Das Ende der Clara. Helmut H. Schulz
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"Habt ihr euch die Anzeige auch genau durchgelesen, Jungens?" Uns kam diese Frage ein bisschen sonderbar vor, und er fuhr fort, uns den Fall zu verklickern.
"Es heißt doch, wessen Boot als zweites einläuft, der hat diese kleine Regatta gewonnen, ist euch das ganz klar? Sagt mir noch Bescheid, ob es dabei bleibt, und ... denkt mal über die Geschichte nach, denn einen Haken hat die Sache schon."
Wir brasselten noch viel herum in dieser Nacht, aber es blieb alles Theorie, und wir beschlossen, anderntags die Probe aufs Exempel zu machen. Es sollte also siegen, der sein Boot hinter dem ersten Boot hereinbrachte? Ohne Regel, aber wie bei einer richtigen Regatta. Bloß raus, einem Ziele zu, das sie wohl noch bezeichnen würden. Da stand dann sicherlich eine Yacht, gab dem Angekommenen einen Wisch, der ihm bestätigte, dass nicht gemogelt worden war, und wieder zurück. Ganz einfache Sache. Andere Konkurrenten hatten wir kaum zu fürchten, es sei denn, die Sache sprach sich weiter herum. Viele Einhandsegler gab es bei uns nicht mehr, seit die Schiffer an Bord fernsehen müssen und tagsüber beschäftigt sind, mit Maschinenfahrt, um ihre Batterien aufzuladen.
In aller Frühe, als die Trinker und Tänzer aus dem Strand-Café bei einer guten Dröhnung noch schliefen, machten wir uns also auf. Erst mal liefen wir in einer Linie raus, schossen weiter draußen auf, und das Wetter war auch günstig, es wehte nicht so stark wie am Vortag. Viel Wind hatten wir auch nicht nötig, wollten doch bloß sehen, wie das lief, was geschieht, wenn man hinter dem Vordermann bleiben will. Da ging es uns ziemlich rasch auf, wie hinterhältig diese Anzeige war. Immer wenn sich einer lustvoll vorschieben wollte, fiel ihm natürlich ein, dass er ja hinten bleiben musste, wollte er dieses Rennen gewinnen. Aus allen Lagen ergab sich alsbald immer eine Wuhling von Jollen, die aufschossen, sich ineinander verwickelten, neu an den Wind schlichen, und schließlich hatten wir genug von der Geschichte. Wir waren hereingelegt worden. Ohne Zweifel lachten die im Hafen sich schief über unsere Albernheit, dafür würde Prinz Heinrich schon gesorgt haben. Wir brachen die Versuche ab, liefen wieder ein und machten an der »CANBERRA« fest.
Der dicke Skipper war schon auf, er saß draußen im Cockpit, trank Tee aus einem mächtigen Pott und las in der Zeitung. Auf seinem dicken Kopf hatte er eine Mütze mit Klunker daran, denn es wehte auf einmal wieder scharf über das Haff. Wir fragten ihn, ob wir zu ihm an Bord kommen dürften, und er faltete die Zeitung zusammen, ehe er nickte. So jumpten wir das erste Mal an Bord der »CANBERRA«.
Seither bin ich viele Male auf der Yacht gewesen, und meine Leidenschaft für sie ist eher noch gestiegen. Da haben Sie den Fall, von dem ich sprach, vom Verhältnis des Skippers zu seinem Boot und umgekehrt.
Wir wussten nicht recht wie weiter. Schließlich war es die Sache des Skippers, was er mit seinem Boot machte.
"Wer hat euch eigentlich erlaubt, meinen Zettel abzumachen?", fragte der Skipper.
"Niemand", sagte Hinrichsen, der immer das Maul am weitesten aufreißt, wenn es was zu verklaren gibt. "Hören Sie mal, Kapitän, ihre Idee ist einfach Mist. Es gibt gar kein Rennen, wenn einer hinter dem Ersten bleiben muss, es gibt nur ein Durcheinander von Booten, das ist alles. Sie haben sich auf unsere Kosten amüsieren wollen, aber so dumm sind wir nun doch nicht."
"Erst mal macht ihr den Zettel wieder an", sagte der dicke Skipper nicht unfreundlich, aber mit Nachdruck, und da ich ihn innerlich lachen sah, wurde er mir sympathisch.
"Vielleicht gibt es noch gescheitere Leute, als du es bist, mein Junge", sagte er.
Hinrichsen wurde hitzig, und als ihm die Luft ausgegangen war, sagte der Skipper mit aller Ruhe: "Ihr kennt meine Bedingungen, Jungens. Niemand braucht sie anzunehmen. Strengt mal euren Grips an! Es heißt doch, Sieger ist der, dessen Boot als zwotes reinkommt." "Klar", sagte Hinrichsen, "und das ist eben der Mist. Stecken Sie sich man Ihren Zettel an den Hut." "Sachte", sagte der Skipper, "ihr seid doch sicherlich kluge und gute Jungens, was?"
Da kletterte seine Frau, das junge Ding, aus der Koje, vielleicht weil wir eine Menge Lärm vollführten, und der Skipper stellte sie uns vor.
"Das ist meine Dagmar."
"Ist die auch ein Teil von der »CANBERRA«?", fragte ich ihn. "Kann man sie auch gewinnen?"
"Das macht man selber mit ihr aus", sagte der Skipper. "Ich bin doch kein Sklavenhändler. Aber wenn man Glück hat, kann man sie schon gewinnen."
"Nur Ihre Bedingungen sind leider ganz großer Mist", sagte Hinrichsen eigensinnig.
Diese Dagmar lachte schallend, und mir ging endlich auf, wer sie war, nämlich die Tochter des dicken Skippers und eine echte Wikingerin dazu.
"Die Prinzessin und vom Papa das halbe Königreich dazu, nicht wahr?"
Er nickte, und auch sein Töchterlein nickte heftig. Ich nahm es als ein ganzes Versprechen, und sie gefiel mir vortrefflich. Wir empfahlen uns, gingen ins Dorf und bestiegen unsere Räder, um die umliegenden Häfen abzuklappern, ob dort mal einer was von der »CANBERRA« und dem komischen Dicken und Skipper, sowie seiner schönen Tochter und Prinzessin gehört hatte. Vorher mussten wir noch einen kleinen Streit mit Prinz Heinrich ausfechten, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, von uns wie von anderen Leuten Liegegeld abzukassieren. Wir hatten aber nicht vor, wie andere Leute zu sein, was zu zahlen, und machten, dass wir wegkamen.
3
Wenn einer was wusste, dann Oll-Grell. Ihn suchten wir als Nächsten auf. Er saß da, wo er schon vor sechzig Jahren gesessen hatte, und er tat, was er all die Jahre immer getan hatte, nämlich gar nichts. Manchmal musste er natürlich aufstehen, aber dann nur aus sehr triftigen Gründen. Bei dieser Art zu leben, hatte er beinahe das achtzigste Jahr erreicht, und er wusste alles, was sich auf dem Haff und am Achterwasser abspielte. Offiziell war er als Hilfskraft im Klub beschäftigt, aber weiß Gott, womit.
Wir sagten also: "Tag, Oll-Grell. Kennst du einen Kapitän Johannsen?"
"Gibt es den noch? Segg bloß."
"Kennst ihn also. Wer und was ist er?"
"Funker man bloß, seit undenklichen Tiden is he datt nun wohl."
Wir beschworen ihn, sich nicht die Würmer aus der Nase ziehen zu lassen.
"He is ein Schlitzohr", sagte Oll-Grell mit Händen und Ohren wackelnd. "Wat hebt ihr denn mit oll Johannsen to schaffen?" Wir erzählten ihm, was dieser Johannsen und der Skipper von der »CANBERRA« mit uns vorhatten, also nicht bloß mit uns, sondern mit den Leuten auf dem Wasser hier herum im Allgemeinen. Als wir ausgeredet hatten, feixte Oll-Grell und setzte zu einer Rede an. Nun ist das Platt von Oll-Grell eine fürchterliche Sprache, die nur er selbst und zwei oder drei ganz alte Leute verstehen, die gleich ihm keine Zähne mehr im Maule haben; auch nuschelt Oll-Grell von Hause aus etwas stark. Aber gleichwohl mussten wir herauskriegen, was es mit Johannsen, dem Skipper und der schönen Prinzessin auf sich hatte.
"Diese Dagmar, die kenn ick nich", sagte Oll-Grell, "was die »CANBERRA« betrifft, so kann es sich nur um die Yacht handeln, die vor Jahren alle Preise von Kiel bis Zoppot geholt hat. »CANBERRA« hieß sie damals aber nicht. Nun will he ihr awgeven? Kiek an. Vorsicht, Jungens. Und Johannsen? Vielleicht ist sie dem jetzt eigen?"
Das war ja immerhin etwas, wenn auch nicht viel. Da kam so von ungefähr unser Sekschonsleiter längs, wie Oll-Grell das Wort ins reinste Platt überträgt, damit wir auch verstehen, wer der Mann ist, und fragte, ob Oll-Grell denn auch alles erledigt habe, was ihm aufgetragen worden war, dass er hier rumsitzen und mit uns klönen könne. Da öffnete Oll-Grell seine Jacke und zeigte ihm