Sechs Erzählungen. Helmut H. Schulz

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Sechs Erzählungen - Helmut H. Schulz

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nicht, welchen Spaß Frank an der Großchemie haben könnte. Es war bloß großartig, wie er da saß, mit dunklen Mongolenaugen, geschmeidig und zäh, ein Mann eben. Mein Frank.

      »Danzer ist schon in Ordnung«, sagte Frank schließlich, »aber sonst? Ein Institut mit allen Intrigen, Kriecherei, Heuchelei. Draußen ist für solche Faxen weniger Zeit.«

      Mama nickte überzeugt. Sie hatte nie einen Fuß in eine Bude gesetzt, freiwillig nicht. Auch Papa stimmte nachdrücklich zu. »Du hast schon recht«, sagte er, »wenn du es so nimmst. In der Produktion ist man heute tatsächlich am besten aufgehoben, da kann man noch eine Lippe riskieren. Uns ist wahrhaftig nicht immer wohl in unserer Haut«.

      »Sucht euch doch was Besseres«, sagte Frank, »unten werden immer tüchtige Leute gebraucht,« Frank, den riß keiner um.

      Mein Mann lächelte mitleidig. »Nicht jeder kann einfach weglaufen, dem es nicht mehr paßt, mein Lieber.« Ich traute meinen Ohren nicht, mein Mann sagte tatsächlich mein Lieber zu Frank.

      Der erwiderte schlicht: "Mir machst du nichts vor, Klaus, ihr sitzt hier wie angeschraubt, euch müßte man mit der Brechstange losmachen.« Mein Mann im Doppelnelson.

      »Die Geschichte damals mit der Pilotanlage«, sagte mein Mann, sich noch immer wehrend, »die hat dich wohl aus der Bahn geworfen?«

      »Ich habe mein Verfahren durchgesetzt«, sagte Frank; »richtig, ich habe auf der Schnauze gelegen, bin aber dran geblieben.« Peng, da lag mein Mann, Schultersieg, mir tat das wohl.

      »Du machst, was du für richtig hältst«, sagte Mama nun, »und jetzt sprechen wir über was anderes als über Arbeit, die haben wir jeden Tag. Dazu sind wir nicht zusammengekommen.«

      «Meinetwegen«, sagte Frank, »aber ich spreche gern über Arbeit.« Mama hatte meinen Mann gerettet, schade ich hätte gern mal gesehen, wie Frank auf seiner Brust kniete und den Atem aus ihm rausquetschte.

      Frank tanzte zuerst mit Mama, sie hatte beide Arme um seinen Hals gelegt. Unter dem Hemd zeichnete sich Franks fester Rücken ab. Frank war einen Kopf länger als Mama, die wie eine dickliche Puppe in seinen Armen hing. Ich gönnte es ihr, muß ich sagen. Dann kamen sie zurück zum Tisch. Frank trank, ich goß mir den Schwenker voll, mir war alles egal.

      »Es steht schlecht um euch, Lina«, sagte Frank ziemlich laut, »man sieht es. Ich bin nicht gegen Haus, Auto und Wohlstand überhaupt, ich finde bloß, man sollte sich nicht ganz an solchen Mist ketten.«

      Mama die solche Reden nicht liebte, schob ihn weg von sich, mir zu und sagte: »Red keinen Unsinn, man lebt nur einmal.«

      »Eben«, sagte Frank. Dann tanzte er mit mir. Mein Mann und Papa beteiligten sich nicht an der albernen Tanzerei. Sie zechten, sie stritten sich, es wurde laut, sehr laut. Ich meine, sie stritten sich nicht richtig, es wurde nur laut, sie benahmen sich wie Angetrunkene, die ihre Hemmungen verlieren.

      Ich? Ich hängte mich an meinen Frank, an früher dachte ich wie an das verlorene Paradies. Franks Bude lag im Obergeschoß eines Miethauses, mitten im Häusermeer Berlins. Wenn wir raussahen, morgens, vom Bett aus, hatten wir die Dächer der Stadt vor Augen. Mir war jetzt alles scheißegal, muß ich sagen, vielleicht hatte ich auch schon ein Ding weg. Ich küßte Frank lange und nicht bloß brüderlich oder schwesterlich. Er küßte mich auch, und ich ließ es mich was kosten, ihn scharf auf mich zu machen. Mama saß ausgebootet im Sessel und glotzte wütend vor sich hin.

      »Du, vielleicht war das falsch, damals«, sagte Frank zu mir, zärtlich. Ach, Frank, wären wir doch weggegangen. Ich bat ihn um seine Adresse. Ich hätte Mama um seine Anschrift bitten können, aber die würde natürlich getratscht haben. »Im Ernst«, fragte er.

      Verdammt noch mal, hätte ich doch Hosen und die alte Bluse an, ohne BH, Knöpfe oben offen, ich hätte Frank viel stärker gespürt. Wer konnte ahnen, daß Frank solo käme? Ich bin ja wie eine Witwe, alle drei Wochen mal, und dann auch nichts rechtes. »Nimm mich doch mal fest in den Arm, Frank«, bat ich, »mein großer Junge, mein Mongole, na, los, mach schon.« Er war ein bißchen verwirrt, er zögerte, sah schnell zu meinem Mann hinüber, und da endlich, nach so vielen Jahren, ging mir auf, was für eine dumme Kuh ich damals gewesen bin, zu jung, meine ich.

      Stimmt, ich hatte einen sitzen, sonst würde ich natürlich meinen Rand gehalten haben. Frank ist geschieden, den hat die Erinnerung an unsere Zeit damals auch nicht losgelassen. Ich kann mich bloß nicht mehr genau entsinnen, aus welchem Anlaß und wann wir uns trennten.

      Schluß habe jedenfalls ich gemacht, mit großer Szene und so. Die sollten uns jetzt mal vierzehn Tage allein lassen, auf einer Insel. Mach mich doch mal richtig fertig, Frank, Doppelnelson, oder kleb meinem Mann mal eine.

      Das muß eine ganze Weile so gegangen sein, mir drehte sich alles, bis Mama den Tonarm von der Platte nahm und laut und deutlich sagte: «Nun ist Schluß, macht bloß halblang, ich brüh Kaffee.»

      Es ging auf zwei. Mama war in der Küche und schrie alle Augenblicke nach mir. Da hatte ich die Nase voll und schrie auch, leck mich doch du alte Ziege, oder etwas ähnliches, nichts Feines und Anständiges jedenfalls. Mein Mann machte den Fehler, sich einzumischen. Er hielt mir einen Kurzvortrag über Moral, glaube ich. Mir drehte sich alles, wie gesagt. »Du auch«, schrie ich, »nimm bloß deine dämliche Visage weg, sonst schmier ich dir noch eine rein, du alter Niesfisch, faul, fett und träge. Ich halte es nicht mehr aus, ich geh weg.« Ich kann hier nicht alles genau wiedergeben, einfach deshalb, weil ich das meiste vergessen habe. Vielleicht hätte Mama mit ihrer Wachsamkeit das Schlimmste verhindert, aber Mama war eben in der Küche. »Ich mach nicht mehr mit«, sagte ich noch, »ich geh zu meinem Frank.« Ich schrie weiter solch ungereimtes Zeug, dann kam Mama herein und brachte mich weg. Natürlich ging ich nicht einfach mit, mein Mann und Papa halfen ihr. Ich schlug um mich, versuchte meinen Mann zu schnappen, aber der hielt sich außer Reichweite. Schließlich kriegten sie mich unter. Mein Mann rächte sich, er griff fest zu, an meinem Arm habe ich noch blaue Flecke. Sonst ist mein Mann zu nichts fähig. Dann lag ich in Mamas Bett und heulte, schlief aber wohl darüber ein. Beim Erwachen lag ich still und lauschte. Aus dem Zimmer hörte ich das Gesumm von Stimmen, allmählich, je länger ich über das Vorgefallene nachdachte, kam eine tiefe Befriedigung über mich. Ich, die promovierte Chemikerin, die zierliche und nette kleine Frau, die immer still ist und selten aus sich herausgeht, die immer zu allem Ja und Amen sagt, ich hatte endlich mal Luft abgelassen. Ich denke nicht daran, das Haus zu räumen, ich bleibe, wo ich bin. Scheiden laß ich mich auch nicht.

      Hin und wieder werde ich so ein Ding drehen wie heute.

      Frank, na ja, es ist schon besser, es bleibt, wie es ist.

      Ich stand auf, ging ins Bad und besah mein ramponiertes Gesicht. Das kriegte ich schon hin mit heißem Wasser und Farbe. Es dauerte, aber ich hatte ja Zeit. Dann bekam ich Appetit auf Kaffee und holte mir meinen Teil, Musik gab es keine mehr. Ich setzte mich bescheiden auf einen freien Platz und hielt meinen Sabbel. Die saßen herum und warteten auf den Morgen. Anscheinend hatten sich die Männer gestritten, klar, ich hatte auch ein bißchen Zündstoff gegeben, Franks Gesicht sah hart aus, ungefähr wie damals, bevor er in einen Kampf ging. Mama sagte schlecht gelaunt: »Bowle und Schnaps, Kinder, was haben wir früher mal vertragen.«

      Papa sagte zu Frank, meinem Frank: »Das hättest du gleich sagen können, anstatt uns im dunklen tappen zu lassen. Vielleicht wär dann der Abend ganz anders verlaufen.« Ich wusste natürlich nicht, wovon die Rede war, wollte aber auch nicht fragen, denn ich hatte ja diese herrliche Party geschmissen. Bereut habe ich nichts,·mir war sauwohl.

      Trübe Stimmung bei den anderen. Wir gingen raus auf die Terrasse. »Es wird schon recht früh hell«, sagte mein Mann, als verkünde er eine

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