Jazz Keller Bamberg. Oliver van Essenberg
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– „Jede Musik ist Volksmusik. Ich kenne keine andere. Oder hat schon jemand ein Pferd gesehen, das Musik gemacht hätte?... Als wir in Mailand spielten...nachdem mein Konzert vorbei war, musste ich schnell rüber zur Scala und bei diesen berühmten Typen – wie Verdi und Wagner – dabei sein... und Fotos machen, weil die Leute sagen, unsere Musik ist die gleiche: Wir spielen sie beide aus dem Herzen.“
– Singen Sie auch gerne romantische Lieder?
– „Die Erinnerung an das, was war, ist wichtig für einen Jazz-Musiker. So etwas wie Menschen, die in einer heißen Nacht im Mondlicht singen oder Dinge, die vor langer Zeit gesagt wurden... Wenn ich spiele, denke ich einfach an all meine glücklichen Tage, und dann kommen die Noten von ganz allein.“
Die Erinnerungen durchmischen sich in Armstrongs Biographie mit Legenden. Eine oft erzählte Anekdote geht so: 1925 soll ihm während einer Aufnahme in einem Tonstudio der Songtext vom Notenständer gefallen sein. Der Produzent machte nervöse Handbewegungen, die „Weiter, weiter“ bedeuteten. Denn die Studiozeit war teuer, und die Walzen konnten nur einmal bespielt werden. Also sang Armstrong weiter und als ihm nichts mehr einfiel, fing er an zu scatten. Die Aufnahme wurde berühmt.
Ich höre, wie Armstrong singt, die Vokale strömen breit dahin, mit rauchiger Kehle verprasst er die Luft, die Stimme ist sein Instrument. Gerne würde ich jetzt einsteigen, so wie er singen, erzählen, scatten, spielen, alles auf einmal, aber ich bringe keinen Ton heraus, nicke mit dem Kopf zur Musik und sage wie zu mir selbst „Ja“. Mein Nicken im Rhythmus wird zum zwanghaften Kopfwackeln.
Ja, die Seele des Jazz verdichtet sich in Momentaufnahmen wie diesen. Die Musik ist aus sozialen Techniken, die der Bewältigung einer konkreten Situation dienen, entstanden. Jazz ist noch dazu die einzige Improvisationsmusik, die eine Tradition entwickelt hat. Es ist alles schon im frühen Jazz angelegt. Ohne ihn kein moderner Jazz, ohne ihn kein „Jazz Keller Bamberg“. Danke, Louis Armstrong!
Ich zucke zusammen, als mich mein Gesprächspartner des Jazzclubs unvermittelt antippt. „Es hat ein bisschen länger gedauert an der Theke“, entschuldigt er sich. „Da bist du ja, endlich“, sage ich. „Mein Hals ist schon ganz trocken.“
Anmerkung des Autors: Die kursiv gesetzten Zitate stammen von den jeweiligen Personen (Miles Davis bzw. Louis Armstrong) oder werden diesen zugeschrieben.
Mit den Amerikanern kam auch der Jazz: Festzug der US Army Band 1956. Der Jazz ist geblieben.
© Emil Bauer / Stadtarchiv Bamberg
D 2088+75145-18
Neues aus der Parallelgesellschaft – Der Jazz trifft in Bamberg ein
Der Jazz trifft in Bamberg ein
Der Keller ist ein verschwiegener Ort. Nur zur späten Stunde beginnen die Erdkräfte zu rumoren. Zur Eingangstür an der Straße dringt Gemurmel. Die Tür fliegt auf, Musik rauscht vorbei, zerrissene Melodien zwischen einem plötzlichen Redeschwall, der von der Treppe her kommt. Klangfragmente in irrwitzigem Tempo. Der Keller ist mal wieder rappelvoll und die Band bringt den Raum zum Swingen.
Während in den USA und in vielen Großstädten Europas in den 1950er Jahren der Bebop tobte, eine neue, revolutionär anmutende Variante des Jazz, bei der schwarze Musiker wie Charlie Parker, Dizzie Gillespie und Thelonious Monk selbst ausgelassene Swing-Formationen gnadenlos an die Wand spielten, war im gutbürgerlichen Bamberg im Grunde alles ganz normal. Man ging wieder einmal nicht in den Keller, sondern auf den Keller, hinauf zu einem der sieben heiligen Hügel, auf denen das Bier fließt. Dort, unter den Bierpilgergärten, befinden sich, wie jedes Kind in Bamberg weiß, die Keller, die einst, einem begehbaren Kühlschrank gleich, vor allem dazu gedient haben, den Bamberger Urstoff frisch zu halten.
So ein Keller ist eine nützliche Erfindung. Im Krieg war er der nützlichste Raum überhaupt. Eine Lebensmöglichkeit, oft sogar die einzige und letzte Rettung. Um dem Wahnsinn und der Zerstörung zu entkommen, gingen die Menschen nicht hinaus ins Freie, sondern in die entgegengesetzte Richtung. In den privaten Kellern und in den Stollenanlagen am Stephansberg waren sie geschützt vor der größten Sinnlosigkeit. Andernorts boten gut ausgestattete Luftschutzkeller sogar Radioempfang und Musik. Davon konnten die meisten Zeitgenossen, denen unter der Erde nicht viel mehr geblieben war als ihre Existenz, jedoch nur träumen.
Dass ein Keller neben seiner Funktion als Schutz- und Lagerraum ein ausgesprochen nützlicher Ort ist, um laute Musik zu hören, kann man sich mit etwas Phantasie leicht vorstellen. Praktisch hatte es keinerlei Bedeutung. Bis zu dem Moment, als die Gotterdämmerungsmusik des Großdeutschen Rundfunks zu Ende war und die ersten befreienden Takte des Jazz erklungen. In der amerikanischen Besatzungszone lief der Sender AFN (American Forces Network) und in Frankfurt öffnete schon 1952 der erste deutsche Jazzkeller die Tür. So ein bisschen wie in Paris, in den „Existenzialistenkellern“ sei da die Atmosphäre gewesen, erinnert sich ein Jazz-Fan, die ehemalige Sekretärin der Deutschen Jazz-Förderation Marianne Glier[1]. Immer gerammelt voll sei es da gewesen. Natürlich hätten alle Rothhändle und Gauloises geraucht, nur schwarze Zigaretten, das hätte dazugehört. Die Musiker spielten in den Anfangsjahren ohne Gage, für ein Bier oder einen Whiskey. Ein fast schon privates Refugium entstand so, Treffpunkt für Musiker aus Übersee, GIs aus den Kasernen sowie Lokalmatadoren.
Auf das frankophile „Domicile du Jazz“ in Frankfurt folgten das „Cave 54“ in Heidelberg – die „Höhle“ – und das Nürnberger „Jazz Studio“ am Paniersplatz, das eines der ältesten kontinuierlich fortbestehenden Jazzlokale der Welt werden sollte. Auch hier hätten die Musiker nicht von einer Gage gesprochen, weiß der Gründer und langjährige Mastermind des Nürnberger Clubs Walter Schätzlein[2] zu berichten. Die Mietkosten seien so gering gewesen, dass sie von den Mitgliedsbeiträgen und dem Verkauf der Getränke bezahlt werden konnten. Und die Klaviere seien einem damals für 50 bis 100 Mark nachgeworfen worden. Nachdem die Musiker so lange drauf gespielt hatten, bis die Instrumente nicht mehr taugten, habe man sie ein bisschen außerhalb in ein Gartengrundstück geschafft und wieder ein neues genommen. „So einfach war das“, so Schätzlein[3]. Und irgendwann, wenn genügend Klaviere zusammen waren, hätten die Mitglieder ein Happening gemacht, diese angezündet und mit riesigen Hämmern zerschlagen. Eine richtige Orgie sei das gewesen, da schwärmten die Leute im Nachhinein noch davon.
Ernste Zuhörer tanzen nicht
Andere Clubs kennen ähnliche Entstehungsgeschichten. An diesen Spielorten erlebten jene Zeitgenossen aus der Generation der Früh-68er, die sich über längere Zeit als Musiker, Journalisten, Fotografen, Veranstalter, Grafiker oder auch Agenten mit dem Jazz befassten, ihre Initialzündung. Wie heiß es dabei herging, offenbarten die Tänze, die Mara Eggert[4], Jazzfotografin und Filmerin als Zwischending zwischen Rock and Roll und einem wilden, irgendwie afroamerikanischen Bebop-Stil beschreibt, mit „wahnsinnig schnellen“ und „wahnsinnig vielen Schritten, natürlich auseinander getanzt.“ Dagegen konnte der in der Tanzstunde gelernte, eng an eng getanzte „Foxtrott“ kaum noch mithalten. Nur eine kleine Gruppe „anspruchsvoller“ Zuhörer hatte dem Tanzen gänzlich abgeschworen, so wie auch Jazzkritiker wildes Tanzvergnügen unter Generalverdacht gestellt hatten.
In Bamberg, wo die Bürger die Wonnen der Normalität intensiver genossen als in den Metropolen, war das Phänomen Jazz