Das Ende der Clara. Helmut H. Schulz

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Das Ende der Clara - Helmut H. Schulz

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sozusagen gegen etwas protestierte. Er hing auf dem achteren Teil fest, während das Vorschiff mitsamt der Kajüte, allen Vorräten für die Übersegelung des Atlantik und dem Prachtmensch davon schwamm.

      Ja, und das war Unsinn, gewiss, wie er sich sagte. Jedenfalls aber war etwas geschehen. Bestürzt oder bloß beklommen ließ er die »LOUISA« abfallen, da er genug Höhe gelaufen war, er halste, um den neuen Kurs anzuliegen, da fiel sein Blick zufällig auf den Kompass, was ihm seit ewigen Zeiten nicht eingefallen war. Was er sah, das wollte er zunächst nicht glauben. Da schwankte die Nadel gemächlich im Halbkreis von Strich zu Strich, schwankte und tanzte einen Besoffenentanz jeweils um die Hälfte ihrer Rose. Begriffsstutzig klopfte der Alte mit dem Fingernagel an der Kompasssäule, aber dieses Klopfen hatte auf die Bewegung der Nadel keinerlei Einfluss. Ihm brach der kalte Schweiß aus, kaum dass er es sich getraute, die begonnene Halse zu beenden, das Heck durch den Wind zu bringen, wie er es gewohnt war mit Ruhe aber zügig. Die Yacht fiel auch richtig auf den neuen Kurs ab, das Prachtmensch am Mast zog den Kopf ein, um den Baum vorbei zu lassen, der langsam auf die andere Seite hinüber kam. Sie lachte ein, wie ihm schien hässliches, höhnisches und niederträchtiges Lachen. Er wollte ihr nicht ins Gesicht sehen, sondern brachte die »LOUISA« weiter herum auf den richtigen Kurs, vermied es aber, auf die Kompassrose zu blicken.

      Es war ein Schock und kein kleiner.

      Sie waren mit rauem Wind ausgelaufen, auch nach der Halse hatten sie rauen Wind, nur von anderer Seite. Mechanisch hatte der Alte die Schoten der Vorsegel losgeworfen, dass die beiden kleinen Segel mit der Halse gut und leicht hinübergekommen waren, nun belegte er die Schoten auf der anderen Seite.

      Alles geschah, wie er es wollte. Brav segelte die »LOUISA« ihren Kurs, da sah ihr Steuermann und Eigner etwas, das ihn an seinem Verstand zweifeln ließ. Aus alter Gewohnheit hatte er die Windrichtung mit dem Boot und den Segeln gesucht, ohne nach dem Stander zu sehen. Er glaubte, mit dem scheinbaren Wind zu fahren, nein, er fuhr im Augenblick überhaupt ohne allen Wind, und darin bestand eben die Entdeckung. Vor ihm lag eine Wasserfläche, auf der sich die Sonne lang spiegelte. Gewiss hätte die »LOUISA« wie jedes Segelboot auch ohne spürbaren Wind Fahrt gemacht, Aufwind vom Wasser oder sonst was in Vortrieb verwandelt, worin ja eines der Wunder des Segelns bestand. Yachten zumal holten sich ihren Wind, aber dies schnelle Vorwindfahren, das die »LOUISA« ihrem Skipper bot, war angesichts der Windverhältnisse doch schlechthin unmöglich, es war widersinnig. Scharf beobachtete der Alte die Boote in der Ferne auf dem Haff. Sie lagen bekalmt auf dem Wasser, ihre Segel hingen schlaff an den Masten. Nur die »LOUISA« fuhr mit vollen Segeln wie ein Geisterschiff. Nun war es durchaus denkbar, dass er hier in einem Windloch saß, das gab es, aber er glaubte es nicht.

      Einen Augenblick lang dachte Rinkales daran, den Törn abzubrechen, bloß wie? Sein Schiff hatte einfach eine Macke. Für dieses ungewöhnliche Geschehen musste es indessen eine Erklärung geben. Leider aber konnte er dem Prachtmenschen da nicht sagen, wovor er sich fürchtete. Im Grunde aber verstand er ganz gut, was ihm die »LOUISA« sagen wollte. Sie lehnte das Weibsstück ab. Seine verstorbene Frau, mit der »LOUISA« fest verbündet, wirkte aus dem Jenseits auf sie ein, sie stiftete die Yacht an, ihm einen Denkzettel zu verpassen.

      Rinkales hatte sich alles so schön gedacht, tagsüber milde segeln, spätnachmittags den Hafen anlaufen, essen, trinken, sich die Beine vertreten und später den Lockungen des Weibes nachgeben. Aus alledem würde wohl nichts werden, wie ihm plötzlich klar war. Seine Alte stand zwischen ihm und dem Prachtmensch aus Bronze. Als ein Mann von schnellen Entschlüssen änderte er seinen Plan und lief eine Bucht der Peene an, die sie eigentlich hätten passieren wollen. Er schoss auf, ließ die Segel streichen und den Buganker fallen; als der Anker Grund fasste, wurde ihm wohler. Die »LOUISA« schaukelte sanft auf dem ruhigen Wasser und gab sich scheinheilig. Die Frau verschwand in der Kajüte, um Kaffee zu machen, kam aber gleich wieder den Niedergang rauf und sagte mit zitternder Stimme: "Da sitzt einer auf dem Schwertkasten!"

      Rinkales wusste augenblicklich, wer dieser eine war, aber hier im Schutze der Bucht fühlte er sich sicherer. Er sagte forsch: "Was ein Unsinn! Wie soll denn hier einer an Bord gekommen sein?"

      "Das weiß ich nicht", sagte die Blume aus Bronze, "geh selber gucken!"

      Aber Rinkales zweifelte keinen Augenblick daran, dass ihm seine Alte den Hals umdrehen würde, falls er sich unten blicken ließ, und tippte sich nur an die Stirn.

      "Was soll das denn heißen?" sagte die Frau ärgerlich. Dann lenkte sie aber ein und gab zu: "Natürlich ist das verrückt: Gespenster gibt es keine."

      "Na, also", sagte der Alte.

      Doch, dachte der Skipper, es gibt welche. Hättest du aufgepasst, so würdest du längst gemerkt haben, dass was faul ist an Bord ... Von wegen Seemannswitwe. Hol dich der Deibel! Dies auszusprechen, kam ihm natürlich nicht in den Sinn.

      "Was heißt überhaupt einer? Mann oder Frau?" Kleinlaut sagte sie: "Ich glaube, es ist eine Frau. Willst du nicht doch mal nachsehen?"

      Neugierig, wie seine Alte auf dem Schwertkasten wohl aussehen mochte, erhob er sich und guckte vorsichtig in die Kajüte. Die war leer. Er fasste Mut, stieg ganz hinein und zündete, da nichts geschah, den Kocher an, um Tee zu brühen. Der Tee sollte den Fond für ein schönes Getränk bilden, so wie es die Verstorbene nach seinen Anweisungen am Abend eines schönen langen Segeltages herzustellen gelernt hatte. Ihm wurde wohler, als er einen Entschluss gefasst hatte, die neue Frau nicht noch einmal auf die »LOUISA« zu bringen. Er überlegte. Was hatte das Schicksal mit ihm vor? Erster Schlag, die Frau starb, zweiter Schlag, die Bengels wiesen die »LOUISA« höhnisch zurück, dritter Schlag, Vertreibung von seinem angestammten Liegeplatz. Es reichte hin. Er hörte das Wasser im Schwertkasten glucksen, es klang ihm wie ein Gelächter.

      "Schon gut, Alte", brummte er, "kriegst ja deinen Willen."

      Von da an wurde er ganz ruhig, machte seinen Grog, deckte den Tisch in der Kajüte und rief seinen Bordgast. Hungrig oder gar durstig wollte er sie nicht von Bord jagen. Zögernd kam sie herunter, packte ihre Esswaren aus, Fleisch, Käse, eine Flasche Sekt kamen zum Vorschein, und er dachte, Konditorin-Witwe, nicht unvermögend, mit Sinn für alles Schöne ... Ja, Schiet, denn er trank nicht mal Wein und wenn, dann aufgekocht mit Zimt und Nelken und einem Schuss veredelndem Rum obendrauf, paar Spritzer Zitrone nicht zu vergessen, süß und süffig alles und ein gesundes Getränk nach einem heißen Seetag, das manchmal auch wie ein Hammerschlag auf den Schädel wirkte.

      "Na, iss du man", sagte er nachsichtig.

      "Ich kann jetzt nichts essen", sagte die Bronzeblume. "Mir ist komisch. Sie saß da, wo jetzt die Teekanne steht", sie deutete mit dem blank polierten Fingernagel auf die Stelle, und Rinkales guckte amüsiert.

      "Ja, da kann man nichts machen, das nennt man Halluzinationen."

      "Schlafen kann ich hier keinesfalls", sagte sie entschieden. "Nimm es mir nicht übel. Gibt es da hinten in dem Dorf vielleicht so was wie ein Hotel?"

      "Das wohl kaum", sagte der Alte.

      "Ich bleibe auf keinen Fall an Bord", sagte die Frau ängstlich, "und wenn du mich für hysterisch hältst".

      Da hob sich die »LOUISA« wie ein Delfin aus dem Wasser, sie tat einen Sprung, heißt das, und tauchte steil wieder ab, wie diese Tiere zu springen pflegen.

      "Bitte", sagte sie vorwurfsvoll, "was war das nun wieder? Oder hast du eine Erklärung dafür?"

      "Vielleicht ein Schlepper", sagte der Alte, "die machen solche unsauberen Wellen."

      "Hier in der Bucht? Wo siehst du hier einen Schlepper? Den hätten wir ja auch wohl gehört."

      "Na,

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