DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband. Ina Kramer

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DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband - Ina Kramer Das Schwarze Auge

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      So ward Neetha gerettet nach Rondras Rat,

      Und durch Ihrer Dienerin Opfertat,

      Du blühende Blume, du Kriegerin hell,

      Unsre Liebe dein Lohn, heil’ge Thalionmel.

      *Dank sei dem irdischen Dichter Theodor Fontane, dessen Ballade vom tapferen Steuermann den aventurischen Poeten inspirierte.

      Prolog

      Nun, da ich das Ende nahen fühle und mir nicht mehr viel Zeit bleibt, will ich alles so aufschreiben, wie es sich wirklich zugetragen hat. Viele Jahre war ich in ihrer Nähe, viel näher vielleicht, als sie je vermutete, und ich glaube, sagen zu dürfen: Ich habe sie wirklich gekannt. Auch bei ihrem Opfergang war ich zugegen, nicht auf der Brücke – natürlich nicht! – und auch nicht unmittelbar dahinter. Aber ich sah sie, konnte den Blick nicht abwenden von diesem Bild, so gleißend schön und grauenhaft. Damals, als alles vorüber war, da wünschte ich mir in meinem erstorbenen Herzen, die Pfeile der Ungläubigen hätten auch mich durchbohrt, und die Flutwelle hätte auch mich hinfortgespült. Ja, so empfindet man wohl, wenn man zwanzig ist. Nun bin ich zweiundneunzig und fühle: Alles ist vollbracht, und die hitzige Jugend mit ihren Hoffnungen, Sehnsüchten und Leidenschaften ist fern und fremd und kaum mehr Teil meiner selbst. Alles noch einmal heraufzubeschwören, das wird nicht einfach werden, denn meine Seele ist die eines alten Mannes, der sich nach Ruhe sehnt – der Ruhe in Borons Schlafgemach.

      Wie wird der Übergang sein? Ob es ein Kampf wird? O nein, ich mag nicht mehr kämpfen. Ich bin des Kämpfens müde, will schlafen, schlafen, schlafen …

      Doch muß ich dies Werk noch vollbringen, bevor ich mich zur Ruhe legen kann, denn wer wird es tun, wenn nicht ich? Wer kann es tun? Vielleicht bin ich der einzige Überlebende aus jener fernen Zeit, der einzige Augenzeuge ihrer großen Tat und mancher ihrer geringeren, der einzige, der ihre Geschichte kennt.

      Vergib mir, Harika, geliebtes Weib, getreue Gefährtin so vieler Jahre, daß ich nicht über dich schreibe, die du doch auch eine Heldin warst und ebensowenig eine Heilige wie sie. Hast du nicht unter Schmerzen fünf Kinder zur Welt gebracht, sie unter Entbehrungen aufgezogen, sie ohne Murren und Wehklagen in die Welt entlassen, damit sie dort umkommen …

      Doch weder von dir soll ich schreiben noch von mir, denn unser Lebensweg war so, wie viele unsere Leben sind, so einzigartig sie uns auch erscheinen mochten: Unsere Freuden waren gewöhnlich, unsere Leiden gering und unsere Opfer ohne Belang. Und keiner der Zwölf hat je auf uns geschaut oder nach uns gerufen. Wir mußten – oder durften – nicht Werkzeug der Götter sein, waren nicht Teil eines göttlichen Planes und konnten viele lange Jahre auf Deres Antlitz wandeln, ich um so viele Jahre mehr als du, wie mein Alter betrug, als sie fiel. Aber vielleicht war auch das Teil eines göttlichen Planes …

      Welch seltsame Berechnungen und Gedanken. Oh, Hesinde, vergib mir meine greisenhafte Geschwätzigkeit! Verhüte, daß ich mich hinreißen lasse, mein Leben zu erzählen statt ihres!

      Was war ich wohl für sie, was habe ich ihr bedeutet? Das habe ich mich oft gefragt. War ich ihr Seelenfreund, ihr Vertrauter? Ach, ich glaube, sie hat in mir nie mehr gesehen als einen dummen Bub, dem man sich getrost öffnen und bei dem man das Herz erleichtern mag, ohne Rat zu erwarten oder sich eine Blöße zu geben, so wie man wohl zu einem freundlichen Hund über seine Nöte und seinen Kummer spricht. Und doch bewahre ich jedes ihrer Worte in meinem Herzen wie einen Schatz, denn ich habe sie geliebt.

      Als ich sie das erste Mal sah – ich war zehn damals und sie elf –, da wußte ich, daß ich sie liebe und daß diese Liebe niemals erwidert werden würde. Dabei war sie gar nicht so schön, wie uns die Legenden und Balladen weismachen wollen, und auch nicht immer so tapfer. Was rede ich, natürlich war sie schön – groß, schlank und hell –, nur eben nicht so schön wie auf dem Wandbild im Ratssaal zu Neetha. Dazu war ihre Nase ein wenig zu spitz, und ihre Augen standen ein wenig zu dicht beieinander. Oh, diese wunderbaren Augen! Hellblau wie der Morgenhimmel an einem kalten Herbsttag und mit goldenen Lichtern darin. Und wie sie einen anschaute – so aufmerksam und eindringlich, als wolle sie auf den Grund der Seele blicken. Wahrscheinlich war es nur eine Angewohnheit und hatte nichts zu bedeuten. Meine Seele wollte sie gewißlich nicht ergründen.

      Ja, die Legenden und Balladen, ›Das Lied der Löwin von Neetha‹, diese Unsäglichkeit in Reimen! Warum erzählen Lieder nie die Wahrheit? Weder war sie ein Bauernkind – oder doch nur insoweit, wie man einen Gutsherrn einen Bauern nennen mag –, noch war sie eine Jungfrau. Sie war eine Frau, schon damals, als ich ihr zum zweitenmal begegnete. Doch was tut es zur Sache? Schmälert es ihre Tat? Wird ihr Opfer geringer dadurch? Und sie war auch keine ›eben erblühte Blume‹, oder wie auch immer es in dem Machwerk heißen mag. Als sie ihr Leben hingab, um Neetha zu retten, da war sie eine erfahrene Kriegerin von einundzwanzig Jahren.

      Wer ich bin, willst du wissen, lieber Leser? Ich bin ein Nichts ohne Namen, ein fortgelaufener Praiosschüler, ein kleiner Schreiberling, ein unbedeutender Kalligraph. Aber vielleicht bin ja auch ich Teil eines Planes und der göttlichen Fügung. Vielleicht hat sie mir nur deshalb ihr Leben erzählt, mir ihr Herz offenbart und mich in ihrer Nähe geduldet, damit ich dermaleinst niederschreibe, was ich sah und hörte. Und vielleicht bin ich nur deshalb Schreiber geworden, damit ich es auch niederschreiben kann.

      Doch nun will ich mein Werk beginnen, denn viel Zeit bleibt mir nicht, es zu vollenden.

      Das erste Mal traf ich sie zur Praiosstunde im Tsamond am Hafen von Neetha. Das zweite Mal begegnete ich ihr in einer stinkenden Gasse in Eldoret. Ihr Leben währte damals dreizehn Götterläufe und sechs Monde. Und es begann in einer stürmischen Firunsnacht in einem Gutshaus nahe Neetha: Das Leben der heiligen Thalionmel.

      1. Kapitel

      Der Firun war ungewöhnlich hart in diesem Jahr: Seit Wochen schon blies der Beleman unverändert heftig von Efferd her, zerrte am Schilf der Dächer, drückte Bäume und Sträucher zu Boden, zauste das struppige Winterfell der genügsamen Brelak-Ziegen, trieb eisige Gischtfetzen durch die Hafengassen von Neetha und verbarg Praios’ Antlitz hinter grauen Wolkenbahnen, die wie ein endloser Zug von Himmelsreitern vom Meer zu den Eternen flogen. »Sie tändeln wieder«, sagten die Leute mit besorgtem Blick und machten sogleich das Zeichen gegen Lästerung – ein kurzes Wedeln der Rechten vor dem Mund – damit die Worte verwehten und die Götter nicht wüßten, wer sie gesprochen hatte, auf daß Ihr Zorn den Lästerer nicht treffe. Doch war es mehr eine gut geübte und fast gedankenlose Geste – so wie man die Mütze zieht vor einer Edelfrau oder einem Edelmann und ›Praios zum Gruße‹ murmelt – als wirkliche Sorge vor dem göttlichen Zorn; schließlich wußte jedes Kind, daß der Herr Efferd wieder einmal um die stolze Frau Rondra warb, wenn er die Meere aufwühlte und Stürme über Land und Wasser trieb, und alle wünschten insgeheim, die kühne Löwin möge das Werben ihres göttlichen Freiers recht bald erhören, damit Er in seiner Liebesraserei nicht Unglück über die Menschen bringe.

      »Ein böses Vorzeichen«, sagte Hilgert und kniff die Augen zusammen, als könne er so die grauen Schwaden besser durchdringen, die die nahen Hügelkuppen verhüllten.

      »Schämt Euch, Alter, wie könnt Ihr so reden«, erwiderte Damilla aufrichtig empört, »die Frau liegt in den Wehen, und jeden Moment kann sie niederkommen, und Ihr faselt von schlechten Omen.« Die dralle junge Magd war um Feuerholz für die Wochenstube geschickt worden; im Hof hatte sie den alten Stallmeister getroffen, der dort mit gespreizten Beinen und in die Seiten gestemmten Armen aufrecht dem Sturme trotzte und unverwandt nach Osten blickte. Der Wind zerrte an seiner schweren Jacke, zauste sein langes graues Haar und blies ihm die Strähnen vors Gesicht,

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