Das Ende der Clara. Helmut H. Schulz
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Helmut H. Schulz
Das Ende der Clara
Seglergeschichten
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Inhaltsverzeichnis
ETWAS ÜBER FAHRENSFRAUEN UND SEERÄUBER
DIE »LOUISA«
Es kommt nicht darauf an, wohin oder wie viel man segelt, es kommt darauf an, dass man segelt.
Aus ein e m a l ten Lehrbuch der Seemannschaft .
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Die »LOUISA« lag in Ruhe außerhalb des Yachthafens. Ruhe war ihr zu gönnen, denn ihre Planken hatten ein gesegnetes Alter. Stets am Abend kam der Skipper an Bord, schloss die Kajüte auf, setzte den Kocher in Gang und brühte Tee. Bei schönem Wetter verzehrte er auf den Backskisten sein Abendbrot, bei schietigem Wetter aß er in der Kajüte. In der Regel kroch er früh in die Koje, denn gegen vier Uhr musste er wieder raus. Waschen konnte er sich in einer Schüssel oder einer Pütz, falls er es für nötig hielt. Für ein Frühstück langte die Zeit selten. Er verschloss die Kajüte, stieg auf die Kaimauer und ging zur Arbeit. Ein Seefahrender oder einer, der seinen Lebensunterhalt durch die See verdiente, war Rinkales nicht, sondern man bloß Lagerverwalter. Seine Frau kam nur an den Wochenenden mit, um aufzuräumen und um ihm zur Hand zu gehen, wenn er segelte.
Die »LOUISA« gehörte ihm seit Menschengedenken; er hatte die Yacht von seinem Vater übernommen. Sie lag auch noch an der gleichen Stelle am Kai hinter der letzten Brücke vor der Flussmündung. Auf ihrem Deck hatten die Kinder der Familie krabbeln und gehen gelernt, ehe ihnen von dem Alten das Segeln beigebracht wurde. In all den Jahren war an der Yacht kaum etwas verändert worden, jedenfalls nichts von Bedeutung. Die »LOUISA«, in den zwanziger Jahren auf der kleinen hiesigen Werft gebaut, hatte alle Gefahren der Welt und der Zeitläufe überstanden. Eine breit gebaute Yacht mit viel Sprung, Löffelbug und Spitzgatt, wirkte sie wie eine Nussschale, aber ihre Planken waren sorgfältig geklinkert. Unter der Luke des Vordecks befanden sich Stauraum für Segel und Tauwerk und die Kettenlast mit der Ankerkette nach außenbords zu einem kleinen Spill zwischen Luk und Vorstag, dessen Spake abgenommen werden konnte. Dieses Spill diente verschiedenen Zwecken. Im Vorschiff zwischen Hauptspant und Stauraum hatte der Konstrukteur Schränke vorgesehen, da der Platz für eine Eignerkabine nicht ausgereicht hätte. Die Mastbacken waren durch das Deck bis hinunter auf den Kiel durchgeführt, der Mast konnte im Stuhl gelegt werden. An ihm war unter Deck die Winde des Schwertfalles angeschlagen, denn die »LOUISA« war ein Kielschwerter, dessen stabiles Schwert aufgekurbelt werden musste, da es von Hand nicht aufzuholen war. Zwei aufklappbare Seiten bildeten zusammen mit dem Mittelstück des Schwertkastens einen bequemen Kajütentisch, freilich nur bei gefiertem Schwert. An Back- und Steuerbord waren Sitzbänke angebracht, mit Polstern belegte Kojen für die Ruhezeiten; Schränke zu beiden Seiten des Niederganges, die Küche, ein Bücherschapp und eine Platte für Kartentisch und Navigation vervollständigten die Einrichtung. Nicht dass der Skipper Bücher las, es handelte sich um maritime Drucksachen, Segelhandbücher, nautische Jahrbücher und dergleichen, uralt, inaktuell und mehr zur Dekoration als zum Gebrauch. Die Hängelampe über dem Tisch brannte mit Petroleum, der schwärzliche Fleck auf dem Holz an der Decke zeugte vom Blak. An der Tür des Schrankes hatte die Frau des Skippers Bilder aufgehängt, vielmehr angeschraubt, Fotos ihrer gemeinsamen ersten Zeit, eins von den Jungens, die längst ihrer Wege gegangen waren, den Messbrief, das Werftzeugnis, in alter Kanzleischrift ausgeführt. Kajüte und Pantry fielen übrigens ziemlich geräumig und gemütlich aus.
An einem tiefen Punkt in der Plicht waren Großschot und Belegklampen angeschlagen. Die Schot griff an die Nock des Großbaumes, am oberen Auge der Nock war die Dirk angeschlagen. Der Löffelform des Buges ähnlich, hatte die »LOUISA« ein hochgezogenes Spitzgatt und eine mächtige Ruderflosse. Die Pinne reichte bis weit in die Plicht hinein, konnte jedoch hochgeklappt werden, wenn die Yacht vertäut oder vor Anker lag. An einem kurzen Mast fuhr sie ein Gaffel- und ein Toppsegel, alles aus Baumwolle, der Mast wurde von insgesamt sechs Wanten und zwei Vorstags gehalten. Über den Vordersteven ragte ein kurzer Baum hinaus, an den die Vorstags griffen. Dort konnten zwei kleine dreieckige Segel gesetzt werden, Fock und eine Art Klüver, wie bei einem Kutter. Das stehende Gut wurde auch noch durch Jungfern und Taljereeps durchgesetzt. Bugspriet und Stags fanden Gegenzug im Wasserstag. Für alle Fallen gab es Belegnägel, aber keine Winden, alles Zeug musste von Hand gesetzt, durchgesetzt oder dichtgeholt werden, mithilfe von Taljen immerhin und Tauwerk, bei welchem man vom Hinsehen Blasen an den Händen bekam. Lediglich die Klaufall wurde aufgekurbelt. Ein riesiger alter Kompass mit Windrose in einer kompakten Säule konnte vom Steuermann in jeder Sitzstellung gut gesehen werden, falls ihm die Ablesung was nutzte und er mit Strich und Viertelstrich was anzufangen wusste.
Die »LOUISA« sah also ziemlich professionell und seetüchtig aus, für kleine Fahrt aufgeriggt. Allerdings war sie nicht hoch an den Wind zu bringen und zum Glück auch nicht rank, sie legte sich beim Abfallen vom Wind zuerst einmal träge auf die Seite und schien lange zu überlegen, ob es für sie lohnte, sich wieder aufzurichten oder ob sie besser liegenblieb, wie sie lag. Rinkales pflegte ihr in solchen Lagen freundlich zuzusprechen. Skipper und Schiff liebten auch mehr die achterlichen Winde. Was die Farbe der »LOUISA« angeht, so ist Folgendes zu sagen. In der Zeit, als sie erdacht und auf Kiel gelegt worden war, gaben die Schiffbauer ihren Holzschiffen haltbare Anstriche aus verdünntem Teer, was dem Holz einen bräunlich-schwarzen Ton gab. Kalfatert brauchte an der in Klinkerbauweise zusammengefügten »LOUISA« nicht viel zu werden. Sie zog Wasser an den Schwachstellen, aber sie zog sich auch rasch fest. Bilgenwasser gab es natürlich. Es konnte leicht aus der Plicht vermittels der Messingpumpe außenbords verklappt werden, eine der täglichen Arbeiten des Eigners. Lag sie auf Kursen am Wind, nahm sie viel Wasser über die spacken Nähte des Deckes, aber sie lag ja gar nicht oder doch selten am Wind; sie hütete sich davor, da sich auch ihr Eigner das Lenzen ersparte. Weil ihre Außenhaut aus bester Mooreiche bestand, so hatten Rumpf und Decks im Zusammenwirken mit dem Anstrich und der Luft eine fast schwarze Farbe angenommen. Der Anblick