Tag 1 - Als Gott entstand. Stefan Koenig

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Tag 1 - Als Gott entstand - Stefan Koenig

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gegen ein trockenes und sonniges eintauschen. Der Bewohner des Dachbodens, der Habicht, wird sein Nest nicht am Fuße der Bäume bauen.

      Jede Tierart hat im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte andere Überlebensmerkmale und andere körperliche Gegebenheiten entwickelt. Wenn Eichhörnchen und Springmaus ihre Wohnungen tauschen wollten, Wald gegen Steppe, Baumhöhle gegen Erdloch, dann müssten sie auch ihre Schwänze und ihre Pfoten tauschen. Wenn wir noch andere Steppen- oder Waldbewohner kennen lernen, sehen wir, dass jeder von ihnen mit unsichtbaren Ketten an seinen Platz in der Welt gefesselt ist.

      Schauen wir uns eine der Ketten an: Der Specht klopft am Stamm einer Tanne. Was sucht er in der Rinde? Wenn wir die Rinde von der Tanne abschälen, sehen wir gewundene Gänge, die ein ständiger Schmarotzer dort genagt hat – der Tannenborkenkäfer. Jeder Gang endet in einem Kämmerchen, und dort verwandelt sich die Larve des Borkenkäfers zunächst in eine Puppe und dann in ein Käferchen. Das Käferchen hat sich der Tanne angepasst – der Specht hat sich dem Käferchen angepasst. Der Specht hat einen kräftigen, festen Schnabel, mit dem er leicht die Rinde aufmeißelt, und seine Zunge ist so lang und biegsam, dass er die Larven in ihren Gängen erreicht und sie sich herausfischt.

      Hier haben wir beispielhaft eine dieser Ketten: Tanne – Borkenkäfer – Specht. Das ist aber nur eine von den Ketten, die den Specht an den Baum und an den Wald fesseln.

      Auf dem Baum findet der Specht sein Fressen: Nicht nur den Borkenkäfer, sondern auch andere Insekten und ihre Larven. Im Winter zieht er sich geschickt die Samen aus den Kiefernzapfen. Er klemmt dabei den Zapfen zwischen Stamm und Ast. Aus dem Stamm des Baumes meißelt er sich eine Höhle für sein Nest. Sein elastischer Schwanz und seine Greifkrallen machen es ihm möglich, am Stamm auf und ab zu klettern.

      Wie sollte sich der Specht nach alledem von seinem Baum trennen können?

      Und so ergibt sich, dass der Specht und das Eichhörnchen nicht freiwillige Mieter, sondern eigentlich Gefangene des Waldes sind.

      Die einzelnen Welten des Waldes sind nur ein Teil der vielen Welten, die die Welt zusammensetzen. Auf der Erdkugel gibt es nicht nur Wälder und Steppen, sondern auch Berge, Tundren, Seen und Meere. Auf jedem Berg trennen unsichtbare Wände mehrere Bergwelten voneinander. Jedes Meer ist durch unsichtbare Böden in unterseeische Stockwerke eingeteilt. Die Steine am Ufer, auf dem Streifen zwischen Ebbe und Flut, sind mit zahllosen kleinen Muscheln übersät, die so fest sitzen, dass kein Sturm sie wegspült.

      Im Wasser, soweit die Sonne hineinscheint, tummeln sich zwischen braunen und grünen Algen allerlei Fische, schaukeln durchsichtige Medusen; am Grund kriechen langsam die Seesterne. Auf den Felsen im Wasser stehen wunderliche Tiere, festgewachsen wie Pflanzen. Sie brauchen ihre Nahrung nicht zu suchen. Sie kommt ihnen von selbst in den Mund. Rote Aszidien, die wie doppelhalsige Flaschen aussehen, saugen ihre Nahrung mit dem Wasser ein. Bunte Aktinien fangen vorüberschwimmende Fischchen mit ihren Armen, die Blumenblättern gleichen.

      Ganz anders wird die Welt in den niedrigeren, dunklen Stockwerken des Meeres, wo die Nacht nie vom Tag abgelöst wird. Hier schwimmen breitmäulige Fische in der totalen Finsternis; manche tragen feurige Punkte auf ihren Körpern, wie kleine Dampfer mit grell erleuchteten Fenstern. Wie wenig Ähnlichkeit hat diese seltsame Welt mit der Welt, in der wir leben.

      Aber auch im seichten Wasser am Strand herrscht keine Ähnlichkeit mit dem Land, obwohl beide nur durch eine schmale Linie, die Linie des Ufers, getrennt sind.

      Kann der Bewohner einer solchen Welt sich in einer anderen Umgebung ansiedeln? Kann der Fisch aus der See herauskommen und Festlandbewohner werden?

      Das scheint unmöglich. Der Fisch ist doch dem Leben im Wasser angepasst. Um auf dem trockenen Land zu leben, brauchte er eine Lunge und keine Kiemen, Füße und keine Flossen. Die See könnte der Fisch mit dem Festland nur vertauschen, wenn er aufhörte, ein Fisch zu sein. Kann der Fisch aufhören, ein Fisch zu sein?

      Fragt die Naturwissenschaftler, sie werden euch sagen, dass tatsächlich in sehr frühen Zeiten Fische ans Ufer kletterten und aufhörten, Fische zu sein. Dieser Übergang vom Wasser zum Land dauerte aber nicht ein oder zwei oder zehn Jahre, sondern Millionen von Jahren.

      Das geschah in wasserarmen, austrocknenden Meeren und Seen. Fische, die sich dem Leben in solchen Gewässern nicht anpassen konnten, gingen zugrunde. Nur solche konnten weiterleben, die längere Zeit ohne Wasser auszukommen vermochten. Zur Zeit der Dürre, wenn das Wasser versiegte, krochen sie im Schlamm zu einer nahen Pfütze und gebrauchten dabei ihre Flossen wie Beine. Das Leben begünstigte jede kleine Veränderung des Körpers, die auf dem Land von Nutzen sein konnte. Aus der Schwimmblase entwickelte sich allmählich die Lunge. Aus den paarigen Flossen wurden Beine.

      In manchen australischen Flüssen, die regelmäßig austrocknen, gibt es noch heute einen Fisch, dessen Schwimmblase einer Lunge sehr ähnlich ist. Wenn sich der Fluss zur Zeit der Dürre in eine Kette von schlammigen Pfützen verwandelt, gehen alle übrigen Fische zugrunde und verpesten das Wasser mit ihren faulenden Leichen. Aber unserem Fisch macht die Trockenheit nichts aus. Er braucht nur den Kopf aus dem Wasser zu strecken, um frische Luft zu atmen, denn er besitzt außer den Kiemen noch Lungen.

      Auch in Afrika und Südamerika gibt es Fische, die fast ohne Wasser existieren können; sie liegen, mit der Lunge atmend, im Schlamm vergraben, bis der Regen kommt.

      Es konnte also geschehen, dass sich bei den Fischen Lungen entwickelten.

      Nun die Füße! Auch dafür gibt es ein lebendes Beispiel. In tropischen Ländern gibt es einen „Kletterfisch“, der nicht nur ans Ufer springt, sondern sogar auf Bäume krabbelt. Als Füße dienen ihm seine weiterentwickelten Flossen. Diese sonderbaren Wesen sind lebende Beweise dafür, dass die Fische die Möglichkeit haben, aus dem Wasser ans Land zu steigen. Aber woher wissen wir, dass sie es tatsächlich getan haben?

      Das zeigen uns die Knochen der ausgestorbenen Tiere. In alten Sedimentgesteinen hat man die Knochen eines Tieres gefunden, das in vielem an einen Fisch erinnert – es war aber schon kein Fisch mehr, sondern ein Amphibium, ähnlich einem Frosch oder Molch. Und diese Tiere – Stegozephalen – hatten keine Flossen, sondern richtige Beine. Mit diesen Beinen konnten sie sich, wenn auch langsam, auf dem Land bewegen.

      Und sehr anschaulich sieht man es bei unserem gewöhnlichen Frosch. In seiner Jugend, als Kaulquappe, unterscheidet er sich doch wenig von einem Fisch. Das alles führt uns zu einer Schlussfolgerung: Manche Fische haben vor sehr langen Zeiten die Grenze überschritten, die die See vom Land trennte. Aber sie mussten sich dabei verändern.

      Von den Fischen stammen die Amphibien ab. Aus den Amphibien entwickelten sich die Echsen, und von den Echsen stammen Säugetiere und Vögel ab – auch jene, die nichts mehr mit der See verbindet.

      Die unsichtbaren Wände, die das Meer vom Land, den Wald von der Steppe trennen, sind keine ewigen Wände. Die Seen trocknen aus oder überfluten das Land. Die Steppen werden zu Wüsten. Die Bewohner der Seen kommen ans Ufer. Die Bewohner der Wälder verwandeln sich in Bewohner der Steppe.

      Da ist zum Beispiel das Pferd. Man wird kaum glauben, dass es von einem kleinen, im Waldesdickicht lebenden Tier abstammt, das sehr geschickt über gestürzte Stämme kletterte. Dieses Tierchen hatte nicht Hufe wie ein Pferd, sondern fünfzehige Pfoten mit Krallen. Diese Pfoten und Krallen waren zum Lauf über die Unebenheiten des Waldbodens sehr geeignet.

      Die Wälder wurden immer lichter und machten der Steppe Platz. Immer häufiger waren die Waldvorfahren des Pferdes gezwungen, auf offene Lichtungen hinauszutreten. Im Falle einer Gefahr konnten sie sich nicht mehr verstecken, sie mussten sich durch Flucht retten. Aus dem Versteckspiel im Wald wurde ein Fangenspiel im freien Gelände. Für viele Waldtiere nahm dieses Spiel ein trauriges Ende. Nur sehr schnellfüßige

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