Korpusgestützte Textanalyse. Manfred Stede

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Korpusgestützte Textanalyse - Manfred Stede narr studienbücher

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zu ihrer strukturellen Beschreibung) richtete und deutlich machte, dass Sprecher nicht in Worten, auch nicht in Sätzen, sondern mit Sätzen aus Worten in Texten sprechen, mithin der Text der primäre Untersuchungsgegenstand der Sprachwissenschaft sei. Ähnlich hatte auch Harald Weinrich mit seiner vielbeachteten Arbeit Tempus (Weinrich, 1964) dem Satz den Status als Haupt-Gegenstand der Linguistik abgesprochen; später legte er konsequenterweise dann auch eine Textgrammatik der deutschen Sprache vor (Weinrich, 2005, 3. Aufl.).

       „Phasen“ der Textlinguistik

      Nach Adamzik (2004) lässt sich die bis zur Jahrtausendwende durchgeführte Textlinguistik-Forschung (im deutschsprachigen Raum) grob in drei Phasen einteilen:

      1 die transphrastische Phase, die Phänomene der Satzverknüpfung untersucht;

      2 die kommunikativ-pragmatische Phase, die Texte als komplexe sprachliche Handlungen auffasst und analysiert;

      3 die kognitivistische Phase, die die kognitiven Prozesse der Produktion und Rezeption bei Sprachbenutzern in den Mittelpunkt stellt.

      In den letzten etwa zehn Jahren wurde die Linguistik dan insgesamt stark von der Hinwendung zu authentischen Sprachdaten beeinflusst, wodurch eine empirisch fundierte Theoriebildung befördert wurde. Im vorliegenden Buch nehmen wir ebenfalls diese Perspektive ein und richten den Blick auf die Arbeit mit Korpora, die für die Beschreibungsebene Text vielfältig annotiert sind.

      Um Sätze oder Teilsätze miteinander zu verbinden, sind die oben genannten Pronomina ein prominentes, aber keineswegs das einzige sprachliche Mittel. Solche Verbindungen kommen immer dann zum Tragen, wenn die Interpretation einer sprachlichen Einheit die Interpretation einer anderen zur Voraussetzung hat. Wir sprechen dann von Kohäsion zwischen solchen Einheiten und nennen die entsprechenden Signale an der sprachlichen Oberfläche kohäsionsstiftende Mittel.

      2.2 Kohäsion

      Zur Motivation dieses Themas zitieren Halliday u. Hasan (1989) das Beispiel eines stand-up comedian, der auf die Bühne trat und seinen Vortrag mit den Worten begann: So we pushed him under the other one. Dies ist (zumindest bis unmittelbar nach der Äußerung des Satzes) ein Exemplar eines rundum misslungenen Textes, der eine Anzahl unauflösbarer Verweise enthält – sozusagen ein vorgetäuschter Text, der Kohäsionsmittel einsetzt, aber dabei keinen Sinn vermittelt. KohäsionKohäsion ist also allein ein Aspekt der sprachlichen Oberfläche. In gewöhnlichen Texten geht sie mit Sinnhaftigkeit (der im nächsten Abschnitt zu besprechenden Kohärenz) einher, doch ist diese Verbindung eben nicht zwangsläufig gegeben.

      2.2.1 Kohäsionsmittel

      Welche sprachlichen Mittel gibt es, um solcherlei Kohäsion herzustellen? Nach Bußmann (2002) handelt es sich „im Wesentlichen um Erscheinungen der Wiederholung, Ersetzung und Verknüpfung.“ Die nachfolgende Liste ist eine Kombination und Ergänzung aus ähnlichen Listen von Halliday u. Hasan (1989), Linke u.a. (1994) und Bußmann (2002). Die Phänomene werden hier nur kurz erwähnt, und die meisten werden in späteren Kapiteln dann ausführlicher behandelt.

      RekurrenzRekurrenz bezeichnetKoreferenz nachKohäsion Linke u.a. (1994) die „materielle Wiederaufnahme eines einmal eingeführten Textelements im nachfolgenden Text.“ Dies kann durchgehende Koreferenz (Bezugnahme auf denselben Gegenstand; s.u.) einschließen wie in Beispiel 2.2 mit Vogel oder auch nicht, wie in Beispiel 2.3 (Mutter); der letztgenannte Fall wird häufig als weniger kohäsiv angesehen als der erste.

       (2.2) Gestern habe ich einen Vogel beim Nestbau beobachtet. Der Vogel war ganz klein, hat aber trotzdem ziemlich große Zweige angeschleppt. Als Nistplatz hatte sich der Vogel ausgerechnet die Nische über unserem Rollladenkasten ausgesucht.

       (2.3) Meine Mutter ist sehr ängstlich und denkt immer gleich das Schlimmste. Annas Mutter ist da viel pflegeleichter: Die lässt ihre Tochter abends auch allein weggehen. So eine Mutter wäre mir ja auch lieber.

      Rekurrenz liegt auch vor, wenn zwei Wörter in unterschiedlichen Flexionsformen gebraucht werden, also zum Beispiel zwischen Mutter und Mütter.

      SubstitutionSubstitution ist die Wiederaufnahme eines Textelements mit identischem Referenzobjekt, aber unterschiedlicher lexikalischer Realisierung. Typisch für Substitution sind die lexikalischen Relationen der (Quasi-) Synonymie, Hyponomie (Unterbegriff) und Hyperonymie (Oberbegriff). Typischerweise wird bei der späteren Wiederaufnahme ein Hyperonym gewählt: Gegen 19 Uhr trat ein Damhirsch aus dem Wald. Nachdem er die Hasen verscheucht hatte, knabberte der Hirsch genüsslich an den Kleeblättern. Ausnahmen von dieser Tendenz gibt es aber beispielsweise in Nachrichtentexten, wo mit referierenden Ausdrücken bei der Wiederaufnahme auch noch neue Information übermittelt wird, wodurch sich insgesamt kurze, verdichtete Texte erstellen lassen: Ein 43 Jahre alter Mann überfiel die Sparkasse. Der Facharbeiter war mit einer Schreckschusspistole

      (In-)DefinitheitDefinite ArtikelArtikel werden benutzt, um die ‚Zugänglichkeit‘ (engl. accessibility) eines Referenzobjekts zu markieren. Eine Faustregel lautet, dass mit indefiniten Artikeln neue Gegenstände in den Diskurs eingebracht werden, während definite Artikel Anweisungen darstellen, im Kontext nach einem bereits eingeführten Gegenstand zu suchen: Ein Auto kurvte um unser Haus. Nach drei Metern fuhr das Auto gegen eine Ampel. Eine ganz ähnliche Situation, jedoch ohne exakte Referenzidentität, liegt vor, wenn der Gegenstand unmittelbar aus einem im Text bereits eingeführten Gegenstand abgeleitet werden kann, z.B. durch Meronymie (Teil-Ganzes-Relation): Ich habe ein neues Auto. Das Dach ist undicht.

      Außerdem ist der definite Artikel angemessen, wenn der Gegenstand im Hörerwissen als eindeutig identifizierbar vorausgesetzt werden kann, wie der Papst oder die Bundesregierung. Auch hier handelt es sich um eine Such-Anweisung, allerdings ist der Suchraum nicht der Text, sondern das Weltwissen des Rezipienten. Ähnlich kann der definite Artikel, verbunden mit einer Zeigegeste, im Gespräch auf einen „real“ vorhandenen Gegenstand verweisen: DEN Vogel habe ich gestern schon mal gesehen! Nun ist der Suchraum die außersprachliche Situation. – Diese beiden Fälle werden mitunter bei der Diskussion von Kohäsion mit behandelt, was aber nicht recht angemessen scheint, eben weil die Verbindung nicht im Text besteht, sondern ein Verweis aus dem Text heraus erfolgt. Den Begriff ‚Kohäsion‘ wollen wir hier allein auf textinterne Verweise beschränken.

      Pro-FormenPro-Form sind die verschiedenen Arten der eingangs bereits genannten Pronomina (Personal-, Demonstrativ-, Possessiv-), dazu Pronominaladverbien und einige andere Adverbien wie dort oder da. Die Bezugselemente (oder ‚Antezedenten‘) können einzelne Wörter, Konstituenten, ganze Sätze oder auch Satzgruppen sein: Das war eine kurze Beschreibung des Phänomens ‚Pro-Formen‘. Wir unterscheiden zwischen anaphorischem Gebrauch, bei dem die Pro-Form dem Bezugselement im Text nachfolgt, und kataphorischem Gebrauch, in dem die Pro-Form dem Bezugselement vorausgeht: Bevor sie ins Seminar ging, putzte Maria sich noch einmal die KohäsionNase.

      EllipsenEllipse ähneln den Pro-Formen, wobei aber das anaphorische Element hier eine „Leerstelle“ ist. Soll eine Ellipse zu Analysezwecken im Text markiert werden, ist dafür das Symbol ∅ gebräuchlich. Zu unterscheiden sind Substantiv-Ellipsen (Maria trinkt Kaffee mit Milch. Mir schmeckt schwarzerbesser.) und Verb-Ellipsen (Maria

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