Oliver Hell - Stirb, mein Kind. Michael Wagner J.
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„Hoffentlich ist dein Einwand korrekt. Sollte sich meine Vermutung allerdings bewahrheiten, dann nimmt der Fall Dimensionen an, die über ein bloßes Tötungsdelikt hinausgehen“, mahnte Hell.
„Sie denken, dass die beiden Männer mit dem Tod des Mädchens nichts zu tun hatten, sie beseitigen sollten, dabei erwischt wurden und für diesen Fehler mit ihrem Leben bezahlen mussten?“, fragte Klauk zögernd.
„Das geht in diese Richtung“, antwortete Hell, „wenn ich eine Makarow an einem Tatort finde, dann denke ich sofort an Stasi, NVA und den russischen Geheimdienst … und wenn diese nicht in Frage kommen, gehen meine Gedanken in Richtung der Mafia weiter. Die lieben auch diesen Russenböller“, zählte Hell auf.
„Mafia? Hier in Bonn?“
„Klar, die sind überall aktiv. Heimlich still und leise“, antwortete Klauk auf Rosins Einwand. Sofort fing er sich wieder einen Seitenblick von ihr ein.
Der Ruf eines der Tatortermittler schreckte sie auf. „Wir haben noch ein paar Blutstropfen gefunden und eine frische Reifenspur!“
Ein flaues Gefühl machte sich in Hells Magen breit. Die Befürchtungen, die er seit der Ankunft hier mit sich herumgetragen hatte, schienen sich zu bewahrheiten.
Klauk fasste sich nachdenklich ans Kinn, dann hob er die Hand und ließ den Zeigfinger kreisen. „Und was ist, wenn hier jemand wieder so eine Sauerei wie damals bei Hesse abgezogen hat? Ich meine, wenn es Tierblut ist?“ Er spielte auf die Aktivitäten einiger Zoosadisten an, die sie vor Jahren aufzuklären hatten. Unter anderem hatten diese Tiere getötet und sich dann mit den Kadavern sexuell vergnügt und Bilder aufgenommen.
„Mit einer Makarow?“, gab Hell zu bedenken. Er verzog das Gesicht.
„Oder wir nur eine Hülse gefunden haben und es tatsächlich viel mehr waren? Man sie übersehen hat beim Aufräumen? Wenn hier jemand Schießübungen gemacht hat und sich dabei jemand verletzt hat? Ihr wisst ja, so ein Schlitten kann üble Verletzungen an der Hand hervorrufen, wenn man die Waffe nicht kennt“, gab jetzt Rosin zu bedenken.
„Ja, genau, das könnte auch sein. Diese Handyortung und das hier brauchen nicht zwingend in einem Zusammenhang zu stehen“, pflichtete Klauk seiner Freundin bei. Dabei war das kein Kalkül, sondern er konnte die Schlussfolgerung seines Chefs nicht voll und ganz unterstützen. Er glaubte nicht daran, dass es sich hier um den Ort einer Hinrichtung handelte. Doch nicht in Bonn. Das glaubte er, obwohl er in den Jahren, seitdem er in Hells Team war, schon ganz andere Dinge erlebt hatte. Mit den Geschichten über diese Psychopathen, Mörder und Geistesgestörten, die ihnen begegnet waren, konnte man ganze Bände füllen. Oder Kriminalromane schreiben. Rosin nahm das wohlwollend zur Kenntnis.
„Sicher, ihr seid offen für alle meine Thesen, aber ihr dürft auch ruhig Bedenken anmelden, wenn ich über das Ziel hinausschieße. Hoffentlich ist es so, wie ihr glaubt!“ Gespannt wartete er auf die Antwort seiner Mitarbeiter.
„Wir werden sehen, was die Überprüfung der DNA-Ergebnisse ergibt. Wenn die DNA aus dem Auto mit den Blutstropfen übereinstimmt, dann können wir weiter überlegen“, fasste jetzt Klauk zusammen. Hell beugte sich zu Bond hinunter. „Da hast du ja echt Staub aufgewirbelt, mein Großer“, sagte er und tätschelte den Hund am Kopf. Bond bellte einmal zufrieden.
*
Bonn, Hells Garten
Der Sommer 2016 kam jetzt so richtig in die Gänge, daher musste man die Gelegenheiten nutzen, die sich boten. Oliver Hell nahm sich eine Flasche Rotwein und zwei Gläser mit auf die Terrasse, stellte sie auf den Tisch im Garten und setzte sich. Bedächtig entfernte er die Banderole von der Flasche und setzte langsam den Korkenzieher an und öffnete den Wein. Er atmete den Duft des Barolo ein und freute sich auf den Genuss. Er schenkte je einen Schluck in die kugeligen Gläser ein, wartete auf Franziska. Begegne einem guten Wein mit Achtsamkeit, hatte er in einem Buch über den korrekten Weingenuss gelesen und sich eingeprägt. War es nicht mit allem so? Achtsamkeit üben? Er blinzelte hinüber zu den Büschen, die er neu gepflanzt hatte und freute sich daran, dass sie gut angewachsen waren. Überhaupt trug der Garten mittlerweile ihre Handschrift. Franziska hatte auch oft mit Hand angelegt.
Eine Wespe brummte heran und setzte sich auf den Rand des Weinglases. Mit einer sachten Handbewegung verscheuchte er das Tier. „Ist dir eh nicht süß genug“, sagte er und sah ihr hinterher.
„Ist der Wein sauer?“, fragte Franziska von der Terrassentür aus, kam heran und setzte sich neben ihn auf einen der bequemen Lounge-Sessel. Sie trug ein geblümtes Sommerkleid, das Hell sehr an ihr liebte. „Nein, keine Angst, Schatz. Der Wein ist perfekt. Ich meine, er riecht perfekt, also wird er auch perfekt schmecken“, sagte er, reichte ihr das Glas und prostete ihr zu. „Auf einen schönen Sommer“, sagte sie. Hell nahm einen Schluck, ließ den Wein über die Zunge laufen und erlebte sein fruchtiges Aroma am Gaumen. „Perfekt gewählt, Schatz“, lobte er sie, denn Franziska hatte den Wein ausgesucht.
„Danke“, sagte sie, trank einen kleinen Schluck und stellte das Glas vor sich ab. „Was ist das für eine Geschichte mit dem toten Mädchen?“, fragte sie leise.
Hell hob erst die Augenbrauen, dann das Glas hoch, schwenkte es leicht und sah die Schlieren über das Glas laufen. „Da kann sich alles draus entwickeln, wir haben verschiedene Ansätze, aber alle klingen momentan gleich überzeugend. Vom Mafiamord bis Beziehungsdrama ist noch alles im Rennen“, antwortete er und verschwieg ihr, dass er vom Schlimmsten aller Szenarien ausging: Einem Verbrechen innerhalb der Organisierten Kriminalität, Entführung, Prostitution von Minderjährigen, die Hinrichtung eines Mitwissers, der sich zu dämlich anstellte. Dagegen klang Leas These von einem Ehrenmord ja wie ein Spiel auf einem Kindergeburtstag.
„Und was denkst du?“
Hell drehte den Kopf zur Seite, griff dann erneut zu seinem Glas und trank einen Schluck. „Lea glaubt an einen Ehrenmord, aber ich denke, dass der Mord an dem Mädchen und der Fund der Patronenhülse in Bonn-Auerberg in Verbindung stehen. Nur kann ich mir noch keinen Reim drauf machen, wie es zusammenhängt“, versuchte er eine Ausrede zu platzieren.
„Du ziehst immer die richtigen Schlüsse aus deinen Vorgaben, Oliver, also wirst du es auch jetzt tun. Da bin ich mir sicher.“
„Ja, tue ich das?
Franziska lächelte als Antwort.
„Das ist noch nicht alles, was mich beschäftigt. Bei Sebi und Lea kriselt es gewaltig. Wenn ich nicht aufpasse, dann spielen deren private Dinge in die Ermittlungen mit hinein. Lea reagiert aber noch eifersüchtig, also ist noch nicht alles erledigt bei den beiden.“
„Ach Gott, die zwei. Sie sollen doch zufrieden sein, dass sie bisher noch nicht aufgefallen sind. Apropos: Wann verlässt euch eigentlich Jan-Phillip? Schon bald?“
Dieses Thema wollte Hell noch viel weniger ansprechen als die Befürchtungen, die er insgeheim zu diesem neuen Fall hatte. Seinen Stellvertreter und Freund Wendt zu verlieren, ging ihm sehr nahe. Die Kollegen in Frankfurt würden einen fähigen Ermittler bekommen und in Bonn würde sein Weggang eine große Lücke reißen. Aber es war schon alles spruchreif. Wendt würde das K11 verlassen, um in Frankfurt sein eigenes Dezernat zu leiten. Einen Karrieresprung, den er hier in Bonn nicht geboten bekam.
„Es ist nur eine Frage der Zeit. Seine Freundin ist nicht begeistert, eine Wochenendbeziehung zu führen, aber ich denke, im August wird er gehen“, sagte Hell und seufzte.