Denk mal!. Helmut H. Schulz
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So ist es mir einstweilen gelungen, diese Bestie zu beruhigen.
Großer König, du solltest alles tun, um gerüstet zu sein. Unsere Mannschaft, Hopliten wie Peltasten, legen täglich etwa siebzig bis hundert Stadien zurück. Wir sind im Gebirge und es kommen noch viele Hindernisse. Wir wissen auch nicht, ob uns alle Völker den Durchzug gewähren. Vielleicht werden wir kämpfen müssen. Jedenfalls werden Monate vergehen, ehe wir den Euphrat erreichen.
Amon-Es ist des Landes unkundig, er braucht Führer. Karsos befürchtet, dass der Zug nach Babylon unternommen wurde, um einen bedeutenden Platz zu erobern. Von dort aus soll dann die Lehre von dem einen Gott, der ewig ist, unfehlbar und mordgierig, über die Erde verbreitet werden. Dieser Erleuchtete wird sich nicht mit dem heiligen Opferblut eines Stieres, eines Widders oder einer Taube begnügen. Er wird auch das Opfer einer Handvoll Hirse durch einen Armen höhnend zurückweisen. Sollte Karsos gefragt werden, worin der Sinn dieser Lehre besteht, was sie den Völkern geben will, und weshalb sie schon viele Priester und Anhänger zu haben scheint, trotz ihres Blutdurstes, so weiß Karos darauf keine Antwort.
Er wird es zu ergründen suchen und seine Meinung dazu aufzeichnen.
2. Die Soldaten des Erleuchteten
Großer König, König der Könige, Karsos berichtete.
Auf Wunsch des schuftigen Priesters, mehr auf seinen Befehl hin -, einem solchen Befehl wagt sich schon niemand im Heer zu widersetzen -, wurde Karos Führer der Zwölfergruppe, welcher der Schutz des Amos-Es obliegt. Damit verbunden war die Erhebung in das Priesteramt.
Es ist ein sonderbares Doppel, Soldat des Erleuchteten und Priester zu sein. Amon-Es befahl dem Karsos unweit der Stadt Gordion in Phrygien auf einem Steinaltar einen Widder zu opfern. Eingedenk der Tatsache, dass sich Karsos in schwerer Gefahr befindet, durfte er sich nicht weigern, obgleich er wusste, dass ihn die Art des Opfervollzuges verraten musste. In Anwesenheit seiner Soldaten und des Ägypters, der dicht bei dem Altar stand, verrichtete Karsos sein heiliges Werk. Das Blut des Tieres rann in hellem Strom über den Altar und sein Stöhnen mischte sich mit dem Geknister des Opferfeuers. Die Eingeweide des Tieres verhießen weder Gutes noch Böses. Obgleich die Soldaten murrten, ließ Karsos das ganze Tier verbrennen. Bis jetzt hielt es noch niemand für nötig, der Gottheit ein so rigoroses Opfer darzubringen.
Großer Gott, der Ägypter erreichte seinen Zweck nicht. Nach diesem vorbehaltlosen Opfer fühlte sich Karsos gereinigt, neu aufgenommen in die Gottheit, schien voller Zuversicht. Auch Amon-Es bemerkte, welche Stärkung dem Karsos aus der heiligen Handlung zugewachsen war. Ärgerlich ging er fort, ließ Karsos aber gleich darauf ins Zelt rufen. Karsos sah ihn auf einem hellgrünen Flies mit eingewebten verschlungenem Muster sitzen, die untergeschlagenen Beine in gestreiften Hosen, wie sie die Barbaren tragen.
"Verzeih, Großer König, nicht du bist gemeint."
In den Händen hielt der falsche Mensch das Sistrum, die Klapper der kuhhäuptigen Isis. Kahl war sein Schädel. Amon-Es warf eine Handvoll eigentümlich geformter Orakelfiguren auf den Estrich und begann darin zu lesen. Aus Scheu vor der Nähe seines Gottes wich Karsos zurück.
Amos-Es fragte: "Warum hast du das Tier ganz verbrannt?"
"Um die Gottheit für unseren Zug gnädig zu stimmen, Herr."
Versunken in die Betrachtung seiner Figuren erwiderte Amon-Es: "Weil du Furcht hast. Welcher Gottheit hast du geopfert?»
Listig antwortete Karsos, wissend, dass der Gott des Himmelslichtes auch in Ägypten verehrt wird:
"Dem Sonnengott."
Ein Schatten lief über das glatte, hohlwangige Gesicht des Amon-Es, als er den Karos anfuhr:
"Im Anfang schuf der Ewige und Einzige Himmel und Erde."
Karsos erwiderte:
"Herr, aus nichts kann nichts entstehen, alles ist gleich da gewesen, Eros, Aither, Erebus. Durch unaufhörliche Mischung der Elemente erzeugte sich alles aus sich selbst heraus. Dem Chaos entsteigt jene Vielfalt der Dinge, die wir so sehr bewundern."
Höhnisch sagte Amon-Es:
"Aus dir spricht wahrhaftig der Grieche."
Da bemerkte Karsos, dass auch die befohlene Opferhandlung nur dazu gedient hatte, ihn auszuforschen. Er hielt den Kopf gesenkt, das Urteil erwartend.
Amon-Es fuhr in seiner Belehrung fort:
"Dies ist das Große Geheimnis; der Ewige, der Einzige erschuf alles aus dem Nichts, er ist Anfang und Ende, seinem Willen gehorcht alles. Sieh her Grieche, ich will dir zeigen, was allein der vermag, der seinem Gebot gehorcht."
Der Schurke entnahm einem Kasten zwei gläserne Becher, wie sie die Phöniker verfertigen, das Stück zu drei Obolen, ließ Karsos hineinschauen und dieser fand die Becher bis auf den Grund leer. Nun goss Amon-Es eine weiße Flüssigkeit in einen der Becher. Sofort quoll Dampf heraus. Den schüttete der Priester des Ewigen in den anderen Becher und jener füllte sich mit einer schäumenden grünen Flüssigkeit.
Mit Befremden beobachtete Karsos, wie sich der Priester zu Boden warf und sich in Zuckungen wand. Er sprach wohl mit seiner Gottheit, deshalb hütete sich Karsos ein Wort zu sprechen. Er wusste aber, dass solche Gauklerstücke in Ägyptens Tempeln üblich sind, und er wusste, dass ihn Amon-Es nicht als Griechen erkannt hatte; bei einem Griechen würde ein Ägypter die Kenntnis solcher Tempeltricks vorausgesetzt haben.
Als Amon-Es sich schweißüberströmt mit geschlossenen Augen aufsetzte, wagte Karsos endlich ein Wort zu sagen:
"Hier ist kein Element aus dem Nichts entstanden, Herr, sondern eins hat sich mit dem Andren verbunden, um sich wieder zu entbinden, woraus sich eben die verschiedenen Zustände ergeben haben."
Amon-Es hieß Karsos gehen.
Großer König, dieser Mensch ist nicht von seiner Gottheit besessen, sondern von sich selbst, und er leidet an Fallsucht. Du weißt, Großer König, dass alle Völker, wen sie auch anbeten, um eines Zweckes willen opfern, dass wir etwas an die Gottheit zurückerstatten, was wir aus ihr empfangen haben. Anders als der Myste, der Vereinigung mit der Gottheit sucht, was einem Menschen gewöhnlich versagt ist. In Amon-Es tritt dem Karsos ein neues Prinzip entgegen. Will er Aussöhnung mit der Gottheit? Will er in ihr aufgehen?
Karsos fürchtet diesen bösen Menschen, stellt er doch etwas außerhalb jeder Vernunft dar. Er speist selten und ohne Lust, trinkt nicht, ruht nie und tötet sicherlich ohne Grund. Es ist noch die Frage, ob er Glykera genießt, aber er liegt auch den Knaben nicht bei, deren zärtliche Hände uns eine solche Glückseligkeit zu geben vermögen. Was will Amon-Es?
Der Augenschein sagt uns, dass die Dinge unmöglich aus dem Nichts hervorgehen können. Die endlose Leere, die ewige Liebe, das lichtlose Dunkel traten in Widerstreit miteinander, und sie zeugten die rauen Zustände von Stoff und Geist, so wie heut jedem Ding der Odem innewohnt, dem Menschen, dem Tier und der Pflanze und weiter gebären die in Bewegung versetzten Teilchen immer neue Stoffe. So bildet sich die Welt heraus und der Kronos; alles vollzieht sich im Rhythmus der Bewegung.
Karsos weiß wohl, dass weiter östlich die Natur in gut und böse geteilt wird, aber wie sollte sie etwas vermögen, was erst durch menschliches Denken erfassbar ist?
Der