Fälschung. Ole R. Börgdahl
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Fälschung - Ole R. Börgdahl страница 30
Das Timing wollte es, dass Heinz Kühler an diesem Nachmittag wieder in München landete und per Handy sofort ins Büro beordert wurde. Er hatte keine Wahl, obwohl er eigentlich direkt nach Hause fahren wollte. Eine knappe Stunde nach dem Anruf stand er schon vor der Tür seines Chefs und wurde von Frau Hoischen ohne weitere Ankündigung durchgewunken. Simon hatte bereits einiges vorbereitet. Auf dem Besprechungstisch standen gleich zwei Beamer mit angeschlossenen Laptops. Vor dem Tisch war eine Leinwand aufgebaut, auf der sich bereits die beiden Lichtkegel der Beamer abzeichneten.
»Setzen Sie sich.«
Heinz Kühler kam der Aufforderung wortlos nach. Sein Chef zog sich ebenfalls einen Stuhl heran und setzte sich zu ihm an den Besprechungstisch. Mit zwei Fingern stellte er die Bildschirmansicht am ersten Laptop ein. Das auf die Leinwand geworfene Licht flackerte auf und zeigte nach weniger als einer Sekunde die Oberfläche des Betriebssystems mit den Icons des Desktops an. Das Gleiche führte er mit dem zweiten Laptop durch. Dann ging er wieder an das erste Gerät. Auf der rechten Leinwandseite huschte der Mauszeiger über den Bildschirm. Simon öffnete einen der Ordner und klickte auf eine Datei aus der angezeigten Liste. Wieder verging eine halbe Sekunde, bis sich schließlich ein Bild öffnete und den rechten Teil der Leinwand einnahm. Es war das Ölgemälde, der Gauguin, dem Heinz Kühler in den letzten Tagen in London nachgejagt war.
»Und jetzt passen Sie auf«, kündigte Simon an.
Er griff in die Tastatur des zweiten Laptops und öffnete auch hier eine Datei, die jetzt auf der linken Leinwandseite angezeigt wurde. Das Bild war zunächst sehr klein. Simon ging mit dem Mauszeiger auf das Menü und aktivierte die Vollbildanzeige. Die Wiedergabe dauerte eine Sekunde, dann war aber auf der Leinwand ein zweites Foto zu sehen. Es war eine Schwarzweiß-Aufnahme. Es zeigte eine Gruppe von Männern, Frauen und Kindern, die links und rechts neben einem Boot standen oder vor dem Rumpf des Bootes hockten. Um das Gesicht eines der Kinder war ein schwach zu sehender Kreis eingezeichnet. Heinz Kühler wusste zunächst nicht, was er da sah. Er verglich instinktiv die Fotografie mit dem Bild des Ölgemäldes. Die Gemeinsamkeiten waren der Strand und auch das Fischerboot. Die markierte Person beachtete er zunächst nicht. Simon zoomte die Personen auf der Fotografie näher heran. Heinz Kühlers Augen wanderten weiter zu dem Ölgemälde und zurück auf das Schwarzweiß-Foto. Er stand auf und ging extra ganz dicht an die Leinwand heran.
»Sie ist es. Das sehen Sie doch auch, oder?«, sagte Simon euphorisch.
Heinz Kühler drehte sich zu seinem Chef um und nickte nur. Dann sah er sich wieder die Bilder an.
»Das Foto wurde von einem Victor Jasoline aufgenommen«, erklärte Simon, »einem französischen Offizier, der um die Jahrhundertwende auf Tahiti und den Marquesas stationiert war und der wohl nebenbei fotografiert hat.«
»Woher haben Sie das?«, fragte Heinz Kühler.
»Ein Zufall!« Simon räusperte sich. »Meine Frau hatte Besuch von einer Freundin. Sie erinnern sich vielleicht, es war vor gut drei Wochen, meine Frau ist noch hier ins Büro gekommen und hat sich den Schlüssel von meinem Wagen geholt. Wir haben die Autos getauscht, weil sie ihre Freundin samt Gepäck vom Flughafen abholen wollte. Also diese Freundin ist wie meine Frau Französin, nur dass sie nicht in Frankreich lebt, sondern in der Südsee. Tahiti und die Marquesas gehören auch zu Frankreich, Sie verstehen.«
»Und die Schwarzweiß-Aufnahme kommt von dieser Freundin?«, griff Heinz Kühler seinem Chef vor.
»Richtig, aber es geht ja noch weiter«, sagte Simon. »Es klingt wie im Film. Meine Frau und ihre Freundin sind zwei Tage zusammen in München unterwegs, mit dem Cabriolet meiner Frau. Sie findet im Handschuhfach meine Kamera, die ich dort vergessen habe, weil wir doch die Wagen getauscht hatten. Auf der Kamera befand sich noch die Fotografie des Ölgemäldes. Am selben Tag, an dem auch die Freundin meiner Frau in München angekommen ist, hat uns nämlich Herr Linz das Gauguin-Gemälde präsentiert, es war tatsächlich am selben Tag. Ich habe das Gemälde fotografiert, eben mit der Kamera, die ich dann im Cabriolet vergessen habe. Meine Frau findet also die Kamera und macht fröhliche Ausflugsbilder. Ihre Freundin lebt immerhin fast fünfzehntausend Kilometer von hier entfernt. Per Mail schickt sie die Bilder, zu den Marquesas, alle Bilder, die auf der Kamera waren, auch die Aufnahme von dem Ölgemälde. Sie hat es gar nicht gemerkt, dafür aber ihre Freundin. Die heißt übrigens Madame Florence Uzar und lebt auf einer Insel namens Nuku Hiva, schon einmal davon gehört?«
Heinz Kühler schüttelte mit dem Kopf. Er überlegte. »Marquesas, Nuku Hiva«, wiederholte er. »Herr Brahm hat doch von einer Insel namens Hiva Oa erzählt, Gauguins Insel.«
»Ganz richtig, Hiva Oa gehört auch zu den Marquesas, aber egal. Madame Uzar sieht das Ölgemälde, was eigentlich nicht in unserem Sinne ist, schließlich sollten wir die ganze Angelegenheit ja diskret behandeln. Unser Glück ist nur, dass Madame Uzar das kleine Mädchen schon einmal gesehen hat und zwar auf diesem Foto hier. Ich habe sogar noch eine weitere Fotografie, auf der sie abgebildet ist. Die alten Aufnahmen stammen aus einer Ausstellung. Madame Uzar konnte dann auch noch herausfinden, wer der Fotograf war. So sind wir an den Namen Victor Jasoline gekommen.«
»Dann hätte ich mir London ja sparen können«, sagte Heinz Kühler. »Gibt es auch eine Aufnahme, die Gauguin zusammen mit dem Mädchen zeigt, dann hätten wir nämlich einen guten Herkunftsnachweis, wenn wir beweisen können, dass Gauguin mit diesem Mädchen tatsächlich bekannt war.«
»Nein!«, erwiderte Simon. »Ich denke, das wäre auch zu schön, um wahr zu sein. Wir wissen jetzt, dass die Kleine auf dem Ölgemälde ein reales Vorbild hatte, wir wissen jetzt, dass Gauguin einen Menschen aus seiner Umgebung gemalt hat. Die Fotografie stammt aus dem Jahr 1904 und sie stammt sogar von der Insel Hiva Oa.«
»Hiva Oa?«, wiederholte Heinz Kühler. »Es ist schon erstaunlich, dass Sie vor kurzem von jemandem Besuch hatten, der ganz in der Nähe lebt. Die Welt ist doch klein.«
»Ganz richtig und jetzt passt doch alles sehr gut zusammen. Ihre Recherche in London ist natürlich auf keinen Fall umsonst gewesen und das wissen Sie auch. Jetzt haben wir ausgeschlossen, dass das Bild jemals öffentlich gezeigt wurde oder sonst wie publik geworden ist und das passt wiederum sehr gut zu der Geschichte.«
»Zu welcher Geschichte?«, fragte Heinz Kühler überrascht. »Haben Sie noch weitere Informationen?«
Simon schüttelte den Kopf. »So habe ich das nicht gemeint. Ich habe meine eigenen Rückschlüsse gezogen. Wenn ein solches Meisterwerk weder bei Tate noch in den Historic Catalogues der National Art Library zu finden ist, muss es die ganze Zeit in Privatbesitz gewesen sein, und zwar nicht bei einem Sammler, sondern ganz und gar privat.«
»Aber Sie glauben doch nicht an die Geschichte vom Dachboden oder vom Kellergewölbe«, unterbrach ihn Heinz Kühler. »Und Sie glauben doch auch nicht daran, dass der Gauguin dort unentdeckt geblieben ist, all die Jahrzehnte, bis Herr Linz ihn schließlich gekauft hat.«
»Natürlich habe ich meine Theorie«, erklärte Simon, »und nachdem wir in den herkömmlichen Quellen nicht fündig geworden sind, sollten wir vielleicht dieser Theorie folgen.«
Heinz Kühler nickte. »Dann lassen Sie mal hören.«
»Also«, begann Simon, »ich denke, es gab nicht allzu viele Franzosen auf den Marquesas, Kolonialbeamte und eben auch die Angehörigen des Militärs, zu denen ja auch der Fotograf, dieser Victor Jasoline gehörte. Sicherlich hatten auch viele der Beamten und Offiziere ihre Familien dabei. Die Kleine gehörte mit Bestimmtheit in eine dieser Familien. Das Gemälde und die Fotografie sind ja etwa zur gleichen Zeit entstanden, Gauguin hat mit 1902 signiert und das Foto stammt von 1904, da liegt nicht viel dazwischen. Dieser Victor Jasoline hat vielleicht