Durch alle Nebel hindurch – Texte der Hoffnung. Monica Maria Mieck

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Durch alle Nebel hindurch – Texte der Hoffnung - Monica Maria Mieck

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und Kraft,

      deinen Willen zu akzeptieren,

      mich deiner Autorität zu beugen.

      Hilf mir, meine Enttäuschungen zu tragen,

      wenn du etwas ganz anderes mit mir vorhast,

      als ich mir gewünscht und erhofft habe.

      Wenn ich mich nur ganz in deinen Plan füge,

      bin ich befreit von quälenden Überlegungen,

      Sorgen und verzweifeltem Suchen.

      Du wirst mich sicher mit deiner Hand führen.

      Du allein weißt, was gut für mich ist.

      Herr, dein Wille geschehe!

      Immer wieder Nachsorge

      Die rote Karte an der kleinen Magnetleiste in meiner Küche habe ich ständig in meinem Blickfeld, wenn ich in diesem Raum arbeite. Sie mahnt mich also täglich, meine vereinbarten Untersuchungstermine in der Universitätsklinik auch pünktlich einzuhalten. Mit den Jahren hat das Sonnenlicht das anfänglich kräftige Rot der Karte verblassen lassen. In dieser Zeit sind auch meine körperlichen Narben unauffälliger geworden. Und ich wünsche mir, dass auch die Sorge um meine Gesundheit endlich wieder kleiner würde. Jedoch das Wort Sorge beinhaltet das bedrückende Gefühl der Unruhe und Angst. Ja, es ist so, dass ich seit meiner Krebserkrankung von Unruhe und Angst begleitet werde. In diesen 16 Jahren hat es tatsächlich noch keinen Tag gegeben, an dem ich nicht an meine Erkrankung in irgendeiner Weise denken musste. Kürzlich sagte eine Ärztin in meinem Urlaub zu mir: „Dass Sie damals an Krebs erkrankt sind, das sollten Sie ganz vergessen.“ Mein Gedächtnis speichert aber alles, was ich erlebe. Und ich bin meinen Gedanken gegenüber oftmals machtlos. Sie kommen und gehen, ohne dass ich sie willentlich beeinflussen kann. „Frau Doktor, verraten Sie mir doch bitte das Rezept, mit dessen Hilfe ich diesen negativen Einschnitt in meinem Leben wenigstens bis zur nächsten Nachsorgeuntersuchung vergessen kann.“ Diese unerfüllbare Bitte fiel mir allerdings erst ein, als ich schon längst die Arztpraxis verlassen hatte.

      Schon eine Woche vor dem vereinbarten Nachsorgetermin bin ich sehr beunruhigt, und die Angst versucht mich vermehrt zu besetzen. Ob diesmal wieder alles in bester Ordnung ist? Aber ich habe in den letzten Jahren dazugelernt, und gehe an solchen schwierigen Tagen besonders liebevoll mit mir um. In der Praxis sieht das so aus, dass ich entweder schreibe oder auch stundenlang male. Bei diesen kreativen Tätigkeiten geschieht es nämlich, dass ich alles um mich herum vergesse, weil ich so positiv ausgefüllt bin, von dem, was mir da gerade mit Herz und Hand gelingt. Ich laufe aus der Realität heraus, und tauche in die Welt der Träume, Sprache, Fantasie und der Farben hinein. Das schafft in mir eine gewisse Leichtigkeit und auch ein Maß an Ausgeglichenheit. Abends gehe ich dann meistens erst spät zu Bett.

      Trotzdem rückt der Tag der Untersuchung unweigerlich heran. Zuversichtlich und gleichzeitig mit bangem Herzen packe ich meine rote Karte und den Überweisungsschein von meiner Gynäkologin in meine Tasche. Weil ich aus Erfahrung weiß, dass ich trotz Terminabsprache mit einer längeren Wartezeit rechnen muss, nehme ich auch noch zur Stärkung einen Apfel mit. Nach einer kurzen Bahnfahrt gehe ich auf dem vertrauten Weg, den ich damals 22mal tapfer im Winter bei Eis, Sturm und Kälte zu den Bestrahlungen gelaufen bin. Die Erinnerung an jene schwere Zeit kriecht jetzt wieder hautnah in mich hinein.

      An diesem sonnigen Septembermorgen jedoch schenken mir die vielen großen Kastanienbäume bereitwillig ihre kleinen runden braunen Früchte. Diese schönen „Kullern“ zaubern eine herrliche Kindheitserinnerung in mir zu Tage, die etwa sechzig Jahre zurückliegt. Mein älterer Bruder warf gezielt Steine in die fruchttragenden Bäume, und ich sammelte später mit Freuden und voller Eifer den "Erntesegen" in eine alte große Tasche. Rückblende zu! Während ich mich nach ein paar besonders schönen Exemplaren bücke, huscht ein kleines Lächeln vorsichtig über mein Gesicht. Pünktlich um zehn Uhr vormittags gehe ich mit betont festen Schritten, damit ich wenigstens nach außen hin stark wirke, durch die Türe der Frauenklinik. Anhand meiner roten Karte werden meine gesammelten Röntgenunterlagen schnell gefunden. Mit diesen, für den Facharzt aussagekräftigen Dokumenten begebe ich mich in den großen Warteraum, und mische mich nach einem „Guten Morgen“ zaghaft unter die bereits wartenden Frauen.

      In der Mitte des Raumes steht ein Tisch, auf dem die üblichen Illustrierten ihren Platz haben. Ein paar farbenprächtige Bilder verleihen den schlichten Wänden ein wenig Heiterkeit. Ich krame aus meiner Tasche mein Buch heraus, lese eine kleine Weile darin, und merke dann aber, dass ich von dem Gelesenen gar nichts in mich aufnehme. Ich befinde mich in einem hoch angespannten nervösen Zustand, einem Ausnahmezustand. Dann wird ein Name aufgerufen. Die Frau verschwindet ganz schnell in einer freien Kabine. Mir ist es zu still zwischen all diesen Leidgeprüften. Wir sind alles Fremde untereinander, und doch verbindet uns eine gemeinsame schwere Erkrankung. Das wissen wir immerhin von unserem Gegenüber. In dieser äußerst angespannten Lage erweist sich mein mitgebrachter Apfel als sehr wohltuend. Bei der Suche nach einem Abfallbehälter kann ich mich wenigstens etwas bewegen. Beim langen Sitzen spürte ich schon eine leichte Verkrampfung. Mit einer bunten Regenbogenzeitung in der Hand setze ich mich auf einen inzwischen leer gewordenen Stuhl. Die bunten Fotos können mich aber auch nicht von meinen hochaktuellen Gedanken ablenken, die jetzt wie wild durch meinen Kopf jagen. Mein vorsichtiger Versuch, diese erdrückende Stille und Sterilität zu durchbrechen, gelingt, und ich habe das Gefühl, dass die neben mir sitzende Frau sich auf mein begonnenes Gespräch bereitwillig einlässt. Wir reden über unsere Erfahrungen, die wir zu verschiedenen Zeiten hier in dieser Klinik gemacht haben. Aber wir teilen uns vertrauensvoll auch den Verlauf unserer Erkrankung mit. Dieser Austausch baut ein wenig meine auflodernden Ängste ab. Ich schaue in die Runde, sehe in die Gesichter, die wie gute Masken das Leid verbergen. Ich denke, wie geschickt können Erwachsene ihr Leid verstecken. Trotzdem bleibt mir das Angespannte in den Gesichtszügen nicht verborgen. Da kommt eine Frau von ihrer Untersuchung zurück. Mir ist, als trage sie jetzt die Sonne auf ihrem Antlitz. Sie braucht es mir gar nicht zu sagen, dass bei ihr alles in bester Ordnung ist. Hoffentlich bin auch ich bald an der Reihe. Meine Ungeduld treibt mich zu einer medizinischen Assistentin, von der ich die Auskunft bekomme: „Heute dauert es leider so lange, weil zwei Ärzte in Urlaub sind.“ Das ist immerhin eine einleuchtende Erklärung für mein übermäßig langes Warten, und ich merke, wie in mir gleich Verständnis für diese außergewöhnliche Lage da ist. Aber hätte man uns ohnehin auf die Folter Gespannten nicht auch ohne mein Nachfragen diese aufklärende Mitteilung machen können? Tapfer setze ich mich wieder auf meinen Stuhl und verkündige den Anwesenden Frauen, weshalb es heute so lange dauert. Zwischendurch werden auch noch Patientinnen im Bett, die von einer Schwester gebracht werden, bevorzugt untersucht. Auf dem angrenzenden Flur herrscht den ganzen Vormittag reges Treiben.

      Mein Magen signalisiert mir, ohne dass ich auf die Uhr zu schauen brauche, dass es schon Mittagszeit ist. Doch dann vernehmen meine Ohren meinen Namen. Schnell stehe ich auf und laufe in die eben freigewordene Umkleidekabine. In diesem tristen winzigen Raum gibt es nicht mal ein Bild oder Poster an der Wand. Etwas Heiteres, Buntes, noch besser Tröstendes könnte ich gerade in dieser Alarmstufe meiner Befindlichkeit gut gebrauchen. Mit fahrigen Händen entkleide ich meinen Oberkörper, und ich setze mich mit meiner umgehängten Strickjacke auf das einzige Möbelstück, den Stuhl. Mich interessiert der Spiegel an der einen Wand im Moment überhaupt nicht. Von innen wird die Kabinentür von einer medizinisch-technischen

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