Gestalttherapie in der klinischen Praxis. Группа авторов

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Gestalttherapie in der klinischen Praxis - Группа авторов EHP - Edition Humanistische Psychologie

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sich auf viele klassische diagnostische Kategorien: Stimmung, Psychose, Persönlichkeit, Essstörungen und Psychosomatik, sexuelle Probleme, gewalttätiges Verhalten und Demenz. Obwohl sie klassische diagnostische Kategorien behandeln, versuchen die AutorInnen dieser Kapitel die Begegnung mit der KlientIn als zentrales Element zu betrachten, und bewahren die Bedeutung der Einzigartigkeit jedes Menschen und jeder Begegnung.

      Außerdem denke ich, dass dieser Ansatz dazu beitragen wird, einen der wesentlichen Punkte zu fördern, den ich vertrete, nämlich die Bedeutung der von mir Prozessdiagnose genannten Diagnose, die die HerausgeberInnen in ihrem Konzept der intrinsischen oder ästhetischen Diagnose zusammenfassen. Aus dieser Perspektive umfasst die Diagnosestellung die Beobachtung von einem Moment zum nächsten. Auch das Nachspüren, wo sich die KlientIn befindet, gehört dazu, eine funktionale Diagnose, die den nächsten Moment der TherapeutIn leitet. Dabei handelt es sich um eine ko-konstruktive Form der Beteiligung, die im Herzen eine Form der Diagnose ist, die zu einer differenzierten Intervention führt. Dem Prozess zu folgen, ein zentrales Prinzip der Gestalttherapie, ist also kein mystischer oder esoterischer Prozess, wild und kreativ, jenseits von Beschreiben und Verstehen, sondern vielmehr eine disziplinierte Art und Weise, das Offensichtliche zu erkennen, eine Form der Wahrnehmungs-Differenzierung, ähnlich wie bei RadiologInnen, die Scans ablesen, um Phänomene zu entdecken, die darauf hinweisen, dass bestimmte Prozesse im Inneren passieren. Wir sind der Ansicht, dass die Therapie von der Identifizierung bestimmter Marker als Indikatoren innerer Zustände profitiert, die Möglichkeiten für bestimmte Arten von Handlungen seitens der TherapeutInnen aufzeigen, die diesen Zuständen am besten entsprechen. Diagnose und Intervention unter diesem Licht zu sehen, trägt dazu bei, dass die Kunst und Wissenschaft der Psychotherapie gemeinsam in der Ausübung qualifizierter Praxis zusammenkommen.

      Ich gratuliere den HerausgeberInnen dazu, einen Band geschaffen zu haben, der zur Entwicklung der gestalttherapeutischen Theorie beiträgt und die Komplexität des gestalttherapeutischen Ansatzes zur klinischen Praxis mit komplexen Problemen behandelt.

      Leslie Greenberg

      Toronto, Dezember 2012

      Dieses Buch begann als Projekt in Athen im Jahr 2007, während der 9. EAGT-Konferenz, als wir davon träumten, ein solches Werk zu schaffen. Wir interessieren uns alle seit vielen Jahren für Psychopathologie und besonders für die spezifische gestalttherapeutische Perspektive zu diesem Thema (siehe z. B. Francesetti 2007; Roubal 2007; Francesetti und Gecele 2009). Wir sind GestalttherapeutInnen und PsychiaterInnen und jede(r) von uns hat einen Prozess durchlebt, um diese Hintergründe zu integrieren. Die Gestalttherapie hat unsere Art, ÄrztInnen zu sein, grundlegend beeinflusst: menschliches Leiden zu verstehen, uns mit der therapeutischen Beziehung zu befassen, unsere KlientInnen zu unterstützen, auf uns selbst als TherapeutInnen Acht zu geben. Außerdem hat unsere klinische Erfahrung uns sensibler für spezifische Aspekte des Gestaltansatzes gemacht. Wir waren begeistert von der Vorstellung, die Unterstützung, die uns die Gestalttherapie als ÄrztInnen geboten hat, mit unseren KollegInnen zu teilen und einen Dialog zur klinischen Anwendung unserer Therapieform zu beginnen.

      Drei Elemente sind zugleich Hintergründe und Ziele in unserer Arbeit gewesen: Zuallererst gab (und gibt) es eine Lücke zwischen der reichen klinischen Erfahrung vieler GestalttherapeutInnen und der verfügbaren Literatur. Literatur zur gestalttherapeutischen klinischen Arbeit ist ein grundlegendes Werkzeug für Studierende in Ausbildungsprogrammen und bietet zusätzlich eine Unterstützung für den fortlaufenden Dialog über Psychopathologie und ihre Veränderungen im Laufe der Zeit. Diese Literatur ist auch relevant für den Ruf der Gestalttherapie bei KollegInnen anderer Therapieformen und stellt ein Mittel dar, einen Dialog mit ihnen zu führen: Nur allzu oft ist unser Ansatz ausschließlich mit Techniken identifiziert worden, ohne das Wissen um unseren reichen theoretischen Hintergrund, der unsere Praxis leitet. Dieses Buch ist also ein Versuch, auszudrücken und zu beschreiben, was GestalttherapeutInnen in ihrer klinischen Praxis machen und wie unser spezifisches Verständnis von Psychopathologie aussieht.

      Ein zweites Element, das uns zu diesem Projekt animiert hat, waren die Vorbehalte, die GestalttherapeutInnen oft gegenüber der Psychopathologie hegen. Es ist aus epistemologischen, historischen und politischen Gründen keine einfache Beziehung. Dennoch gibt es ein spezifisches gestalttherapeutisches Verständnis von Psychopathologie: Jedes psychotherapeutische Modell verfügt darüber, explizit oder implizit. Wir denken, dass die Lehre der humanistischen Bewegungen – die Einzigartigkeit jedes Menschen und jeder Begegnung – immer wertvoll bleibt: Die gestalttherapeutische Psychopathologie ist ein Verstehen des menschlichen Leidens durch unsere Theorie. Sie ist nicht dazu da, unsere KlientInnen mit Bezeichnungen zu versehen. Dieser Prozess ist eine wertvolle Unterstützung in unserer klinischen Praxis. Tatsächlich denken wir, dass das der Gestalttherapie zugrundeliegende Buch von Perls, Hefferline und Goodman gesundes und neurotisches Erleben gut beschrieben hat, dass seine wesentlichen Konzepte jedoch noch ausgeweitet werden können: So kann z. B. die Theorie des menschlichen Erlebens die Basis sein, um psychisch schwer erkrankte KlientInnen und psychotische Funktionsweisen zu verstehen.

      Der dritte Punkt, der uns motiviert hat, war unsere Leidenschaft, menschliches Leiden als ein Feldphänomen zu verstehen: Wir haben täglich bei der Arbeit und in unserem Alltag mit Leiden zu tun und werden immer wieder aufs Neue von Leiden herausgefordert. Wir glauben und wir haben erlebt, dass die Gestalttherapie einen Schlüssel bieten kann, um leidenden Menschen beizustehen und sie zu unterstützen und zu verstehen. Zusätzlich bietet uns die Betrachtung menschlichen Leidens als Feldphänomen die Möglichkeit, das individuelle und das soziale Feld besser zu begreifen.

      Dies waren die Motivationen, die uns – gepaart mit einem guten Stück Unwissenheit, was den Arbeitsaufwand anging – dazu gebracht haben, mit diesem Buch anzufangen.

      Da unser Verständnis von Psychopathologie in vielen Kapiteln angesprochen wird, wollen wir uns hier auf den Untertitel konzentrieren: Von der Psychopathologie zur Ästhetik des Kontakts. In dieser Zeile findet sich der Kern unserer Vision: Im Kontaktprozess kann das menschliche Leiden erreicht und verändert werden, und diese Verwandlung ist ästhetisch. Hier sind zwei Gedanken enthalten: Erstens, dass die Psychopathologie ein ko-kreatives Phänomen des Feldes ist, das an der Kontaktgrenze entsteht und im Kontaktprozess verändert werden kann. Zweitens, dass diese Verwandlung ästhetisch ist: Das heißt, dass sie mit unseren Sinnen wahrgenommen wird, mit ästhetischen intrinsischen Kriterien bewertet wird und sogar Schönheit erschaffen kann.1

      Durch diese Mittel können wir die Psychopathologie ins Herz der gestalttherapeutischen Theorie bringen.

      Wir wollen den LeserInnen verdeutlichen, dass die klinische Praxis nur eines der Felder ist, auf die die Gestalttherapie angewandt wird. Die gestalttherapeutische Theorie und Praxis können ein Arbeitsmodell für Organisationen, in der Kunst, der Bildung, in einer sozialen und politischen Dimension sein. Die Gestalttherapie kann als ein Weg gesehen werden, um die Gestaltung, den Prozess der Schaffung von Gestalten, die vereinte Gesamtheit der menschlichen Erfahrung zu unterstützen. Die Psychopathologie und die klinische Praxis sind also nur eines der Felder, in denen unsere Theorien nutzbringend angewandt werden können.

      Dieses Buch ist in vier Abschnitte unterteilt.

      Der erste Teil konzentriert sich auf die grundlegenden Prinzipien in Verbindung mit der Gestalttherapie in der klinischen Praxis. Hier finden Sie ein paar grundlegende Themen, die vor oder während der klinischen Arbeit besprochen werden müssen: Kernkonzepte und modernisierte Konzepte der Gestalttherapie, die gestalttherapeutische Perspektive zur Psychopathologie, Diagnose und Entwicklung, Ethik, Forschung und die Beziehung zwischen Psychotherapie und Medikamenten.

      Im zweiten Teil werden spezifische Kontexte und Fokusse besprochen: Dieser Abschnitt unterstützt die Feldperspektive des Leiden des Individuums und hilft der LeserIn, es im Rahmen sozialer, politischer und multikultureller Dimensionen zu betrachten. Sie finden hier auch zwei spezifische

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