Denk mal!. Helmut H. Schulz

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Denk mal! - Helmut H. Schulz

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und unter Menschen bist, wirst du Gewissheit haben, « erwiderte meine Wachältester. »Die Seefahrt ist von alters her darauf gerichtet, Länder und Städte zu plündern, und ihre Bewohner auszurotten. So auch hier. Diese vielen Kisten dürften einen kostbaren Schatz enthalten, aber dich werden sie um deine drei Obolen täglich bescheißen, o Kleon. Was ich indessen nicht begreife, ist, weshalb wir diese Medea wie eine Königin behandeln, die leibliche Schwester dieses armen Absyrtus, den sie sicher zu einem üblen Zweck mitführen. «

      Ich hatte wenig Lust, über diese Dinge nachzugrübeln, meine Augen suchten den Horizont nach einem Zeichen ab, nach Seevögeln oder einem blauen Streifen. Nichts ersehnte ich mehr als Wasser, das blauer Wasser des Okeanos, bin ich doch Seemann, habe mit diesen Räubereien nichts gemein und übrigens ist das sitzen auf diesen buckligen Tieren alles andere als ein Vergnügen.

      Wir sind unter Segel und auf dem Meer. Jason trieb zur Eile und versprach uns einen Aufschlag auf die Heuer, falls wir ihn und seine Schätze, sowie die beiden Geiseln und natürlich uns selber retteten. Wir luden diese verfluchten Höckertiere ab, die so erstaunlich ausdauernd waren, keinen Durst kannten, während den Pferden bald der Atem ausgeht, wenn sie nicht genügend Wasser bekommen. Dann sahen wir die Segel der Schiffe des Aietes hinter uns am Horizont auftauchen. Jason befahl, der Riemen auszulegen; er selbst zog sich mit den Schiffsherren, mit dieser Medea und dem Sohn des Aietes nach achtern zurück. Schließlich geschah etwas Rätselhaftes; wir gingen an einem Felseneiland vor Anker, obschon die Schiffe der Barbaren näher kamen. Jason und die Schiffsherren betraten mit der Medea und dem Absyrtus Land und wir verloren sie aus dem Blick. Auf den feindlichen Schiffen gingen die Segel nieder; offenkundig verhandelte Jason mit Aietes um unseren freien Abzug. Bei Sonnenaufgang, nach einer bange durchwachten Nacht setzten wir erneut Segel und gingen Anker auf. So hatte Jason also im Sinn gehabt, Absyrtus gegen unsere Freiheit einzutauschen. Seit der Nacht an der Felseninsel ward der Knabe nicht mehr an Bord gesehen. Wenn die Gottheit will, dann sind wir gerettet.

       8

      Das Meer umgibt uns wieder, wunderbar ist seine Freiheit. Wir haben das große Segel gesetzt und fahren, die Sohne im Nacken, am Morgen und gegen ihr Licht am Abend der Heimat zu. Ich mag nicht mehr nachdenken über meine Fahrt zu den Kolchern, bin nur froh und rechne, dass wir bei günstigem Wind in zehn Tagen zu Hause festmachen können. Es ist mir gleich, ob wir nur bis nach Thessalien segeln, um dort im Hafen von Jolkos, wo unsere Reise begann, festmachen oder ob Jason ein anderes Ziel hat; ich werde auf jeden Fall abmustern und zu Lande weiterziehen, bin ich doch viele Monate weg gewesen. Meine Frau ist um so viel älter geworden, falls sie sich keinen anderen genommen hat, in der Annahme, dass ich nicht zurückkehre; meine Kinder werden ihren Vater nicht wiedererkennen, und wofür das alles? Um an einem Raubzug teilzunehmen, der leicht mit meinem Tode hätte enden können.

      An Bord wurde eine Hochzeit gefeiert. Jason heiratete die Tochter des Barbarenkönigs, diese Medea. Dennoch wurde die Fahrt trotz des mehrtägigen Festes, auf dem dieser Orpheus unserer Fahrt schluchzend besang, nicht unterbrochen. Wir segelten weiter bei gutem Wind, die Argo ist ein wunderbares Schiff. Bei einer Freiwache enthüllte mir mein Simon ihr Geheimnis; die Fichten, für ihre Planken kamen von dem Berge Pelion, und aus dem Eichenhain von Dodona, dem höchsten Heiligtum des Zeus, wurde der große Mast geholt. So darf man sich nicht wundern, dass dieses Schiff unter dem besonderen Schutz der Olympier steht, da sie selbst die Hand im Spiele gehabt und irgendeine Absicht mit diesem Zug verbunden haben, den mein Simon als Argonautenzug bezeichnete, nach dem Namen des Schiffes, das die Schnellsegelnde bedeutet.

      Die Rückreise verlief ohne Zwischenfall. Was mein Simon vorausgesagte hatte, traf ein; die Monate in den Kolchis wurden uns Knechten nur mit halber Heuer berechnet, weil wir, wie es hieß, ja keine seemännische Tätigkeit ausgeübt hätten. Uns bei den Barbaren die andere Hälfte unseres Lohnes zu holen, wurde uns anheimgestellt. Ich aber werde mich hüten dort anzufragen, was ich als Hirte und Wollezupfer bei ihnen an Heuer ausstehen habe. Ziehe ich die Summe, so habe ich nicht mehr, sondern weniger als bei einer gewöhnlichen Heuer verdient. Jedenfalls bringt mich niemand mehr an Bord eines Schiffes, ich will meine Tage bei meiner Frau und meinen Kinder beschließen, will meinen Weinberg bebauen, auf dem Felde arbeiten und mit dem zufrieden sein, was mir meine Fleiß beschert.

       9

      Ich muss diesem Bericht, den ich für meine Kinder und Enkel zur Ermahnung und Belehrung geschrieben habe, als Augenzeuge eines einfachen Mannes, einen Anhang geben. Jahre nach meinem Entschluss sesshaft zu werden – ich habe ihn ausgeführt und mich wohl dabei befunden – besuchte mich Simon, mein Wachältester auf der Argo. Wir beiden Alten saßen zusammen und erinnerten uns der Tage in der Kolchis. Den Mund voller Zwiebeln aus meinem Garten, Brot aus Mehl von meinem Acker, und Wein, den ich selber gekeltert habe, sahen wir uns in die Augen. Simon fährt noch immer zur See, er ist heimatlos, seine Kräfte haben nachgelassen, aber er ist ein berühmter Mann geworden, dem nachgefragt wird, ein unvergleichlicher Steuermann, wenn es in den Pontos geht. Seine Erfahrungen auf den Meeren scheinen den Schiffsherren trotz seines Alters die Heuer wert. Ich fragte ihn, ob es die Argo noch gäbe und er fragte zurück, ob ich jene Argo meine, die Athena für Jason aus dem Holz der heiligen Eichen von Dodona in Passagai und den Fichten vom Berge Pelion gebaut habe?

      »Genau die meine ich«, sagte ich, »dass die Gottheiten irgend etwas mit Jason vorgehabt hatten, habe ich immer geglaubt. «

      Simon lächelte skeptisch.

      »Und Jason? Gibt es ihn noch? Was man auch sagen kann, er war eine ausgezeichneter Seemann«, sagte ich.

      »So hast du nichts gehört? « fragte mein Simon, und als ich verneinte, berichtete er, was ich hier hersetze. Es hat der arme Knabe Absyrtus ein schlimmes Ende von der Hand seiner Schwester gefunden; er wurde nicht, wie ich damals wähnte, als Geisel gegen uns ausgetauscht, sondern von seine Schwester ermordet und zerstückelt. Dies geschah auf der Insel vor der wir damals eine Nacht lang festlagen.

      »Aber warum denn? « fragte ich entsetzt über das Ungeheuerliche ihrer Tat.

      »Um die Verfolger aufzuhalten. Sie stellte den Kopf und die Hände des Jungen oben auf dem Felsen für ihren Vater sichtbar auf, und verstreuten die übrigen Teile der Leiche am Strand, und ihr Plan ist auch aufgegangen, wie du weißt, o Kleon,« sagte mein Simon. »Aietes hat sehr an dem Knaben gehangen und wollte ihm ein anständiges Grab geben, deshalb sammelten sie die Leichenteile ein. Sie war eine Hexe, ein furchtbares Weib, aber sie liebte diesen Jason ganz ohne Zweifel ... Deinen Wein kann ich nur loben; ist noch etwas davon im Schlauch? «

      Während er trank, während er sich eine große Zwiebel schälte, sie in den Mund schob und zu kauen begann, dachte ich an diese Mordtat und dankte den Göttern dafür, mit heiler Haut davongekommen zu sein, obschon mir der Knabe leid tat.

      »Wie machst du es, dass deine Zwiebeln so groß und fest werden und einen so vorzüglichen Geschmack bekommen, o Kleon? Ich würde gern davon mitnehmen, wenn es dir passt und natürlich nur, wenn du welche entbehren kannst. «

      Auf meine Frage, wo sich diese Mörderin jetzt aufhalte, und ob sie noch mit Jason verheiratet sei, setzte mein Simon erneut an.

      »Sie hat in der Tat eine Zeit lang mit Jason gelebt, oder er mit ihr, bis er ihrer überdrüssig wurde, sie wegjagte und eine Königstochter zur Frau nahm, Glauke, ein Kind Kreons, hier in der Nähe, also in Korinth. Mich wundert es, dass du nie davon gehört hast. Es ist eine merkwürdige Geschichte mit einer Vorgeschichte, so wie sie jetzt in ganz Griechenland erzählt wird. Jason hatte einst gewünscht, dass ihm Medea seinen Vater verjüngte, und diese verfluchte Zauberin flößte dem Alten einen Absud ein, worauf er zum Jüngling wurde. Nun gab es aber zwei Männer in Korinth mit Ansprüchen an die Herrschaft, nämlich Aison, den sie gerade verjüngt

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