Der Isländische Freistaat in Sagas. Helmut H. Schulz

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Der Isländische Freistaat in Sagas - Helmut H. Schulz

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gedacht und endlich vom brausenden Weltmeer umflossen. Ringsum lauern Mischwesen, Tursen und Jöten, um den Weltenbrand auszulösen, den Ragnarök, der alles vernichtet. Das Weltenende kündigt sich mit dem Mordanschlag auf Baldur an, mit ihm schwinden Licht und Leben, die Dunkelheit bricht an, aber die Wiederkehr der Sonne bringt Erneuerung, in einem ewigen Kreislauf, in dem jeder und jedes seinen Platz hat. War der Lebensbaum ein Gleichnis, dem gegenüber alle Versuche der Geographen die nordische Welt in Kartenform wiederzugeben scheitern mussten, so gehört zum Lichterbe die Leibesschönheit, die sich im Blick, im Ausdruck der Augen und der Haltung des Körpers spiegelt. Junge Männer und junge Frauen strahlen Leben in voller Körperlichkeit aus, wie dem Sagaschreiber unzweifelhaft; keine ertüftelte Ästhetik ersetzt die Natur des angeborenen Schönen; den Lichten gehört die Welt, der Hässliche verdient kein Leben. Dieses frühgermanische Zeitalter endete mit einer Zäsur, dem Datum des ersten Jahrtausend, der Herrschaft Harald Schönhaars, Harfagr, der geschworen hatte, sein Haar erst zu schneiden, wenn er alle unterworfen hatte. Das geschah; die Ära der Königsreligion brach an. Den neuen und einzigen Christengott lernte der Norden spät kennen, denkt man an den zeitlichen und geografischen Ursprung der Lehre. Der Anspruch des christlichen Königtums auf Alleinherrschaft beseitigte nicht nur die alte Götterwelt; um die ging es zum wenigsten; sondern zerstörte die alten sozialen und kulturellen Strukturen. Die in Norwegen bis dahin führenden Geschlechter, die Hersen und Häuptlinge, hielten dem Druck der Königsreligion und der konzentrierten überlegenen Macht unter dem Zeichen des Kreuzes nicht stand; sie wichen aus, wenn sie nicht im Kampf untergingen. Von einem mythischen Siedlungsauftrag, einem Landgeschenk eines einzigen Gottes, wie im Falle der jüdischen Auswanderung aus Ägypten, ist keine Rede. Aus mehreren Gründen hat sich in Island, der abgelegenen Insel am westlichen Rand Europas das mythische Erbe neben das von den Isländern endlich übernommene Königschristentum wie in keinem kontinentalen Land erhalten können. Im Allgemeinen war Europa um 1000 n. Chr. christianisiert oder wurde wenigstens dafür angesehen. Nach einigen gescheiterten Missionierungsversuchen, dem letzten durch Thangbrand, dem obersten Priester des Königs Olaf Graumantels, Trygvasson, nahmen die Isländer durch Volksentscheid das Christentum mit einer bemerkenswerten Klausel an: Durch die Taufe, durch die Annahme des Königsglauben, sollten die alten Götter und Bräuche nicht abgeschafft werden, sondern weiter in Kraft bleiben, entgegen der Forderung des Christengottes, einmalig zu sein und Vielgötterei mit Höllenqualen zu strafen, ein Gebot, das anderswo konsequent durchgesetzt wurde. Fünfhundert Jahre früher hatte der Kirchenheilige Augustino von Hippo den Missionaren geraten, die Taufunwilligen der Folter zu unterziehen. Dem plündernden Krieger war immer und überall der christliche Prediger gefolgt, um das Wort Gottes auch denen zu predigen, die es nicht hören wollten, und die auch keine Veranlassung hatten, mit dem Erlösungsglauben ihre Volksrechte aufzugeben. Das dem Norden vom Prediger verheißene ewige Leben nach dem Tod hatte keine Wirkung auf die nordischen Völker gehabt; dieses Leben besaßen sie schon als Abschluss einer würdevollen erfüllten Existenz.

      Weil die Auswanderer in Island unbewohntes Land vorfanden, konnte eine ungestörte Entwicklung bäuerlicher Wirtschaften einsetzen; die Landnehmer kamen in den Besitz großer Höfe und sie kamen erstaunlich schnell zu Wohlstand. Allerdings sind diese ersten Siedler auch nicht arm nach Island eingewandert, sie hatten alles bewegliche Gut aus der Heimat mitgenommen. Der wirtschaftliche Aufstieg zeitigte Folgen, führte zur Bildung des Freistaates in Fortsetzung der alten norwegischen Rechtsordnung in den Bezirksgerichten; das Althing ist das erste Parlament im Norden Europas. Zwar gilt die Volksversammlung überall als Basis der Demokratien, nur unterscheiden sich die frühen gesellschaftlichen Einrichtungen der Insel von denen der südeuropäischen antiken Welt, der Stadtdemos Griechenlands, durch die geringe Bevölkerungsdichte und durch das Klima des kalten unwirtlichen Nordens. Urbane Konzentrationen waren in Island unmöglich; es kam weder zu Machtzentren noch zu Verdrängungen; es gab keine Städte. Anders im Süden; Athen konnte expandieren, zur Auswanderung bereite Bürger finanzieren und auf unbewohnte Inseln ansiedeln, um letzten Endes von ihren Kolonien Steuern einzuziehen; die Bauten des Perikles in Athen wurden mit den Einnahmen aus den Kolonien finanziert Die Landnahme auf Island ist mit keiner anderen Besiedlung zu vergleichen; sie kam schnell zum Abschluss, als der Fond zu kultivierendes Landes aufgebraucht war. Island, das heißt, Eisland, war ein Land mit nur wenig bäuerlicher Nutzfläche. Das Hochland ließ sich nicht urbar machen, diente aber als Sommeralm. Heiße Quellen sprangen aus den Erdspalten, Vulkane öffneten ihre Krater und warfen glühende Lavaströme aus; Island entstand noch immer neu wie in den Schöpfungstagen aus wenigen widerstreitenden Elementen, aus Stein, aus Feuer und Wasser. Die Christen waren davon überzeugt, dass in einem dieser Schlünde der Eingang zum Höllenfeuer lag. Wer wollte dort freiwillig siedeln? Freiwillig kamen sie auch nicht; sie kamen weil sie vertrieben wurden. Ob sich die isländischen Bauern behaupten konnten, das hing neben ihrem Fleiß von den Bindungen der Sippen zu ihren Angehörigen in der alten Heimat ab.

      Die norwegischen Könige haben Island immer als zum Reich gehörend und milde behandelt; sie störten den Handelsverkehr nicht, förderten ihn eher als umgekehrt, erlegten dem Islandfahrer keine Sondersteuern auf. Neben der Landwirtschaft trieben die Isländer erfolgreich Handel, sie führten in der Hauptsache einen groben Fries aus Schafwolle als Zahlungsmittel und Verrechnungseinheit aus. Aus der alten Heimat, aus allen Gegenden Europas holten sie Güter, die in Island selbst nicht erzeugt werden konnten; Bauholz vor allem, Eisen und Eisenwaren und, vom Gold beeindruckt, zunehmend dieses Edelmetall als Schmuck. Von der auf dem Kontinent einsetzenden frühen Akkumulation, der Umwandlung des Goldes in Geld war noch nicht die Rede; die Hergabe von Gold war Auszeichnung und Ehrengabe. Durch den Überseehandel floss Geld in verschiedenen Währungen ins Land; die Mark in Silber kam als Zahlungsmittel in den Geldverkehr; eine Mark entsprach dem Gewicht von zweihundert Gramm in Silber, ein recht hoher Wert. Während dreier Generationen, setzt man die hier in Rede stehenden Eiwanderung mit der Jahreszahl 890 n. Chr., an, als mit Unn der Weisen verbunden, und das Ende des Freistaates mit dem Jahr 1000 n. Chr., so hatte sich in etwa hundert Jahren die isländische Gesellschaft in Herren und Abhängigen, Knechten und Sklaven herausgebildet.

      Die Bonden, freie Bauern, bildeten eine Zwischenschicht. Aber dieser freie Bauernadel stand vor großen Veränderungen; das scharlachrote oder königsblaue lange Gewand, der Schultermantel aus feinerem Tuch, Zeichen des Wohlstandes seiner Träger, machte es deutlich: Wer ein teures Gewand besaß und es mit Stolz trug, der arbeitete nicht mehr mit Händen auf den Feldern oder als Viehzüchter; er ließ arbeiten. In der Tat berichtet die Saga nun schon vom Geldverleih der Goden auf Zinsen. Als Alltagskleidung trugen die Bauern weiter ungefärbte Kleidung aus grobem braunem oder hellem Frieß, dank der Schafhaltung immer vorrätig, beinahe schon überzählig. Alle freie Zeit dürften die Frauen am Spinnrocken und vor dem Webstuhl verbracht haben. Einer der erfolgreichsten Schafzüchter wurde der Wikinger Skallagrimr der sich auf Borg niedergelassen hatte. Alles an Sondergerät, alle Schutz- und Trutzwaffen, hochgeschätzt und begehrt, kam durch den Seehandel nach Island. Erzfundstellen gab es auf der Insel nicht. In guten Jahren warfen die Ernten einigermaßen oder auch reichlich ab; dennoch musste ständig Mehl eingeführt werden. Nutzvieh gedieh bei gutem Jahreszeitenverlauf auf den Weiden. Insofern tropfte tatsächlich von jedem Grashalm Butter. Zwei Generationen lang waren den Gütern Gewinne, schwer erarbeitet, zugewachsen. Der Häuptling hatte auf den Feldern mit seinen Knechten und Sklaven geschuftet. Durch Heirat untereinander rückten die eingewanderten Sippen näher zusammen, bildeten Familienverbände, nahmen an Kopfzahl zu. Das bedeutete einen Machtzuwachs, aber auch Rechtsstreitigkeiten wurden häufiger. Oft ging es um Erbe, um Heiratsgut, immer um Land als das wichtigste Produktionsmittel. Die ersten Siedler am Breidafjord, die Tälerleute im Laxa- oder Laxwassertal, wie sie in den Sagas genannt werden und sich wohl auch selbst so bezeichneten, erscheinen in der Hochzeit des Freistaates als wohlhabend und als untereinander im weitesten Sinne verwandt. Laxwasser, das deutet auf den Fischreichtum des kleinen Flusses hin, der sich in den Fjord ergießt.

      Die Sagas anderer Siedlungsräume, etwa die aus den Ostfjorden, die sogenannten Ächtersagas, sind kürzer und gedrängter als die Erzählungen über die Tälerleute und dem Weisen Njal, neben dem Goden Mörd einer der Rechtslehrer des Freistaates, ein gesuchter juristischer Beistand auf dem sommerlichen Althing, ein nordischer Perikles, ein Fuchs, der nicht nur Freunde hatte, eher im Gegenteil, wie sein Ende durch den Mordbrand beweist, dem seine gesamte Sippe erlag. Njal

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