Politisch urteilen ohne Wissen und Verstehen? (E-Book). Claudio Caduff

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Politisch urteilen ohne Wissen und Verstehen? (E-Book) - Claudio Caduff

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den relevanten Inhalten (Wissen, Konzepte, Kategorien) der politischen Bildung längst hinausgewachsen ist – es geht heute auch um Lerntheorien und um die Kompetenzorientierung in der schulischen Bildung generell.

      Bevor der aktuelle Diskurs nachgezeichnet wird, sollen drei Kompetenzmodelle vorgestellt werden, die in der Folge des GPJE-Modells entwickelt wurden.

      Das Modell von Gollob et al. (2007) lehnt sich stark an das GPJE-Modell an. In Abbildung 2 wird es knapp erläutert. Auffällig daran ist, dass (zumindest in der Verkürzung des Modells) Wissen und/oder Kenntnisse nicht vorkommen. Implizit findet man wohl Hinweise darauf in den «Sachaspekten» (im Kompetenzbereich A).

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       Abbildung 2: Kompetenzmodell nach Gollob et al. (2007)

      Im Modell von Krammer (2008) findet sich neben der Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenz auch die Sachkompetenz (siehe Abbildung 3). Darunter versteht der Autor «jene Fähigkeiten, Fertigkeiten und jene Bereitschaft, die notwendig sind, um die Begriffe, Kategorien beziehungsweise die Konzepte des Politischen zu verstehen, über sie zu verfügen sowie sie kritisch weiterentwickeln zu können. Unter Begriffen sind hier die politischen Fachausdrücke, die sich von der alltagssprachlichen Verwendung durch exakte Definition unterscheiden, zu verstehen, unter Kategorien jene ‹Kernbegriffe›, denen allgemeine Merkmale eigen sind, sodass sich Gegenstände, Vorstellungen und Ereignisse diesen Merkmalen entsprechend zuordnen lassen. Basiskonzepte (key concepts) sind Leitideen beziehungsweise Grundvorstellungen, mit deren Hilfe Schüler und Schülerinnen politisches Wissen strukturieren und einordnen können. Sie werden in einem ständigen Prozess der Differenzierung und Komplexitätssteigerung weiterentwickelt» (S. 11). Zu den vier Kompetenzbereichen gesellt sich noch das «Arbeitswissen», das anlassbezogen ist und instrumentellen Charakter aufweist; es ist erforderlich, um sich über konkrete politische Fragestellungen zu informieren (Krammer 2008, S. 6).

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       Abbildung 3: Kompetenzmodell nach Krammer (2008, S. 6)

      Moegling (2008) modelliert vier Kompetenzbereiche um die zentrale Metakompetenz «politische Mündigkeit» (siehe Abbildung 4).

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       Abbildung 4: Kompetenzmodell nach Moegling (2008, S. 14)

      Er definiert in seinem Modell die politische Wissenskompetenz als «Fähigkeit, Wissen – sei es Faktenwissen oder konzeptuelles Deutungswissen, also auch Kernbestände von Theorien – aufzunehmen, zu verknüpfen, zu integrieren und zu erinnern» (S. 15). Damit beschreibt er aber eine allgemeine Lernfähigkeit in Bezug auf Wissen, wie sie wohl in praktisch allen Fächern notwendig ist. Über welches politische Wissen (seien das Begriffe, Konzepte, Kategorien oder Theorien) politisch mündige Menschen verfügen sollten, ist jedoch nicht klar.

      Basierend auf den drei oben dargestellten Modellen politischer Bildung entwarfen Hellmuth & Klepp (2010, S. 116–123) ein «subjekttheoretisches Modell politischer Bildung» mit den beiden Kompetenzbereichen Reflexions- und Partizipationskompetenz (s. Abb. 5).

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       Abbildung 5: Subjekttheoretisches Modell politischer Bildung (Hellmuth & Klepp 2010, S. 118)

      Reflexionskompetenz ist die Voraussetzung für Partizipationskompetenz, sie umfasst einerseits die (De-)Konstruktionskompetenz, die politische Sinnbildung ermöglicht, besonders aber den Einzelnen befähigt, «die eigene Sinnbildung zu hinterfragen und zu dekonstruieren» (Hellmuth & Klepp 2010, S. 116). Die (De-)Konstruktionskompetenz ermöglicht es dem Individuum zudem, Politik kritisch zu analysieren. (De-)Konstruktionskompetenz ist anderseits eine unabdingbare Voraussetzung für die Urteilskompetenz, und diese beiden setzen ihrerseits Methodenkompetenz voraus. Zur Partizipationskompetenz gehören die Kritik-, die Orientierungs- und die Handlungskompetenz.

      Die Kritikkompetenz versteht sich als «Fähigkeit und Bereitschaft, die eigene politische Sinngebung dahingehend zu hinterfragen, ob sie […] – im Sinne der Aufklärung […] – individuelle Freiheit garantiert, ohne die Freiheit der anderen einzuschränken» (S. 122). Handlungskompetenz basiert schliesslich auf der Kritik- und der Orientierungskompetenz. Auf das rahmende (Arbeits-)Wissen wird auch in diesem Modell nicht weiter eingegangen.

      Gerade aber an der Frage um das Wissen in der politischen Bildung entfachte sich die jüngste Kontroverse in der Politikdidaktik. Diese soll im Folgenden knapp dargestellt werden.

      Das GPJE-Kompetenzmodell aus dem Jahr 2004 (siehe Abbildung 1) war ein Konsensmodell, allerdings ging der Konsens auf Kosten der Differenziertheit. Daher war zu erwarten, dass sich vor allem bei der konkreten Ausgestaltung von Kompetenzbereichen – insbesondere beim Fachwissen – Gräben von unterschiedlicher Tiefe auftun würden. Seit der GPJE-Tagung 2006 versuchte man zunächst, einen Minimalkonsens hinsichtlich des fachlichen Kerns der politischen Bildung zu finden, doch seither sind vor allem zwei Autorengruppen mit höchst unterschiedlichen Positionen – und dies nicht nur in Bezug auf den Bereich des Wissens – in den Vordergrund der politikdidaktischen Diskussion gerückt: 2010 präsentierten vier Autoren und eine Autorin1 ein Konzeptmodell politischer Bildung, das sie in der Schrift «Konzepte der Politik – ein Kompetenzmodell» (Weißeno et al. 2010) veröffentlichten. Diese Publikation löste eine heftige Reaktion von zwei Autorinnen und vier Autoren2 aus. In der Streitschrift «Konzepte der politischen Bildung» stellen sie dem Wissensmodell von Weißeno et al. ein offenes Modell von sechs Basiskonzepten entgegen (zur Kontroverse siehe auch Henkenborg 2012; Goll 2013; Meyer 2013; Fröhlich 2014; Oeftering 2014).

      In «Konzepte der Politik – ein Kompetenzmodell» steht die Frage des Fachwissens im Zentrum. Obwohl «das Wissen nicht die einzige Kompetenzdimension der Politikkompetenz» (S. 17) ist, spielt es für die politische Bildung eine zentrale Rolle, denn sowohl Meinungen wie auch Beteiligung setzen Wissen voraus (S. 7). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Bestimmung von content standards als Lerninhalte für den Unterricht. Ausgehend von einem engen Politikbegriff wird ein Kompetenzmodell des Fachwissens vorgestellt, das sich in Basis- und Fachkonzepte aufgliedert (siehe Abbildung 6). Nach dieser aus den Fachdidaktiken der Naturwissenschaften übernommenen «Struktur zur Systematisierung der in der Schule zu erwerbenden Konzepte» (S. 11) sind Basiskonzepte «zentrale Prinzipien beziehungsweise Paradigmen der Domäne, also Grundvorstellungen des jeweiligen Fachs. Sie repräsentieren das Spezifische einer Domäne für den Unterricht» (S. 48). Basiskonzepte müssen durch Fachkonzepte weiter ausdifferenziert werden. Diese, so argumentieren die Autoren in Anlehnung an Anderson (2001) weiter, ermöglichen das Abrufen von bedeutungs- und wahrnehmungsbezogenem Wissen.

      Die Inhalte des Modells (siehe Abbildung 6) kommen alle aus der Domäne Politik:

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       Abbildung 6: Kompetenzmodell des Fachwissens (Weißeno

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