Gold!. Gerstäcker Friedrich
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„Wer weiß," lächelte der junge Mann düster vor sich hin - „in den Bergen drin - wenn sie so sind, wie ich sie mir denke, - entgeht man vielleicht mancher unangenehmen, unerwünschten Gesellschaft, die uns hier in der Stadt doch aufgedrungen wird. - Ich habe große Lust in die Minen zu gehen."
„Mit Ihrer Frau?"
„Und warum nicht? Wie ich aus den Zeitungen gesehen habe, sind gar nicht so wenig Frauen in den Bergen, und die Sommermonate über muß der Aufenthalt sogar reizend sein."
„Das überlegen Sie sich doch vorher noch recht reiflich, mein guter Mr. Hetson," sagte aber der alte Mann, bedenklich dabei mit dem Kopfe schüttelnd. „Für einen einzelnen Mann geht es wohl, ja; aber eine so zarte Frau wie die Ihrige hielt es am Ende nicht aus, und Sie machten sich nachher die bittersten Vorwürfe. Gold ist schon ein gut Ding, und wir brauchen es nun einmal zu unserem Leben; aber wir dürfen dagegen nichts noch Kostbareres einsetzen, sonst bleiben wir immer die Verlierer, erbeuteten wir auch noch so viel davon."
„Haben Sie keine Sorge, guter Doctor," sagte der junge Mann, „das Gold hat mich nicht nach Kalifornien geführt, und wird mich also auch nicht verleiten, einen thörichten Streich zu begehen. Also auf Wiedersehen, Doctor. - Sie thun mir aber einen Gefallen, wenn Sie nachher einmal nach meiner Frau sehen, Nr. 57. Ich bleibe vielleicht eine /46/Stunde aus, und sie klagte vorhin über heftigen Kopfschmerz."
„Es wird mir ein Vergnügen sein, Mrs. Hetson auf festem Lande zu begrüßen," sagte der alte Herr, und Hetson sprang mit einer freundlichen Handbewegung die Treppe hinab, seinen Gefährten dort aufzusuchen.
Der Doctor folgte ihm langsam, um unten im Hause noch einige Abänderungen in seinem Zimmer zu verlangen. Die californische Lebensart war ihm noch zu fremd - er hatte die deutschen Gasthöfe noch nicht vergessen. Außerdem sehnte er sich aber auch einmal wieder nach einer kräftigen Mahlzeit von grünem Gemüse und frischem Fleisch, was man auf einer so langen Seereise freilich entbehren muß, und zuletzt oft schmerzlich vermißt.
Der Speisesaal - ein großer, mit einer Menge von Tischen besetzter Raum - war zu dieser Tageszeit noch ziemlich leer. Zwischen Mittag und Abend lag immer eine stille Zeit, die nur von geschäftig hin und her eilenden Kellnern benutzt wurde, die Tische wieder für das Souper in Ordnung zu bringen. Das Schicksal der armen, hier nach Kalifornien geworfenen Dame ging dem alten Mann aber doch im Kopfe herum, und er achtete deshalb weniger auf seine Umgebung, als sonst wohl der Fall gewesen wäre. Leise nickte er dabei vor sich hin, als er der heimlichen Beweggründe gedachte, die den geängstigten Mann in die Minen trieben - und war es denn gar nicht möglich, ihn von diesem Wahn zu heilen?
Der Oberkellner - eine dürre, vertrocknete Gestalt - wie alle Uebrigen in Hemdsärmeln, schneeweißer Wäsche, einer Granattuchnadel und einem ächt französischen, sonngebräunten Gesicht, hatte den einzelnen Gast bemerkt und sandte einen seiner dienstbaren Geister zu ihm, zu fragen, was er verlange. Der Geschickte, ein schlanker junger Mann mit blondem Haar und blauen Augen, einem leichten lichten Schnurrbart und einer, für einen Kellner eben nicht passenden, tiefen Narbe auf der rechten Wange, trat zu dem Fremden, die Serviette unter dem einen Arm, den Speisezettel in der Hand:
,,Anything you want, Sir?"
Der Doctor sah langsam, noch ganz in seine Grübeleien vertieft, auf und starrte verwundert in das lächelnd auf ihm haftende Auge des Kellners.
„Und was bringt Sie nach Califormen, Doctor? lachte dieser endlich, indem er dem Doctor die Hand entgegenstreckte.
„Baron Lanzot?" rief der Doctor aber, in vollem Erstaunen von seinem Sitz emporspringend - „guter Gott, spielen Sie Komödie?"
„Wenn Sie wollen - ja," lautete die leichtherzige Antwort des jungen Edelmanns, indem er des Doctors Hand ergriff und schüttelte. „Für zweihundert Dollar per Monat spiel' ich eine kurze Zeit Marqueurs-Rollen, anstatt einem Phantom in den Minen nachzulaufen - dem Phantom des Millionärs."
„Aber um Gottes willen, Baron, wenn das Ihre Eltern erführen - Ihre Mutter grämte sich zu Tode."
„Ich halte sie für eine weit vernünftigere Frau, Doctor. Sie wird mich lieber hier mein Brod in ehrlicher Weise verdienen sehen, als daß ich müßig ginge und vielleicht Schulden machte. Wir, die uns das Schicksal an diese Küste geworfen, arbeiten nun Alle einmal für unser Leben, und während ich einem Theil der Leute hier verlangte Speisen als garcon vorsetze, lasse ich mir von Anderen als gentleman mein Gold aus den Minen graben. Ob das nun direct oder indirect in meine Tasche kommt, bleibt sich gleich - wenn es nur eben den Weg dahin findet."
„Sie sind Philosoph, Baron."
„Bitte um Verzeihung, ich bin Kellner," lachte der junge Mann, „und wenn Sie nicht bald etwas bestellen, werde ich von meinem französischen Vorgesetzten dahinten - ich nenne ihn immer mon capitain - wahrscheinlich eine Nase bekommen."
„Aber ich kann mich doch, weiß es Gott, nicht von Ihnen bedienen lassen?" rief der Doctor ordentlich verlegen aus.
„Sie werden Ihre Freude an mir haben," unterbrach ihn der Kellner, indem er ihm mit einer leichten Verbeugung den Speisezettel vorschob - „bitte, befehlen Sie: beefsteal. roastbeef, mutton chops - Eier, Kartoffeln, Bohnen - mehr Auswahl können Sie nicht verlangen; nur unsere Weine sind vortrefflich, und alle geschmuggelt." /48/
Der Doctor nahm den Speisezettel, schob ihn aber wieder von sich und rief:
„Nein wahrhaftig, Baron, die ganze Geschichte hier kommt mir wie ein toller Spuk vor. Sie, den ich zuletzt in der Soirée des Fürsten Lichtenstein, mit Orden geschmückt, mit der Fürstin selber tanzend, verlassen, finde ich jetzt mit der Serviette unter dem Arm, mit dem Speisezettel in der Hand - oh gehen Sie - Sie haben mich zum Besten."
„Da ich sehe," lächelte der junge Mann, „daß Sie Ihre, in Californien höchst kostbare Zeit nur mit vollkommen nutzlosen Ausrufungen verschwenden, werde ich mich Ihrer annehmen und Ihnen selber etwas zu essen bestellen - ich hoffe, Sie sollen damit zufrieden sein. Wenn Sie nachher die Preise erfahren, werden Sie merken, daß wir hier keineswegs spaßen, sondern bittern Ernst machen."
Der junge Mann ging lachend zum Buffet zurück und ließ den Doctor, noch immer stumm und starr vor Staunen, an seinem Tische, denn so hatte er sich Californien doch eigentlich nicht gedacht.
Baron Lanzot - oder vielmehr Emil mit seinem Kellnernamen, kam indessen bald zurück, servirte äußerst geschickt und blieb dann an der andern Seite des Tisches vor dem Gaste stehen.
„Aber, bester Baron -"
„Emil, wenn ich bitten darf -"
„Es geht nicht, Baron, es geht wahrhaftig nicht," rief aber der alte Mann in Verzweiflung aus - „bedenken Sie, ich bin noch kein Californier."
„Das entschuldigt allerdings Vieles," erwiderte Emil. „Seien Sie übrigens versichert, daß Ihnen da noch Manches zu erleben bevorsteht, von dem Sie sich im Augenblick nichts träumen lassen. Hier in Californien sind alle Bande des gesellschaftlichen Lebens, die wir im alten Vaterlande nur zu oft als unumgänglich nothwendig für jede Existenz halten, gelöst. Jeder lebt für sich, so gut oder so schlecht er kann der Nebenmann kennt ihn nicht, oder bekümmert sich nicht um ihn, und wenn er oben schwimmt, hat er's nur allein sich selber zu verdanken. Wir leben allerdings unter Gesetzen /49/ einer civilisirten Nation, aber auch nur dem Namen nach, denn keine Kraft ist genügend, sie aufrecht zu erhalten, und das Faustrecht blüht deshalb so wunderbar und herrlich wieder hier, wie je im Mittelalter daheim im lieben Vaterlande."
„Aber