Future Angst. Mario Herger

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Future Angst - Mario Herger

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wirklich, laut der Chicago Tribune, die eifrig versicherte, dies passiere in Chicago tausendmal pro Tag.

      Daran hat sich bis in die Gegenwart nichts geändert. Heute ist es weniger der Spiegel als vielmehr das Smartphone, das seinen Platz bei den Kritikern und Moralaposteln eingenommen hat. Das Selbstbildnis hat einen neuen Namen erhalten: Selfie. Und wer kriegt wieder sein Fett ab? Frauen. Influencerinnen, YouTuberinnen, Make-up-Künstlerinnen und weibliche Instagramer sind die neuen Ziele der Eitelkeitsverdammer. Die Besessenheit vom Selbstbild, Selbstverliebtheit und die exhibitionistische Zurschaustellung des eigenen Körpers und Ebenbildes sind Ziele der Attacken. Und wie damals schon befürchten Kritiker den moralischen Verfall und den Zerfall der Zivilisation. Doch eigentlich geht es um etwas anderes: Es geht um den weiblichen Körper und wer diesen kontrollieren darf.

      Dass es ebenso viele männliche Vertreter in der Kategorie Eitelkeit gibt, geht fast schon unter. Ebenso, dass die meisten Follower der weiblichen Influencer Männer sind. Nur ist die Rolle hier umgekehrt. War Narziss noch derjenige, der seine weiblichen „Follower“ abblitzen ließ, so sind die weiblichen Instagramerinnen für die männliche Gefolgschaft unerreichbar. Verspätet, aber doch trifft die männlichen Kritiker der gerechte Zorn der Nemesis.

      Und es werde Licht!

      Doch Petrus fand den Schalter nicht. Als er den Schalter endlich fand, da war die Birne durchgebrannt.

      Otto Waalkes

      Die Theaterbesucher hatten sich gerade in den Zuschauersaal begeben und warteten gespannt auf den Beginn der Vorstellung. Es wurden an diesem 8. Dezember 1881 im sieben Jahre zuvor mit Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ feierlich eröffneten Wiener Ringtheater – an der Ringstraße, auf der gerade erst die Wiener Stadtbefestigung geschliffen worden war – „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach gegeben. Fast alle der 1.700 Plätze waren besetzt. Hinter der Bühne wurde das Gaslicht angezündet, das wegen einer fehlerhaften Anzündungsvorrichtung nicht gleich anging. Während die Techniker den Fehler behoben, strömte weiterhin ungehindert Gas aus. Der nächste Zündfunke erwies sich als fatal. Das angesammelte Gas explodierte und setzte die Bühnentechnik in Brand, von wo sich das Feuer auf die Bühne und dann auf den Zuschauersaal ausbreitete. Gleichzeitig fiel damit das restliche Gaslicht aus und es wurde dunkel.

      Erst verspätet begann man, die Zuschauer zum Verlassen des Wiener Ringtheaters aufzufordern. Doch die Türen der Ausgänge gingen nur nach innen auf und die mittlerweile verständigte Polizei war der Meinung, das Theater sei schon vollständig evakuiert worden. Deshalb hielt sie Helfer davon ab, das in Vollbrand stehende Gebäude zu betreten. Eine Verkettung weiterer unglücklicher Umstände – so wurde erst nur ein Dachbrand gemeldet und ein einziger Löschzug geschickt, der dann wiederum aus den abgedrehten Hydranten kein Wasser ziehen konnte – führte zur vollständigen Zerstörung des Theaters.

      Nachdem im Inneren des Gebäudes kein Laut mehr zu hören war, vermeldete der zuständige Polizeirat: „Alles gerettet!“ Erst am nächsten Tag wurde das Ausmaß der Katastrophe bekannt, als man die verkohlten Leichen im Schutt fand. Offiziell waren 384 Tote zu beklagen, inoffiziell sprach man aber von 1.000 Toten. Um die 500 Personen hatten sich durch Fenster- und Balkonsprünge ins Freie retten können. Der Großteil der Opfer war bereits innerhalb der ersten 15 bis 20 Minuten an den Rauchgasen erstickt.

      Gaslaternen stellten einen großen Fortschritt in der Beleuchtungstechnik dar und hatten die Öllaternen abgelöst, die wiederum die Kerzenbeleuchtung ersetzt hatte. Öllaternen rußten weniger als Kerzen und machten damit den Beruf der Lampenputzer hinfällig, deren Aufgabe es war, mehrmals bei einer Vorstellung die Spiegelreflektoren zu reinigen, den Docht zu kürzen – auch als „putzen“ oder „schneuzen“ bekannt – und abgebrannte Kerzen auszutauschen.27 Der Auftritt der Lampenputzer in den Pausen und während der Vorstellung wurde vom Publikum unterschiedlich bewertet. Machten sie ihre Aufgabe gut, wurden sie mit Beifall überschüttet. In England hingegen wurden die „candlesnuffer“ oft übel behandelt. Doch immer wieder durften sie in kleinen Rollen in den Theaterstücken selbst auftreten oder sprangen für sich unpässlich fühlende Schauspieler ein. Was sie nicht verhindern konnten, war der unangenehme Geruch der Kerzen, den die Zuschauer, speziell die in den oberen Reihen, einatmen mussten, was bei Schauspielern, Sängern und Musikern, die den Dämpfen jeden Abend ausgesetzt waren, sogar zu berufsbedingten Krankheiten führte. Lichtputzer schienen auch so eine Art Universaljob gehabt zu haben.28

      Aus Hamburg ist bekannt, daß man die Lichtputzer „die Acteurs und Actrizen richten, puzzen und schneuzen“ ließ.

      Die Gasbeleuchtung wiederum machte die Öllaternen obsolet, deren Öl immer wieder nachgefüllt werden musste. Sowohl Kerzen als auch Öllaternen hatten den Nachteil, dass sie wenig geeignet waren, offenen Raum zu beleuchten. Ab dem Jahr 1807 wurden Gaslaternen im Londoner Westminster zum ersten Mal als Straßenbeleuchtung eingesetzt. Im zwischen Chemnitz und Dresden gelegenen Freiberg wurde im Jahr 1811 vom Chemiker Wilhelm August Lampadius die erste Gaslaterne in Betrieb genommen. Mit der Gaslaterne, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts in allen Städten Einzug finden sollte, wurden nicht nur die Städte sicherer und den kriminellen Elementen ihre Arbeit erschwert, die sich nun nicht mehr so einfach verstecken, ihren Opfern auflauern und in der Dunkelheit unerkannt verschwinden konnten, es wurden auch neue Berufsgruppen geschaffen. Der Laternenanzünder wurde so zu einem anerkannten Beruf, dessen Aufgabe es war, jeden Abend in den Straßenzügen auf einer Leiter die Laternenmasten hochzuklettern, den Gashahn aufzudrehen und mit einer Dochtstange das Feuer zu entzünden. Am Morgen wurde dann das Gas wieder abgedreht. Zu den Aufgaben der Laternenanzünder gehörte es auch, dass den Laternen „von muthwilligen Frevlern und betrunkenen Leuten kein Schaden zugefügt“ wurde.

      Die Anforderungen an Laternenanzünder waren verhältnismäßig hoch. So schrieb Kurt Tucholsky über die Berliner Voraussetzungen, um das Laternenanzünderhandwerk zu ergreifen:

      Die Anforderungen an den Beruf sind hohe; der Mann, der sich als Aspirant vorstellt, muß über tadellose Papiere verfügen, aus politisch unbelasteter Familie stammen, eine freiwillige Übung bei einer Reichswehrbrigade mitgemacht haben und die Primareife eines Oberrealgymnasiums besitzen. Die Ausbildung erfolgt auf den Technischen Hochschulen, die Teilnahme an den dortigen Leibesübungen ist für den künftigen Verwaltungsbeamten absolut unerläßlich (Rumpfbeugen, Geschmeidigkeit des Körpers). Die Vorlesungen umfassen: Wesen und Begriff der Lichtwissenschaft; Geschichte des Beleuchtungswesens, unter besonderer Berücksichtigung des betreffenden Bundesstaates; Theorie der Lichtgebung; Ablicht und Anlicht; zur Soziologie der Beleuchtungswissenschaften. Dem Studium folgt ein Staatsexamen. Nach zehn bis zwölf Jahren Wartezeit erfolgt gewöhnlich die Ernennung zum Laternenanzünder, nach weiteren zwanzig bis dreißig Jahren die Beförderung (nicht: Ernennung) zum Chef-Laternenanzünder.

      Die Einführung der Gaslaterne im öffentlichen Raum ging nicht ohne Widerstand vonseiten einer anderen Berufsgruppe, der Laternenträger, einher. Diese waren eine Art mobile Lichtquelle, die man mieten konnte, wenn man in der Dunkelheit unterwegs war. Die Pariser Laternenträger verdienten sich oft noch ein Zubrot, weil sie als Polizeispitzel tätig waren und am nächsten Morgen der Polizei alles Auffällige aus der Nacht zuvor meldeten. Die Londoner Laternenträger hingegen waren häufig der anderen Seite, also der Unterwelt zuzuordnen, und führten ihre Aufraggeber häufig auflauernden Straßenräubern zu, bevor sie sich selbst durch Löschen ihre Laterne unerkannt aus dem Staub machten.

      Noch heute befinden sich Gaslaternen im Einsatz. In Berlin waren es im Jahr 2018 immer noch 30.000 Gaslaternen, auch wenn deren Tage aus Kostengründen gezählt sind und sie ersetzt werden sollen.29 Ebenso sind in Düsseldorf, Frankfurt, Dresden, Mainz, Warschau und Prag Gaslaternen noch im Einsatz und verteilen ihr warmes Licht.

      Auch in diesem Fall setzte natürlich die Kritik ein, als die Gaslaternen durch elektrisches Licht ersetzt wurden. In Buffalo und auf New Yorks Straßen

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