Sisis schöne Leichen. Thomas Brezina

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Sisis schöne Leichen - Thomas Brezina

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      »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«, hörte er den Pfarrer sagen.

      »Amen«, antwortete die Trauergemeinde.

      Noch immer fixierte Alexander die Stelle, an der er die Bewegung wahrgenommen hatte. Wer sich von seinem Vater verabschieden wollte, musste sich doch nicht verstecken.

      Seine Mutter löste sich von seinem Arm und machte einen Schritt nach vorne. Alexander blieb stehen, den Blick weiter starr auf das Grab gerichtet.

      »Herr Oberland«, sagte der Pfarrer mit ernster Stimme.

      Alexander zuckte, als wäre er bei etwas Verbotenem ertappt worden. Einer der Schwarzgekleideten streckte ihm eine kleine Schaufel mit Erde entgegen. Alexander trat vor, ergriff sie und ließ die Erde auf den Sarg in der Grube fallen. Als die Erde auf den Sarg prasselte, erschauderte er. Es war, als verschüttete er einen Teil von sich selbst.

      Seine Mutter und er wurden ein paar Schritte weitergeschoben. Jemand erklärte murmelnd, sie sollten hier am Wegesrand für die Kondolenz stehenbleiben.

      Da entdeckte Alexander die Person erneut. Sie huschte geduckt hinter dem Grabstein vor. Schwarze Jacke, schwarze Hose und ein schwarzer Hut mit Feder. Sehr schlanke Gestalt, nicht sehr groß. Alter unmöglich zu schätzen.

      Wer immer das auch war, wieso ging er nicht aufrecht? Wieso diese gebückte Haltung? Alexander erschien es, als wollte jemand nicht bemerkt werden. Allerdings stellte er sich dabei sehr ungeschickt an. Der Unbekannte verschwand im hinteren Teil des Friedhofs.

      Gab es hier Landstreicher? Oder Grabräuber?

      Alexander bemerkte, dass ihn jemand angesprochen hatte. Vor ihm stand eine Nachbarin, die ihm die Hand reichte und ihr Beileid ausdrückte. Er wollte über ihre Schulter in die Richtung sehen, wo der Unbekannte verschwunden war, zwang sich dann aber, die Kondolenz entgegenzunehmen und nicht unhöflich zu wirken. Abwesend schüttelte er Hände, und nickte, wenn die Leute murmelten, wie entsetzlich der Tod seines Vaters doch sei.

      Jemand schien ihn vorhin beobachtet zu haben. Aber wer?

      Die Schlange der Kondolierenden nahm kein Ende. Seine Mutter konnte vor Kummer kaum sprechen. Auf Rat seines Onkels, dem Bruder seines Vaters, hatten sie in einem nahen Wirtshaus ein Hinterzimmer reserviert, in das sie die engsten Verwandten und Kollegen zum Essen einluden.

      Der Leichenschmaus gehörte eben zu einer schönen Leich dazu.

      Die Mutter drückte Alexander Geld in die Hand, nachdem der letzte Trauergast seine Aufwartung gemacht hatte. »Für die Pomfüneberer«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme.

      Alexander ging zu den Schwarzgekleideten und verteilte die Münzen. Die Totengräber, zwei einfache Männer in erdverkrusteten Hosen, warteten ebenfalls auf ihr Trinkgeld. Alle bedankten sich und die Totengräber wollten bereits damit beginnen, das Grab zuzuschaufeln.

      »Warten Sie«, sagte Alexander. Die Männer sahen überrascht zu ihm.

      »Ich habe eine Frage. Vorhin war dort hinten eine kleine Person. Dünn. So groß.« Er zeigt mit der Hand die geschätzte Größe. »Ganz in Schwarz. Sie hat herübergesehen und sich versteckt. Wissen Sie, wer das gewesen sein könnte? Ist diese Person öfter hier?«

      Die Mitarbeiter des Begräbnisunternehmens schüttelten den Kopf und gingen. Die Totengräber wussten auch nichts.

      »Aber auf dem Friedhof treiben sich manchmal grausige Leute herum«, meinte einer von ihnen. »Da gibt es welche, die sind ganz narrisch auf die Toten. Vor allem auf die toten Frauen. Wenn sie jung sind.«

      »Und vor ein paar Jahren hat einer Särge geöffnet und den Toten Disteln auf die Brust gelegt.«

      »Wieso das?«, wollte Alexander wissen.

      Der Totengräber schnitt eine Grimasse. »Damit die Geister in den Särgen bleiben. Es gibt so viele Narrische auf der Welt. Drum sind mir die Toten lieber. Die stellen nichts mehr an.«

      »Außer einer wacht wieder auf und klopft von innen«, sagte der andere.

      »Das kommt vor?«

      Der Totengräber nickte mit wichtiger Miene. »Ist schon geschehen. Wir haben ihn gehört. Sonst wäre er lebendig eingegraben worden.«

      Als er den anderen folgte, sah sich Alexander immer wieder um. Er konnte die Person in Schwarz nirgendwo mehr entdecken. Ihm war kalt und er zog seine Jacke fester zu. Wer so dünn war wie er, der fror leicht.

      Dann ging er durch den Friedhof Richtung Wirtshaus. Dabei lauschte er aufmerksam, ob aus einem der Gräber ein Klopfen drang.

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      Das Wirtshaus war um diese Zeit leer. Das Hinterzimmer erwies sich als viel zu klein für die vielen Leute. Deshalb bot die quirlige Wirtin an, dass die Trauergäste sich an alle Tische setzen konnten. Zu Alexander und seiner Mutter sagte sie warnend: »Die Rechnung wird geschmalzen, das will ich Ihnen nur schon sagen.«

      Der Onkel hatte die Warnung mitbekommen und beruhigte den Neffen und die Schwägerin damit, dass er für die Kosten aufkommen würde. Das sei er seinem Bruder schuldig.

      Hunger hatte Alexander keinen. Er trank nur ein Bier. Stumm starrte er in den Bierkrug vor sich auf dem Tisch. In letzter Zeit schien das Unglück an ihm zu haften.

      Der Stuhl neben ihm wurde gerückt. Alexander sah auf. Professor Lobmüller setzte sich zu ihm. Als Kind hatte ihm die Erscheinung des Professors Angst eingejagt. Professor Kilian Lobmüller war der Vorgesetzte seines Vaters gewesen und der oberste Direktor der Hofbibliothek. Seine Haare und der lange Vollbart waren schlohweiß. Seine Haut hatte etwas von dem Papier, mit dem er sich täglich umgab. Alexander kannte den Professor nur mit Vatermörderkragen und einer gekreuzten schwarzen Krawatte.

      »Xandi!« Der Professor nickte ihm zu. Er war der Einzige, der ihn noch mit dem Spitznamen aus seiner Kindheit ansprechen durfte.

      Alexander kam zu Bewusstsein, dass der Professor mindestens siebzig Jahre alt sein musste.

      »Professor Lobmüller.«

      »Komm zu mir in die Bibliothek. Lass uns sprechen.«

      »Wenn es meine Arbeit für die kaiserlichen Hoheiten zulässt, sehr gerne. Aber ich werde vielleicht in nächster Zeit auch die Stunden meines Vaters übernehmen müssen. Oberst Latour hat sowas schon angedeutet.«

      »Lass ihn von mir grüßen. Er soll dir einen Nachmittag frei geben. Dein Vater war ein besonderer Mensch und du sollst nicht denken, ab nun allein im Leben zu stehen.«

      »Danke.« Mehr brachte Alexander nicht heraus.

      Der Professor sah Alexander unter den buschigen weißen Augenbrauen gütig an. »Du kannst mich jederzeit in der Hofbibliothek aufsuchen, wenn du mit mir sprechen möchtest.«

      Alexander bedankte sich mit einem Nicken. Ihm fiel ein, wie sein Vater ihn

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