Oliver Hell - Todesklang. Michael Wagner J.
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„Ja, man kann sich eine ganze Weile selber betrügen. Aber irgendwann geht es nicht mehr. Ich habe die letzten Monate lange darüber nachdenken können – man kann hier auf der Insel sehr gut zu sich finden.“
„Das kann ich nur bestätigen. Wenn man sich von dem ganzen Urlaubstrubel fernhält, ist Mallorca der perfekte Platz zum Entschleunigen“, bestätigte Carola Pütz.
Oliver Hell strich sich über die Narbe auf der Stirn, die ihn immer an die in Todesangst verbrachten Stunden erinnerte, als er sich in der Gewalt von Mashad Rahman Agayer befunden hatte. Dort hatte ihn einer der Männer aus der Bande beinahe totgeschlagen. Hell hatte nur überlebt, weil Lea Rosin ihn aus der Gewalt der Gangsterbande befreite. Dabei brachte sie sich selbst in Lebensgefahr. Das Schicksal hatte zwischen ihm und der jungen Kommissarin ein unsichtbares Band geknüpft.
„Wendt hat sich heute bei mir gemeldet und mir berichtet, dass es eine neue Polizeipräsidentin in Bonn gibt. Die Dame hat sich schon mit Brigitta Hansen angelegt. Unter anderem stört sie ganz gewaltig, dass ich hier auf der Insel hocke und weiter meine vollen Bezüge erhalte. Sie möchte, dass ich mich erneut von der Polizeipsychologin untersuchen lasse. Entweder werde ich dann in den vorzeitigen Ruhestand geschickt oder ich bin wieder diensttauglich“, berichtete Hell bedrückt und hob den Kopf. Franziska vermutete, dass er gegen die Tränen ankämpfte, drückte seine Hand.
„Also ist deine Zeit hier bald abgelaufen?“, fragte Carola.
„Ja, die Tatsache, dass Ron Baum in Bonn herumläuft und mein Team alleine mit ihm fertig werden muss, ist ja schon belastend genug. Jetzt kommt auch noch diese neue Tusse dazu und macht Stress. Als wäre das alles nicht schon genug.“
Dann schwieg er eine Weile.
Carola stieß ein kleines Lachen aus. „Ist doch alles ganz einfach. Du musst diese Tusse …“, dabei stieß sie ein weiteres Lachen aus, „wenn man sie so nennen darf, nur davon überzeugen, dass deine innere und äußere Landschaft wieder in Einklang sind. Dann ist wieder alles in Ordnung.“
„Auf die inneren und äußeren Landschaften“, antwortete Hell und hob spontan sein Glas. „Heute werden wir keine Lösung mehr finden, aber vielleicht doch, wenn wir noch mehr von diesem köstlichen Wein trinken.“
Carola lachte herzlich. „Der Weinkeller ist gut gefüllt. Und die Nacht kann lang werden, wenn ihr beiden wollt!“
*
Bonn
Das Zimmer war in gespenstisches Dunkel gehüllt. Auf der Kommode, auf dem das Foto ihres Vaters Ivan Mladic stand, brannten jetzt unzählige Kerzen. Zu Ehren von Janko. Daneben stand ein Foto des jungen Mannes. Davor hockte Neven und betete. Für seinen toten Bruder. Für die Rache. Hinter ihm im Halbdunkel saßen seine Schwester und seine Schwägerin auf dem Sofa. Ihre verheulten Gesichter waren geschwollen, ihre Augen sahen ungefähr dreimal so verheult aus wie am frühen Mittag, als er sie zuletzt gesehen hatte. Neven war vor ein paar Minuten erst wieder nachhause gekommen. Seine Schwester wollte von ihm wissen, wo er gewesen war. Neven schwieg.
„Wir haben den ganzen Nachmittag auf dich gewartet, Neven. Wo warst du? Wir müssen alles für Jankos Beerdigung regeln und du bist nicht zu erreichen. Was soll das?“, rief sie ihm zu, als er sich nach dem Gebet bekreuzigte.
„Wir hatten etwas zu erledigen. Das duldete keinen Aufschub, Schwester.“
„Etwas zu erledigen? Was gibt es denn momentan Wichtigeres als Jankos Beerdigung? Ich verstehe dich nicht. Du lässt uns hier alleine, drüben liegt Mutter und fragt nach Janko. Ich weiß nicht, was ich ihr noch sagen soll“, antwortete sie beinahe flehend.
„Wir müssen ihr bald die Wahrheit sagen. Spätestens, wenn wir unseren Bruder zu Grabe tragen, wird sie es erfahren“, stieß Neven bitter hervor.
„Du weißt, dass Mutter das nicht überlebt.“
„Und wenn wir es ihr heute gesagt hätten, was denkst du, was dann passiert wäre? Glaubst du, es wäre besser, wenn wir zwei Beerdigungen auf einmal hinter uns bringen müssten!“
Jasna Mladic atmete gegen ihre wieder aufsteigenden Tränen an.
„Neven, du bist so herzlos! Wie kannst du das nur sagen? Was ist los mit dir?“
Ihr Bruder trat an das Sofa heran, registrierte die Tränen in den Augen der beiden Frauen. Doch das schien ihm nichts auszumachen. „Du fragst mich allen Ernstes, was mit mir los ist? Janko ist auch … mein Bruder … gewesen“, sagte er stockend, jetzt selbst den Tränen nah, und als er sich wieder gefangen hatte, fügte er an: „Jetzt liegt er in einer kalten Röhre in der Rechtsmedizin und sein Mörder läuft frei herum. Das ist es, was mir den ganzen Tag im Kopf herumgegangen ist. Aber dafür wird es bald eine Lösung geben“, versetzte Neven Mladic und die beiden Frauen bemerkten ein merkwürdig zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht.
„Neven? Was willst du damit sagen? Was habt ihr vor? Wo ist Stipe? Sag es, Bruder, sag es! Bitte!“
„Das kann ich dir nicht sagen, ihr werdet es erfahren.“ Neven presste seine Lippen zusammen.
„Neven, bitte!“
„Ich kann nicht darüber sprechen.“
„Was plant ihr? Wollt ihr einen Albaner töten? Neven! Das könnt ihr doch nicht tun. Ihr wisst nicht, wer Janko …“, presste sie noch hervor, dann brach sie vollends in Tränen aus. Ihre Willenskraft schien gebrochen. Neven war hin und hergerissen. Ein Teil von ihm wollte seine Schwester in die Arme nehmen und sie trösten. So wie damals, als der Vater gestorben war. Doch er konnte es nicht. Sie hätte ihn ohne Zweifel dazu gebracht, zu verraten, was er wusste, und das konnte er auf keinen Fall riskieren.
„Red keinen Unsinn, Jasna. Ich muss noch einmal weg. Wartet nicht auf mich und gib Mutter einen Kuss von mir“, sagte er mit sanftem Ton und verließ das Wohnzimmer.
*
Als sie ein Geräusch im Treppenhaus hörte, war Jasna bereits an der Tür, bevor ihr Bruder Neven den Schlüssel in das Schloss gesteckt hatte. Sie hatte kurz zuvor auf die Uhr gesehen, es war fast elf Uhr nachts.
„Wo kommst du jetzt her?“, fragte sie besorgt, aber gleichzeitig in einem vorwurfsvollen Ton; alles noch bevor sie erkannte, in welchem Zustand ihr Bruder sich befand. Sonst immer adrett gekleidet und frisiert, stand er mit blutverschmiertem und zerrissenem T-Shirt vor ihr, das Haar hing ihm wirr in die Stirn. Im gelblichen Licht der Treppenhausbeleuchtung konnte sie nicht alle Details erkennen. Auf der Wange hatte er mehrere blutige Striemen, die aussahen, als hätte er es mit einer Raubkatze zu tun gehabt. Sein Blick schien sie gar nicht wahrzunehmen.
„Wo warst du, Neven? Was ist mit dir passiert?“, flüsterte sie erschrocken. Neven Mladic schob seine Schwester mit sanfter Gewalt in den Flur. Jasna tastete nach dem Lichtschalter und schrie vor Schreck auf, als sie die Wunden im Gesicht ihres Bruders im Hellen sah.
„Mein Gott“, stammelte sie. Neven schien erst jetzt wie aus einem bösen Traum zu erwachen, starrte sie verzweifelt an. „Jasna, es geht mir gut. Wir hatten etwas zu erledigen“, antwortete