Vernichten. Hansjörg Anderegg

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Vernichten - Hansjörg Anderegg страница 23

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Vernichten - Hansjörg Anderegg

Скачать книгу

sagte er und gab ihm den Hörer.

      Die Person am andern Ende der Verbindung erwies sich als kompetente Frau. Sekunden später erfuhren sie die erschütternde Tatsache: Ihr Testprogramm war von einem einzigen Prozessor ausgeführt worden, keine Spur von Parallelverarbeitung. Die Frau am Draht gab gleich den entscheidenden Hinweis dazu:

      »Sie sollten die Option ›openmp‹ nicht vergessen, wenn Sie mehr Rechenleistung benötigen.«

      Er dankte und legte auf.

      »Wir sind Idioten«, murmelte er, passte den Ausführungsbefehl fürs Testprogramm an und startete es erneut.

      »49 Minuten«, verkündete Andrei.

      Dann schwieg auch er. Alle warteten angespannt auf das Ende der Verarbeitung. Fedor brach schließlich das Schweigen:

      »Es hat längst terminiert.«

      Vladimir traute seinen Augen nicht, glaubte zuerst an einen Fehler. Erst nach eingehender Kontrolle entspannte er sich. Das Monster hatte keine Minute gebraucht, um den aufwendigen Test auszuführen.

      »37 Minuten«, verkündete Vanya lachend.

      »Heißt das …«

      Weiter brauchte Andrei nicht zu fragen. Fisik klärte ihn auf:

      »Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass unser Monster sich wahrscheinlich für das Codeknacken eignet.«

      Fedor, der Architektor, fasste den Stand der Arbeiten anhand seiner Systemskizze zusammen. Alle Komponenten, die sie für den Angriff brauchten, lagen nun bereit – bis auf seinen Trojaner, das wichtigste Stück Software. Der Countdown stand bei 21 Minuten. Er würde es nicht schaffen, die Konfiguration und alle notwendigen Tests in der verbleibenden Zeit durchzuführen. Andererseits wusste nur er das, und er erwartete keine Überraschungen mehr, also gab er grünes Licht. Die Machbarkeit des Auftrags war erwiesen. Niemand im Bunker zweifelte mehr daran. Der namenlose Unbekannte konnte kommen.

      Er erschrak, als Fisik sich von hinten über ihn beugte.

      »Kannst du das bitte in korrektes Englisch übersetzen?«, hauchte sie, wobei die Lippen sein Ohr berührten, dass 100‘000 Volt stracks in seinen Schritt fuhren. »Dein Englisch ist viel besser als meins.«

      Sie presste die Daumen in seinen Nacken, bevor sie sich abstieß, um zu Andrei hinüber zu schweben. Ein stilles Gewitter entlud sich unter seinem Schreibtisch, während er ihren Zettel las. Er enthielt die knappe aber präzise Anweisung an den unbekannten Helfer vor Ort, was mit den intelligenten Steckern zu tun sei.

      Berlin

      Chris hatte es wieder nicht geschafft, Jamie die Freudenbotschaft zu überbringen. Der falsche Zeitpunkt, die falsche Stimmung: Ausreden gab es genug. Es blieb ja noch etwas Zeit, bis er es merken musste, tröstete sie sich und hob den Hörer ab. KHK Monika Weber vom LKA war am Apparat.

      »Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass wir die Ermittlungen einstellen.« Nach kurzer Pause fügte sie hinzu: »Einstellen mussten.«

      Chris hatte so etwas erwartet. Sie verstand Monika Webers Vorgesetzte sogar ein Stück weit. Man wollte den tragischen verdeckten Einsatz in Sankt Petersburg möglichst schnell vom Tisch haben und gab sich mit der fragwürdigen Erklärung der russischen Behörden zufrieden. Das deutsche Ehepaar Meier war zwischen die Fronten zweier Banden von Kinderhändlern geraten und hatte das leider mit dem Leben bezahlt. Klappe zu. Es war nicht die erste Vertuschungsaktion, der sie in ihrer Zeit beim BKA begegnete. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass die Akte zum Doppelmord auch in Sankt Petersburg längst geschlossen worden war. Zwecklos, beim russischen Innenministerium nachzuhaken. In dieser Beziehung herrschte für einmal Einigkeit mit Staatsanwältin Winter. Für die war der Fall, der so gefährlich heikel begonnen hatte, schon fast vergessen, während die Bilder und Berichte über misshandelte und missbrauchte Kinder noch frisch in ihrem Kopf herumgeisterten. Leere Augen ohne Hoffnung in Kindergesichtern, Jungen und Mädchen, die ihr Gesicht in den Händen verbargen, als hätten sie keins, bildgewordene seelische Grausamkeit, schlimmer als offene Wunden.

      »Verstehe«, sagte sie wie zu sich selbst. »Hat die Spur zum Galeristen Matulis etwas gebracht?«

      »Nicht wirklich. Die Mordwaffe ist zwar wahrscheinlich sein Revolver, aber es besteht kein Grund, an seiner Geschichte zu zweifeln. Der Revolver ist ihm bei einem Raub russischer Ikonen gestohlen worden. Es ist also durchaus plausibel, dass die Waffe jetzt in Sankt Petersburg auftaucht. Na ja – jedenfalls nicht ausgeschlossen.«

      Sie musste ihr zustimmen. Warum sollte eine Bande von Kinderhändlern nicht auch Verbindungen zur Kunstmafia haben? Die Tentakel der Russenmafia reichten weit. Aus einem Bauchgefühl heraus sagte sie:

      »Ich wäre Ihnen dankbar für die Unterlagen zu Lukas Matulis, falls es keine Umstände macht.«

      Monika Weber lachte bitter auf. »Viel ist es leider nicht. Wir haben versucht, seine Geschäftsreisen und die Art der Geschäfte nachzuvollziehen, stoßen aber überall ins Leere. Der Mann scheint ein unbeschriebenes Blatt zu sein, und jetzt ist die Akte geschlossen.«

      Das Dossier, das sie kurz nach dem Gespräch per E-Mail erhielt, verdiente diesen Namen tatsächlich nicht. Sie leitete es an den Kollegen Haase weiter. Wenn jemand in nützlicher Frist einen Menschen wie Lukas Matulis durchleuchten konnte, dann er.

      Beim nächsten Stopp an seiner Kaffeemaschine war das Dossier immerhin schon auf zwanzig Seiten angewachsen. Der Galerist wohnte in einer zur Festung ausgebauten Villa in Charlottenburg. Zwei Bodyguards, ein Mann und eine Frau, wichen seit Jahren nicht von seiner Seite. Die meiste Zeit befand er sich allerdings auf Geschäftsreisen, über die Haase bisher nichts herausgefunden hatte. Matulis besaß ein Flugzeug, eine Turbo-Prop-Maschine, die er oft selbst pilotierte. Ohne richterlichen Beschluss gab es deshalb keine Möglichkeit, ein genaues Bewegungsprofil zu erstellen. Es blieb nur die Vermutung, Matulis betreibe Geschäfte in ganz Europa, inklusive Oststaaten und Russland. Für die Tatzeit in Sankt Petersburg hatte ihm die Tochter Roze ein hieb- und stichfestes Alibi verschafft. Matulis blieb ein – zwar undurchsichtiger – Geschäftsmann.

      »Etwas ist seltsam«, sagte Haase, während sie die Nase der Arabica-Bohnen prüfte wie bei einem teuren Whisky. »Die Geschichte des Herrn Matulis und seiner Tochter lässt sich fast lückenlos etwa zwanzig Jahre zurückverfolgen, doch dann verliert sie sich im Nebel, als hätte es ihn vorher nicht gegeben.«

      »Er stammt aus dem ehemaligen Ostblock«, erwiderte sie, »der Eiserne Vorhang … Die damaligen Behörden waren nicht gerade für ihre offene Informationspolitik bekannt.«

      »Stimmt, aber der Eiserne Vorhang und die Abschottung des Ostens endeten 1989, einige Jahre früher. Warum finde ich keine Hinweise auf Matulis aus jener Zeit? Auch nicht in Litauen, notabene.«

      »Weil unsere Datenbanken Löcher aufweisen?«

      Haase lachte. »Oh ja, Sie sagen es, klaffende Lücken. Falls Matulis doch in pädophile Aktivitäten verstrickt ist, haben wir ohnehin Pech.«

      »Wie darf ich das verstehen?«

      Haase war nicht nur ein wandelndes Lexikon, wenn es um Polizeiarbeit ging. Er recherchierte auch überaus gründlich und hatte sich in kürzester Zeit mit den Themen Menschenhandel und Pädophilie vertraut gemacht, die eher die Sitte zu interessieren hatten als ihre Abteilung.

      »Die

Скачать книгу