Gretge. „mit Hexen verwandt, als Hexe verbrannt“. Jürgen Hoops von Scheeßel

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Gretge. „mit Hexen verwandt, als Hexe verbrannt“ - Jürgen Hoops von Scheeßel

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über das mittelalterliche Taufbecken.

      In diesem Fall stand die eigene Großmutter Margarethe als Patin stolz in der Stube des Pfarrhauses. Der Pfarrer hatte keine Diele mit einem offenen Feuer, wie es die anderen Häuser üblicherweise hatten. Es verfügte über mehrere kleinere ungeheizte Kammern, eine Küche mit einem Vorratsraum und eine große Stube, die einen steinernen Kamin mit einem gemauerten Schornstein hatte, mit dem der Raum beheizt wurde.

      Für die Bauern war dieser Luxus nicht möglich, denn Ziegel waren viel zu teuer und auch Feuerholz konnten sie sich nicht leisten. Bäume durften sie nicht ohne Genehmigung schlagen und das Pollholz, welches auf dem Waldboden lag, reichte nicht für alle Haushalte. Meist nahmen sie getrockneten Torf oder Heide zum Heizen und Kochen, mussten damit aber haushalten. So genossen sie den warmen Raum sehr, in dem auch Taufen an Tagen durchgeführt wurden, wenn es nicht Sonntag war oder das Geld zur Taufe in der Kirche vor dem Altar Gottes nicht reichte.

      Als der Gottesdienst vorbei war, holte der Küster Johann Grelle die beiden im Pfarrhaus wartenden Familien zur Kirche ab.

      Das Haus Gottes war heute besonders gut besucht, denn es war Weihnachten, und heute sollten zwei Menschen in das Buch des Lebens eingeschrieben werden, wozu es der christlichen Taufe bedurfte.

      Die Scheeßeler Kirche war ein über 500 Jahre altes Gotteshaus, dem dieses Alter durchaus anzusehen war. Der Kirchturm aus gemauerten Felssteinen diente zugleich als Wehr- und Glockenturm. Die letzte Glocke war im Jahre 1636 gegossen geworden. Deren Vorgängerglocke war zu Tillys Zeiten von den katholischen Truppen mitgenommen und zum Gießen von Kanonen verwendet worden. Die Holzschindeln auf dem Dach hatte schon vor etlichen Jahren der neue Scheeßeler Pastor durch gebrannte Tonziegel ersetzen lassen. Im Inneren der Kirche waren die Wasserschäden sowie die notdürftig reparierten Schäden aus der Zeit der Kriegsgeschehen noch deutlich zu sehen. Die Kirche wurde damals befestigt und verteidigt. Sie diente auch als Soldatenunterkunft, während das Pfarrhaus von Offizieren als Hauptquartier genutzt wurde. Die kleinen Fenster waren mit den unterschiedlichsten farbigen Bleiglasfenstern ausgestaltet, welche die Wappen der Pastoren und Amtsvögte abbildeten. Die meisten hatten die rauen Zeiten unbeschadet überstanden. Das Altarbild aus dem 12. Jahrhundert, gemalt in Öl auf Holz war schön anzusehen. Es zeigte in der Mitte den gekreuzigten Sohn Gottes sowie rechts und links zwei gekreuzigte Männer. Am Fuße des Kreuzes standen die Mutter Maria und Maria Magdalena.

      Auf dem Altar standen zwei eiserne Kerzenleuchter mit großen gelbweißen Weihnachtskerzen, deren Flammen ein warmes Licht über dem gesamten Gebetstisch verbreiteten. Die Leuchter hatte der alte Scheeßeler Schmied Johann Alvers gefertigt. Eine Orgel gab es in dieser Kirche nicht.

      Die Kirchengemeinde war nach der Weihnachtspredigt in der Kirche geblieben. Sie saß auf den hölzernen Bänken mit den Brettern zum Knien, die, wie auch der Beichtstuhl, gleich rechts neben dem Haupteingang, noch aus katholischer Zeit stammten. Alle warteten neugierig auf die neuen Erdenbürger.

      Zur Weihnachtszeit waren überall in der Kirche Kerzen aufgestellt. Sie leuchteten den Raum in einer anmutenden Art aus, die nicht nur Kinderaugen zum Staunen brachte. Nun warteten alle gespannt auf die Täuflinge. Der Küster geleitete die Paten, die die Kinder im Arm trugen, in die Kirche und führte sie zum am Altar stehenden Taufbecken.

      Das hölzerne Taufbecken war reichlich mit Einlagen und Ornamenten aus Metall verziert, sowie mit einer versilberten Eisenschale versehen, welche das gesegnete Taufwasser enthielt. Den Beckenrand zierte die Inschrift: „Lasset die Kinderlein zu mir kommen denn solcher ist das Reich Gottes.“

      VIII

      Die alte Margarethe war sehr stolz und aufgeregt, würde doch ihre Enkelin im nächsten Moment auf ihren Namen getauft werden. Die anderen Paten standen um das Becken versammelt. Gretge sah in dem Taufkleidchen, auch wenn es nur geliehen war, für die Anwesenden himmlisch aus. Zuvor war der Knabe getauft worden, welcher am gleichen Tag wie Gretge geboren wurde. Nun war Gretge an der Reihe. Sie lächelte die umstehenden Menschen an, als sie die Taufe empfing. Beide Kinder waren während der Zeremonie ruhig geblieben und alle lobten, wie brav sie doch schon seien.

      Anschließend gingen die Menschen ins Freie, aber dort war es noch kälter als in dem ungeheizten Gemäuer. Da sich die Leute aber bewegten, kam es ihnen nicht so vor. Sie gingen traditionell noch zu den Gräbern ihrer Lieben, die auf dem Kirchhof bestattet waren.

      Die alte Margarethe ging mit der kleinen Margarethe, die sie warm eingepackt hatte, zu den Gräbern ihrer Eltern und Großeltern und zeigte ihnen symbolisch das neue Familienmitglied. „Kieck Modder un Vadder, de Deern heet ok Gretge as du Modder, und dien Modder.“ Dann fasste Tietke sie liebevoll am Arm. Die Tränen in den Augen seiner Frau hatte er wohl bemerkt. Er führte sie zum Wagen, in dem schon die anderen saßen. Sie fuhren langsam, denn sie hatten sich eine Menge zu erzählen und brauchten fast eine volle Stunde, bis sie zuhause ange-kommen waren.

      Auf dem Kirchplatz zerstreute sich die Gemeinde. Die meisten fuhren oder gingen nach Hause, wenige kehrten noch in den Amtskrug ein. Der Amtskrug und die wenigen Kirchenkötnerstellen, wie die des Schmiedes Christoph Wohlberg sowie des Krämers Johann Bellmann waren rund um die Kirche platziert.

      Die kleine Tauffeier für Gretge fand im Haus in Westeresch statt. Anne und der Jungknecht Peter Indorf hatten das Feuer geschürt, um das Flett recht warm werden zu lassen. Die Tiere waren versorgt, das Mahl vorbereitet. Dabei hatte eine Nachbarin, die alte Sophia, geholfen. Sie war auf dem rechten Bein ein wenig lahm, nachdem sie vor etlichen Jahren durch die Bodenluke gefallen war. Glücklicherweise hatte sie sich dabei nicht das Genick gebrochen wie viele andere vor ihr.

      Es war ein bescheidenes, aber gemütliches Fest, an dem außer der Familie nur noch der Nachbar Henrich Ratchen mit seiner Frau Sophia und Hibbel, die Bademutter, teilnahmen. Die alte Hibbel aus Westerholz konnte aber nicht lange bleiben, denn während der Feier wurde sie zu einer weiteren Geburt gerufen. Sie schnackte noch kurz mit der alten Margarethe, nahm das Taufkleidchen wieder an sich und ging nach draußen, wo schon der alte Großknecht Lewerenz mit dem Wagen auf sie wartete.

      Lewerenz war als Tietke Meinkens jüngster Bruder Claus` Onkel. Er war ledig als Knecht beim Bruder auf dem Hof geblieben, hatte so sein Auskommen und war nun der Großknecht seines Neffen.

      Der Nachbar war mit seiner Familie der Einzige, mit dem Gretges Familie im Dorf noch Kontakt hatte. Der alte Bauer war ein guter Freund ihres Großvaters, aber davon wusste das eben getaufte Mädchen noch nichts. Sie spürte aber dessen herzliche Ausstrahlung und sein freundliches Wesen. So wuchs Gretge geborgen im Kreise der Familie auf. Sie war nun schon zwei Jahre alt. Viele neugeborene Kinder hatten den letzten sehr langen und harten Winter nicht überlebt, auch nicht der Junge, der am gleichen Tag wie Gretge geboren und getauft wurde. Ihre Eltern und Großeltern waren froh und zufrieden, was das Kind betraf. Sie gedieh prächtig, lachte viel und strahlte, wo immer man sie sah.

      Es war wieder einmal Weihnachten und der lange grausame Krieg war nun vorbei, so erzählte man es sich überall. Die Menschen in den ausgebluteten und durch die kaiserlichen Truppen geschundenen Dörfern schöpften Hoffnung. Dennoch trauten sie dem Frieden nicht. Auch die schwedischen Truppen hatten ihre Spuren durch Ein-quartierungen und erhöhte Abgaben, durch Plünder-ungen, Diebstahl und vielerlei anderen Ärger hinterlassen. Die jungen Soldaten stiegen den Mädchen in den Dörfern nach und machten ihnen schöne Augen, was die Jungs und Männer aus den Dörfern gar nicht lustig fanden. Es gab viel Streit und Zank, auch untereinander.

      Im Hause Meinken gingen alle ihrer Arbeit nach, waren fleißig und dennoch verhallten die Gerüchte über die Zauberkunst von Mettes Mutter und Großmutter nicht.

      Das lastete schwer auf Mettes Mann Claus, der ja hier im Dorf geboren

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