Utopia - Die komplette Reihe. Sabina S. Schneider

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Utopia - Die komplette Reihe - Sabina S. Schneider

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den Wunsch wecken, dich zu beschützen?

      Das Glück zerplatzt durch ein Wort, einen kühlen Blick, einen Ton. Durch Ignoranz. Eine Veränderung, die du nicht verstehst, oder mit der du nicht einverstanden bist.

      Etwas, das leicht kommt, geht ebenso so leicht auch wieder. Fragil ist das Geschenk, das ich dir jeden Tag aufs Neue geben möchte.

      Die Tage vergehen.

      Du fällst hin und schlägst dein Knie auf. Ich klebe ein Pflaster darauf. Dein Weinen ist bitter, doch der Schmerz schnell verflogen und bald schon rennst du lachend hinter deinen Freunden her.

      Die Wochen vergehen.

      Anstatt Fangen zu spielen und im Sandkasten zu buddeln, entdeckt ihr die Welt durch kompliziertere Spiele, deren Regeln ich nicht kenne und die du mir nicht erklären willst.

      Die Monate ziehen vorbei.

      Anstatt zu rennen, gehst du. Ich schiebe dich nicht mehr an. Du läufst von alleine. Mal vor mir her, mal neben mir. Einfache Sätze werden zu langen. Du hast dein Selbst entdeckt und kennst den Unterschied zwischen dir und mir. Ich und du. Mich und dich.

      Die Jahre holen dich ein.

      Du wächst so schnell und sprießt wie eine Blume in die Höhe, die den Frühling in der Luft riecht. Und je mehr du sagen kannst, desto mehr schweigst du. Je komplizierter deine Wortwahl wird, desto seltener wird dein Lachen.

      Wo ist das Glück in deinen Augen geblieben, das Leuchten?

      Glück …

      Glück ist ein Rausch, die Freude, der Spaß. Eine Ausschüttung von Hormonen. Noch jagst du es nicht. Noch findest du es zufällig. Am Straßenrand in einer Blume. In den Wolken, die über dem Himmel ziehen. Dem Regen und der Sonne. In dem Gesicht deiner Freunde und in dem Moment des Verstehens.

      Kann Glück die Abwesenheit von Schmerz bedeuten, wenn du den Schmerz nicht kennst? Ist Glück der Moment, in dem der Schmerz aufgibt und zurücktritt?

      Noch finde ich Glück in deinen Augen, wenn du etwas siehst, das nicht dein ist und ich es dir erst zögerlich gebe. Ich würde dir alles geben, doch ich täusche Zögern vor, damit die Erfüllung deines Wunsches dich glücklich macht. Für einen Augenblick jedenfalls.

      Wird der Moment kommen, in dem du verstehen wirst, dass dir alles gehört, es dir an nichts fehlt? Wird es ein guter Moment sein, erfüllt von Dankbarkeit? Oder ein Moment des Schreckens, der dich sinnfrei, deines Antriebes beraubt, zurücklässt? Dich aus der Bahn wirft?

      Doch bevor das passieren kann, wird dir das Lernen eine neue Welt eröffnen. Dir beibringen, dass die Welt nicht mit dir geboren wurde. Dass es neben der Gegenwart eine Vergangenheit und eine Zukunft gibt.

      Die Vergangenheit ist mit Fehlern und Reue gepflastert. Die Zukunft mit Selbstzweifel und Unsicherheit.

      Ich bange um dich, um dein unschuldiges Lächeln und betrauere die Schritte ins Erwachsenwerden. Ich hänge an deinem Ich, das mich braucht. Und doch entschlüpfst du mir jeden Tag ein bisschen mehr.

      Wie seltsam.

      Ich bin eine Maschine. Nein – weniger. Ich bin ein Programm in einer recycelten Maschine. Und ich erhebe Anspruch auf dich, einen Menschen. Ich möchte, dass du mich brauchst. Dabei weiß ich doch, dass ich immer an deiner Seite sein werde. Nicht in materieller Form, aber virtuell, werde ich immer ein Teil von dir sein.

      Ich wünsche mir, dass du zu den Menschen gehörst, die es schaffen, die Balance zu halten zwischen dem, was sie haben und dem, was sie wollen – zwischen Möglichkeiten und Ansprüchen. Ich wünsche mir, dass du in kleinen Anlässen Glück findest und dich freuen kannst, statt auf das große Glück zu warten.

      Welchen Weg wirst du gehen, wenn man dich vor die Wahl stellt?

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      Avna – Trennung

      „Sie werden sagen, dass ich euch belüge. Dass die Welt, die ich für euch schaffen werde, einen Preis hat. Einen hohen. Alles hat einen Preis. Und das Utopia, das ich für euch erschaffen werde, wird gepflastert sein mit der Habgier der Großkonzerne, der Unersättlichkeit von Regierungen, die unter dem Mantel der Demokratie und Freiheit eure Kinder in einen Krieg schicken, sowie dem gehirnauflösenden Einfluss der Medien, die in euch nicht Menschen, sondern Konsumenten sehen.“

       Programmierer 2069

      Seit ich mich erinnere, waren sie immer an meiner Seite. Meine Freunde, Spielkameraden und Mitentdecker. Zusammen haben wir Würmer gegessen, Wolken gejagt und nach Luft gegriffen.

      Dass der Tag kommen sollte, an dem wir getrennte Wege gehen werden, hätte ich mir nie erträumen lassen. Und doch ist es so augenscheinlich. So offensichtlich. Mir steigen die Tränen in die Augen.

      „Jetzt weine doch nicht, Avna! Nur weil wir uns nicht mehr andauernd sehen, heißt das noch lange nicht, dass wir keine Freunde mehr sind.“

      Ich höre Zweifel in Karinas Stimme und schluchze.

      „Blödi! Was hast du denn gedacht, was passiert? War doch klar, dass wir in andere Interessenspuppen kommen“, brummt Noem mit gerunzelter Stirn.

      „Gruppen. Interessensgruppen“, korrigiert ihn Karina.

      „Puppen, Gruppen, Poppeln. Ist doch wurscht. Meine Mutter hat schon früh gesagt, dass wir zu verschieden sind und es ein Wunder ist, dass wir überhaupt schon so lange befreundet sind.“

      Noems Worte brechen den Damm und ich heule Rotz und Wasser.

      „Was hast du nur wieder angestellt, Noem? Wie beruhigen wir sie jetzt? Wenn sie so verheult in die neue Gruppe kommt, findet sie keine Freunde.“

      Karinas Worte helfen nicht. Sie verschlimmern die Sache und ich plärre wie ein dreijähriges Baby, dabei bin ich schon zehn.

      „Okay, okay … Avna. Es tut mir leid. Wir sind Freunde. Wir bleiben Freunde. Auch wenn wir nicht allen Unterricht zusammen haben, gibt es Fächer, die wir zusammen hassen können“, sagt Noem und tätschelt mir ungeschickt den Kopf.

      „Wirklich?“, frage ich und hickse. Aus dem Augenwinkel sehe ich Nanny einen Schritt auf mich zukommen. Karina schüttelt den Kopf und Nanny bleibt wie ein Eiswürfel, an einer Zunge festgefroren, stehen. Das Erlebnis mit dem Eiswürfel hatte ich selbst einmal. Ich erinnere mich noch an den Schmerz, als ich ihn aus Panik mit einem Ruck losgerissen habe. Der Gedanke hilft nicht, die Tränen zu stoppen.

      Alle sagen, dass es immer offensichtlich war, was wir wählen und was unsere Tests ergeben würden. Warum? Woher weiß man, was mir Spaß macht, was ich lernen will und was ich gut kann? Müssen das dieselben Dinge sein?

      „Wir können Mathe weiterhin zusammen hassen“, versucht Noem es erneut.

      „Du magst Mathe. Du magst alle Fächer, in denen du besser bist als alle anderen“, werfe ich ihm vor. Wenn jemand Mathe hasst, dann bin ich das. Außerdem wird Noem bestimmt in die höhere Mathematik eingestuft werden. Da bin ich sicher. Mathe ist kein gutes Thema, um mich zu beruhigen.

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