DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband. Ina Kramer

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DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband - Ina Kramer Das Schwarze Auge

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an den verschlossenen Fensterläden zerrte. Es war ein schön illuminiertes Brevier der Zwölfgöttlichen Unterweisungen, doch Durenald konnte sich weder auf den Text konzentrieren, noch entlockten ihm die zierlichen Malereien das ehrfürchtige Staunen, das er gewöhnlich empfand, wenn er sie betrachtete. Nein, er war nicht in der rechten Stimmung für eine fromme Lektüre, obwohl er doch im Augenblick nichts dringlicher brauchte als den Beistand der Götter. Viel lieber wäre er jetzt ausgeritten, doch das war nicht möglich, und er wünschte es sich auch nicht wirklich. Oder nach Holzhacken stand ihm der Sinn, doch das hatten die Knechte bereits besorgt. Ach Kusmine, liebes Herz, könnte ich doch bei dir sein und dir helfen, dachte er, aber natürlich war es ihm verboten, die Wochenstube zu betreten.

      Vor zwei Tagen nach dem Mittagsmahl hatte sein Weib ihm zugeraunt: »Durenald, Liebster, ich glaube, nun ist es bald soweit.« Und seitdem war er nicht mehr zur Ruhe gekommen. Nicht, daß Kusmine nicht gut vorbereitet gewesen wäre, o nein, sie war eine umsichtige, vorausplanende Frau, und vor Wochen schon hatte sie sich mit der Hebamme aus dem Dorf besprochen, Unterredungen voller weiblicher Geheimnisse, bei denen seine Gegenwart unerwünscht gewesen war. Und auch nach einem Medicus aus Neetha war schon geschickt worden, denn schließlich handelte es sich um die Geburt eines edlen Kindes, und es machte einfach einen besseren Eindruck, sich nicht mit der guten Danja allein zu begnügen, die ihr Handwerk von ihrer Mutter erlernt hatte und den Bauernkindern aus Brelak auf die Welt verhalf, sondern ihr einen Studierten zur Seite zu stellen. Der junge Mann – Durenald war der Name entfallen, aber Kusmine hatte den fähigsten gewählt, dessen war er sich gewiß – wohnte nun schon seit fünf Praiosläufen in einem der Gästezimmer und wartete darauf, daß man ihn rief. Auch die Wochenstube war schon lange vorbereitet. Im Grunde gab es keinen Anlaß zur Sorge – Kusmine war eine gesunde Frau und viel stärker, als ihr schlanker Wuchs vermuten ließ, und die Schwangerschaft war reibungslos verlaufen, mit rosigen Wangen, einem bis zur Unförmigkeit schwellenden Leib und zum Schluß diesem seltsam verträumten und nach innen gerichteten Blick, den er so sehr liebte und so wenig verstand. »Wie bei einem achtzehnjährigen Ding«, hatte Danja ihm strahlend mitgeteilt, und wäre er nicht der Herr gewesen, sie hätte ihn gewiß in die Seite geknufft, denn schließlich war die Herrin schon dreißig – ein Jahr jünger als er und vier Finger größer, fügte er in Gedanken hinzu.

      Es war dieser ungewöhnlich hartnäckige Sturm, der ihn beunruhigte und der Kusmine nicht weniger Sorgen bereitete. Zwar hatten die Gatten, wenn sie Belanglosigkeiten über das Wetter tauschten, aus gegenseitiger Rücksichtnahme sich niemals ihre Befürchtungen eingestanden, doch kannten sie sich so gut, daß jeder um des anderen Sorgen wußte. Und dann die Schmerzen, die sie würde erleiden müssen… Heute morgen hatte er seine Frau zum letztenmal gesehen, als sie sich vor der Wochenstube feierlich von ihm verabschiedet hatte: »Leb wohl, mein lieber Mann, wir sehen uns wieder, wenn du Vater geworden bist. Bete für unser Kind und mich«, hatte sie gesagt, und dann, um die vierte Stunde nach Mittag, als der ohnehin schon dunkle Tag sich noch mehr verdunkelte, hatte er ihren ersten Schrei gehört, dem inzwischen weitere in immer geringeren Abständen gefolgt waren. Es lag ein grausamer Widersinn darin, daß die stolze und beherrschte Kusmine bei etwas so Alltäglichem wie einer Geburt mehr leiden mußte, als sie bei ihren wilden Schulgefechten, Mut- und Selbstbeherrschungsproben und ihrem einzigen Duell je gelitten hatte, und fast haßte Durenald das Kind dafür, daß es ihr solche Schmerzen bereitete.

      Der Herr von Brelak erhob sich aus dem Sessel, auf dem er sich für einen Augenblick niedergelassen hatte, und stellte das Buch an seinen Platz zurück. Nein, er konnte jetzt nicht lesen, und auch das Beten war ihm unmöglich, obwohl er unablässig »Boron, verschone sie« und »Tsa, erbarme dich ihrer« vor sich hinmurmelte. Während er rastlos das Zimmer durchmaß und sich zwang, nicht voller Grauen des nächsten gräßlichen Schreis zu harren, beschwor er in seinem Geiste das Bild der Gemahlin. Er hatte Kusmine kennengelernt, als sie eben zwanzig war, doch wie sehr hatte er sich immer gewünscht, daß er ihr schon früher begegnet wäre. Zu gern hätte er das wilde blonde Mädchen gekannt und später dann die strahlende Absolventin der Vinsalter Akademie. Und wenn Durenald sich insgeheim eine Tochter wünschte, obwohl er seiner Frau einen Sohn wohl gönnte und auch oft und aufrichtig darum gebetet hatte, so deshalb, weil er dann eine kleine Kusmine heranwachsen sähe.

      Kusmines Familie entstammte einem alten Adelsgeschlecht aus der Domäne Malur. Da die hohe Begabung der Tochter für die rondrianischen Fertigkeiten schon früh erkannt worden war, hatte man das Mädchen mit neun Jahren auf die Vinsalter Akademie der Kriegs- und Lebenskunst geschickt. Dort war sie zu einer stolzen jungen Frau herangewachsen, im Schwertkampf stets die Jahrgangsbeste, und hatte mit siebzehn Jahren ihr Abschlußexamen bestanden, mit Auszeichnungen nicht nur im Fechten, sondern auch in Etikette und rondrianischer Poesie. Ihre adelige alte Herkunft, ihr zu erwartendes, nicht eben unbedeutendes Erbteil, ihre vorzügliche Ausbildung und nicht zuletzt ihre Schönheit machten die junge Frau zu einer begehrten Partie bei den Adelshäusern des Reiches, und nicht wenige Freier warben um sie, so daß sie bald eine stattliche Sammlung von Miniaturen und Liebesbriefen in der Lade ihres Schreibtisches verwahrte. Doch bevor Kusmine ihre Wahl treffen konnte (da sie wußte, daß eine Liebesheirat eher unwahrscheinlich wäre, hatte sie sich vorgenommen, die Bewerber sorgsam zu prüfen, um einen ihr an Stand, Charakter und Gestalt ebenbürtigen Bräutigam zu finden), wurde die Familie von zwei furchtbaren Schicksalsschlägen heimgesucht: Vier Monde nach Kusmines glanzvollem Examen wurde ihr geliebter und verehrter älterer Bruder Roderick, Hauptmann bei den Kusliker Seesöldnern, von den Zorgan-Pocken dahingerafft, und kaum einen halben Götterlauf später stand die Familie am Rande des Ruins. Der alte Baron, aus Trauer um den Sohn halb umnachtet, hatte fast seine gesamte Habe in ein betrügerisches Unternehmen gesteckt, das hohe Gewinne abzuwerfen versprach – eine gepflasterte Straße durch die Khôm, die natürlich niemals gebaut wurde. An Heirat war nun nicht mehr zu denken, das verbot Kusmines Stolz. Und so begab die junge Frau sich in die Obhut ihrer Tante Melsine, die bei den Truppen der markgräflichen Garnison zu Neetha den Rang einer Hauptfrau bekleidete. Ihr ausgezeichnetes Zeugnis, ihr Stand und ihr sicheres Auftreten verschafften Kusmine sogleich eine Stellung als Weibelin, und da sie strebsam und diszipliniert war, hätte sie es gewiß zur Obristin gebracht, wäre sie nicht Durenald begegnet.

      Sich an seine erste Begegnung mit Kusmine zu erinnern, bereitete Durenald immer eine besondere Freude. Es geschah in einer Hafengasse in Neetha. Dort erblickte er die junge Soldatin, als er nach einem ausgedehnten Mahl bei einem Geschäftsfreunde müßig durch die Stadt schlenderte. Sie führte einen kleinen Trupp Bewaffneter in den Uniformen der markgräflichen Gardisten, und ihre blinkende Brünne und der Federbusch auf ihrem Helm zeigten Durenald, daß sie den Rang einer Weibelin bekleidete. Zwar war der junge Freiherr nicht ganz unerfahren im Umgang mit dem anderen Geschlecht, doch eine so plötzlich aufwallende Leidenschaft – er war geneigt, es Liebeskrampf zu nennen – wie beim Anblick dieser Dame hatte ihn zuvor noch niemals heimgesucht. Waren es ihr hoher Wuchs, ihre helle Haut, ihre schlanke Gestalt, die von der Brünne nicht verunstaltet, sondern vielmehr rondragleich erhöht wurde, oder war es der kühne Blick ihrer blauen Augen unter den leicht zusammengezogenen Brauen, der dieses unerwartete Gefühl in ihm erweckte? Durenald wußte es nicht zu sagen. Er wußte nur, daß er die Weibelin unbedingt kennenlernen mußte, und der Abstand zwischen ihnen verringerte sich zusehends. So fiel ihm, als sie sich etwa auf gleicher Höhe befanden, nichts Besseres ein, als einen zierlichen Kratzfuß zu machen, das Barett zu ziehen und mit einem schalkhaften Lächeln die Worte zu sprechen: »Schönes Fräulein, darf ich Euch meinen Schutz und Geleit antragen?«

      Zu Durenalds Überraschung ließ die Gardistin ihn nicht unbeachtet stehen, sondern hielt inne, maß ihn von Kopf bis Fuß und erwiderte mit einem mühsam unterdrückten Lächeln: »Wenn ich einmal Eures Schutzes und Eurer Begleitung bedarf, werde ich es Euch wissen lassen, werter Herr.«

      Am folgenden Tag schickte der Herr von Brelak ein Entschuldigungsschreiben zum Garnisonsgebäude zusammen mit einer beim besten Zuckerbäcker der Stadt eilig in Auftrag gegebenen Torte, die, aus Zuckerguß und Marzipan gestaltet, mit dem Bild einer brüllenden, krallenbewehrten Löwin geschmückt war (soweit das mit Zuckerguß und Marzipan eben möglich ist). So begann die Liebesgeschichte von Kusmine und Durenald.

      »Es

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