Paranoia. Joana Goede
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Paranoia - Joana Goede страница 1
Joana Goede
Paranoia
die Angst vor den anderen
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
1
Die rote Frau sah ihn sonderbar an. Aus ihrem scharfen Blick sprach ein ausgeprägtes Misstrauen. Ganz so als könne sie spüren, weshalb er da war und so aufmerksam zu ihr hinüberschaute. Vielleicht war er in seinem Bemühen um Unauffälligkeit zu ungeschickt gewesen, überhaupt vollkommen ungeübt darin, jemanden zu beobachten. Vermutlich stand sie gleich auf, kam zu ihm und sagte ihm ins Gesicht: „Ich weiß genau, wer Sie geschickt hat. Aber machen Sie sich keine Hoffnungen. Sie werden nichts zu sehen kriegen. Also bleiben Sie ruhig sitzen und überwachen Sie mich, Sie werden sich furchtbar langweilen. Einen schönen Abend noch.“
Schweiß trat auf seine Stirn, die ganze Situation war ihm peinlich. Er kam sich schlecht vor, eine fremde Frau zu observieren, als wenn sie eine Verbrecherin wäre. Sein Körper spannte sich in der Angst, von ihr angesprochen zu werden.
Aber nichts dergleichen geschah.
Noch ein paar Sekunden starrte sie argwöhnisch in seine Richtung, musterte ihn wohl etwas nachdenklich, dann jedoch wandte sie ihr Gesicht von ihm fort und richtete ihre volle Aufmerksamkeit wieder auf ihren Begleiter.
Er atmete auf. Sein Körper erschlaffte auf dem Kneipenstuhl, er griff nach dem Bierglas vor sich und nahm einen großen Schluck davon. Anschließend linzte er wieder verstohlen zu der Frau hinüber, die keine Notiz mehr von ihm zu nehmen schien.
Ihr rot gefärbtes Haar stach ins Auge. Selbst in der vollen Kneipe mit schlechtem Licht hob sie sich gut sichtbar von ihrer Umgebung ab. Das Haar war dermaßen unnatürlich rot, dass die Leute auf der Straße zum Teil wie an einer roten Ampel vor ihr stehen blieben und sie ungläubig anstarrten, lachten, auf sie zeigten, zumindest aber die Stirn runzelten. Dieses Phänomen war ihm auf dem Weg hierher aufgefallen. Von ihrer Wohnung aus hatte er sie verfolgt, nur etwa zehn Minuten hatte das gedauert. Dabei waren seine Knie weich geworden und hatten gezittert, die Farbe war ihm mehrfach aus dem Gesicht gewichen und die zehn Minuten hatten sich wie eine Ewigkeit gezogen.
„Tun Sie mir einen Gefallen, Herr Großkamm“, hatte sein Chef an diesem Morgen zu ihm gesagt, als sie in der Kaffeeküche beieinander gestanden und den üblichen Morgenplausch abgehalten hatten. Die Küche war winzig, so dass die zwei Männer darin kaum gut Platz finden konnten. Nur ein kleiner Tisch mit drei schmalen Stühlen hatte sich hineinquetschen lassen, an dem es so eng und unbequem war, dass dort nie jemand saß.
„Sicher, nur heraus damit“, hatte Severin darauf geantwortet, in der festen Überzeugung, es handle sich, wie üblich, um einen Auftrag von geringer Bedeutung. Etwa einen Anzug aus der Reinigung abholen oder das Auto in die Waschanlage fahren.
Das kleine Eventcenter mit den drei Partyräumen lief zwar nicht unbedingt schlecht, aber doch war oftmals nicht so viel zu tun, dass jeder der vier Mitarbeiter die ganze Zeit vor Ort gebraucht wurde. Da pflegte der Chef den einen oder anderen einmal zwischendurch in privaten Angelegenheiten fortzuschicken.
An diesem Morgen machte der Chef ein sehr ernstes Gesicht und blickte, bevor er den Mund erneut öffnete, unsicher in Richtung Tür, ob dort auch ja niemand stand, der hätte lauschen können. Dann sagte er leise, beinahe flüsternd: „Es ist eine heikle Sache und ich betraue Sie damit, weil ich den Eindruck habe, dass ich Ihnen vertrauen kann und Sie Stillschweigen über diese Sache bewahren können, wenn ich Sie darum bitte. Mit dieser Einschätzung liege ich hoffentlich nicht falsch.“
„Ganz und gar nicht!“, erwiderte Severin hastig, etwas neugierig geworden, was sein Chef da für ihn haben könnte. „Sie können sich auf mich verlassen.“
„Gut, dann hören Sie zu.“ Der Chef holte tief Luft, bevor er ansetzte, zu erklären: „Hören Sie. Meine Frau. Es geht um meine Frau. Ich gebe Ihnen Hundert extra, wenn Sie sie heute Abend nicht aus den Augen lassen.“
Severin schaute verdutzt drein, sagte aber nichts. Der Chef fuhr unbeirrt und immer noch sehr leise fort: „Ich werde heute Abend bei dieser Hochzeit anwesend sein müssen, es wird bis spät in die Nacht gehen. Meine Frau wird unsere Wohnung vermutlich gegen 20 Uhr verlassen. Ich möchte, dass Sie ihr nachgehen und mir anschließend Bericht erstatten, was sie während meiner Abwesenheit getan hat.“
Severin zog die Stirn in Falten und wollte wissen: „Glauben Sie, Ihre Frau...“
Der Chef unterbrach ihn etwas barsch: „Meine Frau ist jung, Herr Großkamm, 17 Jahre jünger als ich. Das muss Ihnen als Erklärung genügen, bitte stellen Sie keine weiteren Fragen. Wollen Sie mir diesen Gefallen tun oder muss ich mich an einen anderen wenden?“
Er schaute ziemlich ungehalten drein und da Severin das Geld gut gebrauchen konnte, zögerte er nicht lange. „Sicher, ich erledige das für Sie.“
„Ich wusste doch, dass ich mich auf Sie verlassen kann. Bitte beziehen Sie gegen 19 Uhr vor meiner Wohnung Ihren Posten in Ihrem Wagen und lassen Sie die Haustür nicht aus den Augen.“ Der Chef klopfte seinem Mitarbeiter kumpelhaft auf die Schulter, nickte ihm nun wieder freundlich zu und verließ mit seinem Kaffee die Küche, in der Severin irritiert zurückblieb. Noch hatte er nicht nach einem der Kekse gegriffen, die auf einem Teller auf dem kleinen Holztisch lagen und von denen er normalerweise vor dem Morgenkaffee bereits drei oder vier verspeist hatte. Ihm war auch nicht sehr nach Keksen zumute.
Er hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Im ersten Moment war er nur verwirrt gewesen, dann hatte er in einem Anfall von Treue und durch die Aussicht auf womöglich leicht verdientes Geld zugesagt. Vielleicht auch ein wenig aus Angst vor seinem Chef, der ärgerlich gewirkt hatte, als Severin sich eine Nachfrage erlaubte.
Nun kam auf einen Schlag sein schlechtes Gewissen.
Und, er wusste nicht genau, was es war, das ihn beunruhigte, aber sein Magen hatte sich empfindlich zusammengezogen, so als stände ihm eine schwere Prüfung bevor.
Den restlichen Tag konnte er sich nicht gut konzentrieren. Er saß zwar an seinem Schreibtisch, erledigte die nötigen Anrufe allerdings nur mechanisch und ließ alles liegen, was nicht zwangsläufig an diesem Tag getan