nicht mehr zur Beichte. Man kann Bischof Oster nicht unterstellen, dass er keine streitbaren Thesen hätte. Er hebt sich wohltuend ab vom Einheitsbrei der abgeschliffenen Positionen, die immer allen gefallen wollen. Er polarisiert, statt sich zu Tode zu differenzieren. Er provoziert mit dem, was er sagt und stößt Debatten an, auch wenn mir nicht jede Position gefällt. Einzig die breite Masse versteht ihn nicht.

      Wenn ich Texte über „Gnadengeschenke“, das „Sakrament der Versöhnung“ oder über die „Gottesgegenwärtigkeit“ lese, dann stelle ich mir immer eine Frage: Warum tretet ihr vor das einfache Kreuz aus Holz und macht Euch sprachlich so groß? Welcher Text könnte Euch groß genug machen, um mit dem Kreuz auf Augenhöhe zu kommen? Müsstet Ihr Euch nicht klein machen vor dem Kreuz? Wie begründet ihr theologisch Eure hochgestochene Sprache?

       GOTT ANDERS VERKÜNDEN

      In der Katholischen Kirche falle ich seit einigen Monaten als starker Kritiker auf. Nicht selten wird mir gesagt, „dann mach es halt besser!“. Oftmals schwingt ein beleidigter Unterton mit. Was nur wenigen in der Kirche bekannt ist: Vier Tage vor meinem Buch startete die Veröffentlichung eines Verkündigungsprojektes, das ich über Jahre entwickelt habe und mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Auftrag des Zentrums für Berufungspastoral der Deutschen Bischofskonferenz produziere. Es heißt „Valerie und der Priester“. Daran darf man mich gerne messen.

      Das vielfach besprochene Dokumentationsprojekt Valerie und der Priester entsteht bei uns im Haus. Die Journalistin Valerie Schönian ist meine Angestellte, die mit einem journalistisch freien Auftrag für ein Jahr den Priester Franziskus von Böselager begleitet und ungefiltert portraitiert. Der Kerngedanke des gesamten Projektes ist es, sich klein zu machen vor dem Kreuz. Weder handelt es sich bei Valerie Schönian um eine theologisch geschulte Fragende, noch bei Franziskus von Böselager um einen universitär sattelfesten Theologen. Keiner von beiden beherrscht die Kunst, Gott kompliziert zu machen. Das Projekt erzielt Reichweiten im Millionenbereich. Es wird seit Projektstart ständig wieder in säkularen Medien aufgegriffen. Es wird innerhalb der Kirche diskutiert und vielfach kommentiert. Das Projekt erreicht eine riesige Zielgruppe außerhalb der geschlossenen innerkirchlichen Kreise. Das Feedback, das aus diesen außerkirchlichen Kreisen zurückkommt, ist durchweg ein positives. Man glaubt dem Priester Franziskus von Böselager, dass er glaubt. Welch ein wohltuender Unterschied zu den vielen Kommentaren über Priester, die nicht leben, was sie sagen. Welch ein wohltuender Unterschied zu dem ständigen Stellungskrieg zwischen überzeugt Glaubenden und überzeugt nicht Glaubenden. Valerie Schönian wird in Berliner Diskotheken genauso positiv auf Valerie und der Priester angesprochen wie Franziskus in seiner Kirchengemeinde in Münster Roxel. Einzig, das gebe ich gerne zu, an den katholischen Fakultäten im ganzen Land leidet man unter diesem Projekt. Nicht selten höre ich, Franziskus sei kein guter Theologe. „Hättet ihr da keinen besseren finden können?“ Zuweilen bekommen Valerie oder ich sogar Texte geschickt, was Franziskus theologisch-wissenschaftlich korrekter hätte sagen müssen. Da machen sich Menschen die Mühe, zu recherchieren, was nicht ganz exakt stimmte in seinen spontanen Worten, wenn man sich die Zeit nimmt, die Konzilstexte genau zu lesen. Der häufigste Vorwurf jedoch ist, dass Franziskus als „der Priester“ portraitiert wird, obwohl er doch nur einer unter sehr vielen Priestern ist. Oder sogar in der Erweiterung, warum nur ein Priester gezeigt wird, obwohl doch so viele andere Berufungen auch existieren.

      In diesem Vorwurf zeigt sich in meinen Augen eine fatale Tendenz innerhalb kirchlicher Kommunikation. Die Angst vor einer spannungsreichen Geschichte. Valerie und der Priester widersprechen sich. Sie verkörpern die Konfrontation zweier Lebenswelten, die wenig bis gar nichts gemeinsam haben. Diese Unvereinbarkeit macht die Erzählung überhaupt erst erzählenswert. Der ständige Wunsch von Theologen, man möge doch auch zeigen, dass es auch andere Meinungen gibt, dass alles viel differenzierter sei, ist die Achillesferse jeder kirchlichen Kommunikation: Man differenziert sich zu Tode. Die Gegenfrage sei erlaubt: Wie viele Personen sind denn adäquat? Wie viele Charaktere sollten die Leserinnen und Leser kennenlernen, um ein ausreichend differenziertes Bild von der Kirche zu erhalten? Jedes Quartal jemand neuen? Jeden Monat? Jede Woche? Jeden Tag? Ab der wievielten eingeführten Person wird eine Geschichte nur noch verwirrend statt lesenswert?

       EIN MENSCH STATT EINER BEHÖRDE

      Was wir bei Valerie und der Priester betreiben, ist, der Kirche eine andere Oberfläche zu geben. Von außen sieht unsere Kirche nämlich recht kalt aus. Sie besteht als alten Steinbauten oder mittelalten Betonbauten. Sie geriert sich wie eine Behörde. Sie tritt auf in seltsamen Riten und Gewändern. Sie spricht in kompliziert wissenschaftlichen Formeln. Sie erscheint wie ein undurchsichtiger Kosmos einer gigantischen Behörde, wie Kafka sie nicht besser hätte erfinden können. Diesem Bild stellen wir mit Franziskus von Böselager ganz und gar einen Menschen entgegen. Einen Menschen, der auch mal völlig absurde Dinge erzählt. Beispielsweise, dass er im Theater die Augen zumacht, wenn die Schauspieler auf der Bühne nackt sind, damit der Teufel ihn nicht verführt.

      Ja, ich bin genauso irritiert wie alle anderen Leser auch. Aber ich bin als Produzent begeistert, dass da plötzlich zwischen all diesen Formalien und gesetzten Formen, zwischen all der differenzierten Wissenschaftlichkeit ein

      Mensch durchschimmert und sichtbar wird. Ich will diesem Menschen keinen Gegenmenschen entgegenstellen. Ich will keinen zweiten Priester daneben platzieren, der dieser menschlich-pointierten Position sofort eine Relativierung zur Seite stellt. Ich halte es aus, dass der Glaube an Gott unterkomplex einfach bleibt – denn für die allermeisten Menschen ist er genau das. Ein schlichtes „ich glaube an Gott“ – und das vielleicht nicht immer korrekt.

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