Denk mal!. Helmut H. Schulz

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Denk mal! - Helmut H. Schulz

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hat kürzlich eine Musterung abgehalten. Es klingt erstaunlich, aber in den Wochen des Marsches, trotz aller Strapazen, gelang es dem Propheten, eine gewisse Ordnung herzustellen. Die Abteilungen der Hopliten und Peltasten, die Reiter und Schleuderer und die kretischen Bogenschützen, sie alle sahen ganz gut aus. Einheitlich bewaffnet ist die gesamte Mannschaft, zuletzt sind sogar Hüllen für die empfindlichen Schilde beschafft worden. Zwischen den Heersäulen gehen Boten Hin und Her. Amon-Es ist ein großer Stratege, er versteht es glänzend, einen großen Truppenkörper zu bewegen.

      Großer König, Karsos berichtet, was Amon-Es der Mannschaft am Musterungstag sagte.

      Soldaten des Erleuchteten, des Ewigen und Einzigen, ihr kommt aus vielen Völkern, Landschaften und Städten, ihr hattet viele Berufe, ehe ihr euer Werkzeug weglegtet, um euch dem Zug nach Sesach anzuschließen, wo euch der Erleuchtete, Ewige und Einzige Heimstatt zu errichten heißt. Dort werdet ihr alle wohnen, gleich arm und gleich reich und allen wird alles gemeinsam sein. Ich sehe viele unter Euch, die ihre durchlöcherten Ohren verbergen, das Zeichen ihrer Sklaverei. Ich sage euch, im Heer des Ewigen gibt es nur Gleiche. Unsere Absichten sind friedlich, aber der Großkönig möge es durch den Mund seiner Spione, die er reichlich in das Heer des Ewigen entsandt hat, erfahren; er sich uns entgegenstellt, den werden wir ausrotten, nicht ein Stein wird über dem anderen bleiben. Ich, Amon-Es, der Prophet des Wahren, des Einzigen, des Allergrößten, des neuen Prinzips, sage euch, ihr werdet eine große Glückseligkeit schauen."

      Die jetzt losschrien, deuteten die Rede des Führers als ein unbegrenztes Plünderungsmandat. Am Abend zogen einige aus, um zu brandschatzen. Amon-Es ließ sie lebend eingraben.

      Auf dem Wege nach Ankyra war das Land trocken und menschenleer und Karsos bedachte, wie klug Amon-Es die Soldaten zuvor in ihrer Kraft gestärkt hatte. Vor Amon-Es hatte Karsos einige Tage Ruhe. Zwar behielt der Führer ihn beständig um sich, aber es kam zu keinem Gespräch über die Unsterblichen.

      Großer König, Karsos berichtet.

      An einem der Gebirgspässe verlegten die Bewohner der Landschaft dem Heer den Weg, obgleich deine Satrapen Frieden geboten hatten. Das Heer lagerte unterhalb des Passes; ratlos, denn es war leicht zu sehen, welche Überlegenheit diejenigen besaßen, die den Pass beherrschten. In den Abendstunden ließ Amon-Es die Wachtfeuer bis auf eines löschen. Er nahm zwar kein Opfer vor, aber er lag lange unter Zuckungen auf den Knien wie bei der Adoration, der fußfälligen Verehrung eines großen Königs. Danach fiel ein Nebel, der so dicht war, dass man sich verlor, wenn man nicht die Schulter seines Vordermannes berührte. Amon-Es befahl uns, sogleich aufzubrechen, weil der Ewige die Stunde des Passübergangs bestimmt habe. Und so geschah es.

      Ohne Zweifel ist Amon-Es ein tapferer Soldat, er ging voran, begleitet von Karsos und seinen zwölf Peltasten.

      Seit der friedlichen Bezwingung des Passes faselt das Heer von der Macht des Erleuchteten und dem Einfluss des Propheten, dessen Ansehen ungeheuer gestiegen ist. Die Frage, was geschieht, wenn diese Kriegsmacht mit tüchtigen und mutigen Gegnern zusammenstößt, weiß Karsos nicht zu beantworten.

      Großer König, du solltest das Heer nicht den Euphrat überschreiten lassen, was ja geschehen muss, wenn sich Amon-Es Sesachs bemächtigen will. Noch liegen Dreiviertel des Weges vor uns. Viel wird davon abhängen, wie du gerüstet bist, aber je länger Karsos beim Heer ist, desto gefährlicher dünkt ihm deine Lage, Großer König, was wird geschehen, sollten sich die Heersäulen bei Sesach vereinigen? Sind es dann unübersehbar viele?

      Hier endet der erste Teil der Rollen des Fellachen. Im sogenannten ersten Kommentar, der einige Wochen nach Veröffentlichung der Fellachenrolle erschien - wohlweislich hatte Rovere Machete einige Zeit verstreichen lassen, ehe er sich mit einer Texterläuterung meldete -, heißt es:

      Sogleich nach Erscheinen dieser Schrift wurden aus dem katholischen Lager Stimmen laut, welche die Rollen als apokryph verwarfen. Namentlich der Kardinal Monturini tat sich mit solchen Erklärungen hervor, Ernst zu nehmen sind die meisten seiner Einwände jedoch nicht, oder was soll man davon halten, wenn der Großwürdenträger der Kirche die historische Glaubwürdigkeit deshalb bezweifelt, weil in den Rollen Namen und Begriffe verwendet werden, die einer anderen Zeit angehören?

      Ist die Bibel geschichtstreu? Nicht? Und hat trotzdem einen beispiellosen Machtanspruch das dauerhafte theoretische Fundament bieten können? Würde sich etwas bessern, wenn man das Buch der Bücher geschichtsgetreu änderte?

      Oder ein Beispiel aus der Bibel selbst, die Apostelbriefe, eine doch immerhin wichtige Seite der christlichen Agitation. Wurden sie nicht in fortlaufenden Redaktionen der jeweiligen Situation angepasst? Verstehen wir uns richtig, ich bin kein Fanatiker der reinen Wahrheit, ich bin eher ein politischer Pragmatiker, der sich in das Unvermeidliche zu schicken weiß, aber eines will ich doch bis an mein Lebensende verteidigen: Die Toleranz.

      Große Bewegungen werden nicht durch einen Menschen begründet, sondern aus dem Bedürfnis nach Neuentwurf heraus von vielen gestaltet. Hätten sich Winckelmann und Goethe, Männer denen Zentraleuropa so viel verdankt, aufgemacht, das 'Land der Griechen wirklich zu suchen', und nicht nur mit der Seele, sie würden sich nach Asien gewendet haben, denn der Hellenismus verhält sich zur griechischen Kultur wie die Gipswerkstatt zum Atelier. Ändert das etwas an Wesen und Wirkung der Klassik? Aber Asien war natürlich der Hort der Barbarei und der Rohheit, und das, obwohl ausgedehnte Hochkulturen im Osten bestanden haben, noch ehe eine struppige Wölfin aus Mitleid die ausgesetzten Sprösslinge halbtierischer Eltern auf dem capitolinischen Hügel zu säugen anfing.

      Die Kirche lässt ihre Großwürdenträger weiter bezweifeln, dass um diese Zeit ein Ägypter so etwas wie eine 'Essener Sekte' gründete, sie vermisst die messianische Formel, nach welcher ein Gottmensch durch das Selbstopfer die Versöhnung zwischen den Menschen und Gott anbahnt. Erstens war Amon-Es Ägypter, er wird nicht alle Geheimnisse Israels erkannt haben, sie waren ihm vielleicht nicht einmal wichtig oder er ließ die messianische Formel einfach weg und wendete seinen Monotheismus ins politische. Dabei kommt freilich das heraus, was der Kardinal die 'soziale Disorganisation' nennt, es kommt heraus, die Basis für einen frühen und rohen Kommunismus. Allein für den Einfall, dass die damals schon recht entwickelte Welt die Schande des Menschenhandels zu überwinden habe, verdient Amon-Es hundert Orden.

      Apropos Orden, die Kirche, diese mächtige Organisation hat es für angezeigt gehalten, mir Tugendrose, geweihten Hut und Degen zu überreichen, eine Ehre, die seit Menschengedenken keinem Manne meines Schlages mehr zuteilgeworden ist. Ich habe diese Ehre angenommen, in dem Bewusstsein, kein Atheist zu sein:

      Mein Ideal ist der aufgeklärte Marxist auf dem Stuhle Petri.

      Es gibt andere Widersprüche in den Rollen, die in der Tat einer Untersuchung wert sind. Meist lösen sie sich jedoch von selbst, zumindest für den, der zu lesen versteht.

       3. Wie das Heer den Halys in Lydien die Grenze zu Groß-Persien überschritt und wie mithilfe der Zeugen des Ewigen und Einzigen das Heer gelä

      Das hat Karos aus Kilikien miterlebt und niedergeschrieben.

      Großer König, der Halys gilt bei allen Völkern als Grenzscheide zwischen den Welten; das Heer musste ihn im Monat Abib bezwingen, Karos sah einen anderthalb Stadien breiten Strom, aber er sah weit und breit weder Furten noch Schiffe. Den Leuten, welche ins Wasser wateten, um dessen Tiefe zu erkunden, reichte es nach wenigen Schritten bis zum Hals; sie mussten wieder umkehren. Der Fluss war zwar nicht reißend, aber seiner bedeutenden Tiefe wegen unpassierbar. Übereinstimmend sagten die landeskundigen Führer aus, dass es auf eine Länge von, wie sie es ausdrückten 'vielen' Pasarangen, nirgendwo eine Furt gebe.

      Bei diesem Hindernis

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