MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND. Michael Stuhr

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MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND - Michael Stuhr

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mit einem Blick unter Kontrolle und lief nicht Gefahr, etwas das außerhalb ihres Blickfeldes geschah zu versäumen.

      Direkt vor Teri, kaum eine Elle entfernt, stand einer der Verkünder. Die Marschtrommel, von dem Mann in rasendem Takt geschlagen, hing genau über ihrem Kopf.

      Die Verkünder waren die einzigen Bewohner Thedras, die ungestraft Lärm machen durften, ja sogar mußten. Alle Neuigkeiten von Belang wurden durch diese Männer und Frauen täglich zu festgelegten Zeiten verkündet. Darüber hinaus brachten sie den Bewohnern der Stadt die Verordnungen der Beamtenschaft zu Ohren, und auch die Kapitäne der Schneckenschiffe bedienten sich ihrer, um Mannschaften für ihre Frachter anzuwerben.

      Mit einem furiosen Wirbel der Trommelstöcke beendete der Mann vor Teri sein Spiel und griff zu der kupfernen Fanfare, die an einem breiten Seidenband von seiner Schulter hing. Teri hielt die Luft an und schaute schnell zu den etwa dreißig Halbwüchsigen hin, die mit erwartungsvollen Gesichtern auf dem hinteren Teil der Tribüne standen. Wer von ihnen würde wohl zu den Auserwählten gehören?

      Wilder Neid erfaßte Teri unvermittelt. Heute wurden die neuen Scharleute gewählt. - Die Scharleute, die auf den fliegenden Schiffen fahren und Waffen tragen durften. - Die Scharleute, die alle nur denkbaren Privilegien genießen und in die entferntesten Länder reisen würden. Unwillkürlich schloß Teri ihre Hände zu Fäusten. Wenn sie nur alt genug gewesen wäre, dann würde sie jetzt dort oben stehen - und ganz sicher würde sie ausgewählt werden.

      Gleichzeitig hoben alle sechs Verkünder ihre glänzenden Instrumente an die Lippen und schon der erste, durchdringende Ton beendete das Gemurmel und Getuschel auf dem Versammlungsplatz.

      Teri betrachtete die Gruppe der Bewerber, die sich im Alter von zwölf Jahren in die Rolle der Scharanwärter einschreiben konnten. Teri traute es sich zu, jeden einzelnen von ihnen in jeder denkbaren Disziplin zu schlagen. Ihr Blick blieb an den Augen von Aeta hängen. Noch im vergangenen Sommer hatten Teri und Aeta am Strand zusammen gespielt. Teri mochte das drahtige, brünette Mädchen. Im Spiel war sie eine der Ehrgeizigsten und Schnellsten gewesen. Nun gut, das mochte für einen Mannschaftsgrad ausreichend sein, aber Teri fand, dass es nicht ausreichte, stark und schnell zu sein, um ein Schwalbenschiff zu leiten. Aeta würde es nie zum Kapitän bringen, Teri hielt sie einfach für zu dumm.

      Oder Raag mit seinem massigen Körper. Sicher, er war kräftig wie kein anderer seines Alters, aber welcher Kapitän würde ihn haben wollen? Raag bewarb sich nun schon im dritten und letzten Jahr um einen Platz in der Sturmflottenschar. Aber er war viel zu schwer. Der Kapitän, der ihn auswählte, könnte sich ja gleich einen Felsbrocken in den Mast hängen, befand Teri. "Soll der Kerl doch Schneckenschiff fahren!", zischte sie zwischen halbgeschlossenen Lippen hervor. Fünf Jahre fehlten ihr, um sich bewerben zu können, lächerliche fünf Jahre. - Es war einfach ungerecht!

      Teris heimliche Hoffnung war es, dass der Obmann der Kapitäne bekanntgab, dass dieser jämmerliche Haufen von fetten Idioten zu gar nichts tauge und man das Alter für Bewerbungen darum auf sieben Jahre herabsetze. Dann würde Teri als erste auf die Bühne steigen, dem Obmann wissend zunicken, ihm die Hand reichen und sich als erste in die Liste einschreiben. So würde sie es machen. Ganz bestimmt!

      Plötzlich verstummten die Fanfaren. Erwartungsvolle Stille lag über dem Platz. An die dreitausend Menschen warteten darauf zu erfahren, welchen Familien in diesem Jahr die Ehre zuteil wurde, ein Mitglied der Sturmflottenschar hervorgebracht zu haben.

      "Der Obmann der Kapitäne der Schwalbenschiffe!", rief der Erste Verkünder überflüssigerweise über die Köpfe der Menge hinweg. Jeder kannte Athan, den dienstältesten Kapitän der Flotte der fliegenden Schiffe.

      Der Mann neben Teri setzte sich in Bewegung und stieg die Stufen zum Podest hinauf. Teri konnte es kaum fassen, der Obmann hatte direkt neben ihr gestanden, sie hatte ihm sogar ins Gesicht gesehen, und sie hatte ihn in ihrer Aufregung nicht erkannt.

      Athan ließ sich Zeit mit seinem Auftritt. Klein und drahtig wie alle Scharleute, wirkte er in seinem Anzug aus gelber, geölter Seide wie eine Quelle reiner Energie. Trotz seines Alters, Teri schätzte ihn auf mindestens dreißig Jahre, bewegte er sich geschmeidig auf die Mitte des Podiums zu.

      Ruhe gebietend hob er die Hand, als einzelne Hochrufe laut wurden. Aus seiner Tasche, die um seine Schultern hing, nahm er eine flache Holzschachtel, von der er mit geübten Handgriffen den Deckel entfernte. Zum Vorschein kam ein Rahmen aus Leisten, der fast zu ganzer Höhe mit gelbem Ton ausgefüllt war.

      Den Deckel der Schachtel legte Athan nun unter das Bodenbrett der Tafel und hielt diese mit beiden Händen über den Kopf. "Die Versammlung der Kapitäne hat gewählt!", gab er bekannt, "Diese Tafel trägt die Namen der Matrosen, die wir in diesem Jahr in Dienst nehmen werden!"

      Teri versuchte angestrengt, einen der Namen zu entziffern, oder wenigstens die Anzahl der Kandidaten festzustellen, konnte aber wegen der Entfernung nichts erkennen.

      "Ich werde die Namen nun verlesen", fuhr Athan fort und nahm die Tafel wieder herunter. "Erwählt ist Rean, Tochter der Kaufleute Deril und Ewron!" Athan ließ die Tafel sinken, während Rean mit hochrotem Gesicht nach vorn gestolpert kam und sich neben ihn stellte.

      "Erwählt ist Sigo, Sohn der Former Ohbit und Aslan!" Wieder kam ein linkisches Geschöpf aus der Gruppe der Wartenden und stellte sich, verlegen grinsend, neben Athan.

      Teri sah dem würdelosen Schauspiel verächtlich zu. Die armen Kapitäne! - Was hatten die sich da bloß ausgesucht?

      Weiter verlas der Obmann die Namen der Erwählten. Mit jedem neuen Namen sank Teris Hoffnung tiefer. Immer größer wurde die Schar stolzer und verlegener Halbwüchsiger, die sich neben Athan aufstellten. Auch Aeta war dabei – natürlich - und Dacol, der Sohn eines Hirten, der mädchenhafter wirkte, als manche der jungen Frauen auf der Tribüne.

      Schließlich ließ der Obmann die Tafel endgültig sinken. sechzehn Auserwählte standen neben ihm.

      Athan trat zwei Schritte vor, wandte sich um und richtete das Wort an sie: "Junge Scharleute", sprach er sie an, "ihr seid von der Kapitänsversammlung der Schwalbenschiffe in den Mannschaftsstand gewählt worden. Wer von euch Zweifel hat, den harten Anforderungen gewachsen zu sein, der trete nun vor, und ich werde seinen Namen von dieser Tafel löschen!"

      Keiner der jungen Scharleute regte sich auch nur um einen Fingerbreit.

      "So sprecht mir denn nach", fuhr der Obmann in dem traditionell vorgegebenen Text fort und begann mit getragener Stimme den Eid der Scharleute zu sprechen, wobei er nach jeweils wenigen Worte eine Pause einlegte, in der die Erwählten den Text im Chor wiederholten: "Wir sind der Sturmflottenschar auf ewig ergeben. Wir werden ihre Geheimnisse hüten und für unser Schiff eintreten mit der Kraft unseres Geistes, des Körpers und unseres Lebens!"

      Eine heiße Welle der Sehnsucht riß Teri mit sich fort. Halblaut hatte sie den Text des Eides mitgesprochen. Einen Moment lang war sie versucht, einfach auf die Bühne zu klettern und sich in die Gruppe der Erwählten einzureihen - aber das war natürlich dummes Zeug.

      "Ein jeder von euch ist nun für alle Zeiten Mitglied der Sturmflottenschar", erhob Athan nun wieder die Stimme, als die nachgesprochene Eidesformel verklungen war. "Nichts als der Tod wird euch von diesem Recht und dieser Pflicht entbinden. Geht nun in den Schwalbenhafen und lernt euer Handwerk gut. Im nächsten Frühjahr werdet ihr mit den Schiffen fliegen!"

      Wie auf ein geheimes Kommando hoben die Verkünder nun ihre Fanfaren, um das Schweigegebot aufzuheben, aber noch vor dem ersten Ton löste sich die Anspannung der Menge in tosendem Jubel. Jeder versuchte, den Eltern eines neuen Scharmitglieds die Hand zu reichen, nur das kleine Häuflein der abgelehnten

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