Mehnerts Fall. Peter Schmidt

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Mehnerts Fall - Peter Schmidt

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      1

      So hübsch sie auch war – sie hatte immer noch viel von einem Kerl. Es würde ihr ein Leben lang anhängen. Iven betrachtete nachdenklich die Fotografie, er hielt es für möglich, dass gerade das auf Mehnert anziehend wirkte …

      Eine Zeit lang hatte die Abteilung mit dem Plan gespielt, sie auf ein Konstruktionsbüro für Rüstungstechnik bei München anzusetzen. Dort suchte man eine technisch versierte Sekretärin.

      „Hanne“ hatte vor ihrer Zeit in der SPD zwei Semester Maschinenbau studiert. Dann war höchste Weisung gekommen – man munkelte, aus Moskau, vom ZK. Aber über solche Details ließ Störte sich nie aus. Er zog niemanden ins Vertrauen – die übliche Geheimniskrämerei …

      Iven hatte nur erfahren können, dass es mit der Aufstellung weiterer Mittelstreckenraketen zusammenhing. Ihren Freunden in Moskau erschien der Lauf der Verhandlungen unbefriedigend, soviel war sicher.

      Wie schon in der Vorrunde gab es auch diesmal im Bundestag eine starke Mehrheit gegen den sowjetischen Vorschlag, die Rüstung auf dem gegenwärtigen Stand einzufrieren. Das Ergebnis der kommenden Abrüstungsrunde Ende Januar war in Gefahr.

      Die gegenwärtig Politik des Gleichgewichts kostete das sozialistische Lager viele Milliarden Rubel. Geld, das anderweitig benötigt wurde. Jeder Experte begriff schnell, dass eine kapitalistische Hochrüstung den Westen durch Arbeitsplätze und hohe Profite stärkte, die sozialistische Rüstung den Osten dagegen schwächte, weil sie seine Kräfte von wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben abzog.

      Fortdauernde materielle Unterlegenheit aber musste im Bewusstsein der Massen wie ein Zeitzünder wirken …

      Wenn man die Rüstung auf dem gegenwärtigen Stand einfror, würde das sozialistische Lager fähig sein, seine ganze Wirtschaftskraft auf die Deckung von Konsumwünschen zu richten. Daran war der Westen nicht interessiert. Er täuschte Abrüstungsbereitschaft vor, unterlief jedoch die Verhandlungen, wo er konnte.

      Mehnert galt als Falke und einflussreichster Vertreter dieser Politik in Bonn. Solange er Parteivorsitzender blieb, würde er seinen Einfluss geltend machen – dem Kanzler gegenüber, der in der Frage nach den Erfahrungen des ersten Nachrüstungsbeschlusses eher zum Ausgleich neigte, wie in der eigenen Fraktion. Sein Rücktritt hätte einen wichtigen Schritt gegen den Nachrüstungsbeschluss bedeutet. Ob auch den entscheidenden, musste die Zukunft zeigen.

      Iven nahm an, dass es wie üblich nur der einzelne Pfeiler eines noch größeren Gebäudes in der Rüstungspolitik war, an dem das Moskauer Politbüro baute. Er hatte herausgefunden, dass Störte über eine Analyse verfügte, die entweder aus dem ZK der SED oder direkt aus Moskau stammte.

      Dass er sie vor ihm geheim hielt, schrieb Iven seinem zur Gewohnheit gewordenen Misstrauen zu. Er hielt ihn für seinen potentiellen Nachfolger und ließ bei jeder Gelegenheit durchblicken, dass Iven auch mit noch so viel Protektion durch Kuznow und die – wie er sich auszudrücken pflegte –“übrigen Politbürogangster“ nicht mit seinem vorzeitigen Abgang rechnen könne. Woher diese fixe Idee stammte, blieb Iven ein Rätsel.

      Störte war ein kleiner, ständig hüstelnder Mensch. Respektlos, aber zuverlässig.

      Iven schätzte an ihm, dass er niemandem aus der Partei nach dem Mund redete. Wenn er sein Büro in der Prenzlauer Allee verließ, eine geheime Dependance des Ministeriums für Staatssicherheit, stieg er noch im Sichtschutz des Hofes in seinen uralten schwarzen Wolga.

      Iven vermutete, dass er seit Jahren keine Straße mehr betreten hatte – aus Furcht, von einem westlichen Geheimdienstler abgelichtet zu werden!

      Er rauchte nicht, betrank sich selten und war für keinen Außenstehenden zu sprechen. Ein seltsamer Einsiedlerkrebs, der das Tageslicht scheute und trübes Lampenlicht bevorzugte.

      Seine koryphäenhafte Bildung und Intelligenz und sein Lebensstil befähigten ihn, in der Hierarchie bis ganz oben aufzusteigen …

      In all den gemeinsamen Jahren hatten ihm Störtes Misstrauen und seine Vorbehalte die Arbeit nicht gerade erleichtert. Doch mit dem Fall Mehnert schien ihr Verhältnis in eine neue Phase einzutreten …

      „Es ist die Chance Ihres Lebens“, erklärte er kurz vor Ivens Abreise in die BRD. “Setzen Sie Hanno (er sagte “Hanno“ statt„Hanne“) auf Mehnert an. Organisieren Sie das. Sie bekommen jede Unterstützung. Unser gesamter Apparat drüben im Westen steht Ihnen dafür zur Verfügung.“

      „Und Achenbach?“

      „Ohne Ausnahme, alle zu Ihrer Verfügung – wie ich sagte.“

      Er hüstelte und musterte ihn merkwürdig, wobei sein großer Kopf mit dem operierten Stirnknochen – er war während des Krieges in Polen von einem Granatsplitter verwundet worden – aufmunternd nickte.

      Iven fragte ihn, wie hoch er das Risiko einschätze, ihn in den Westen zu schicken.

      „Sie haben ja Ihre Frau hier in Berlin“, erklärte er. “Sie kommen schon zurück.“

      Natürlich wusste er, dass Iven nicht auf das Thema “Republikflucht“ anspielte.

      Die bundesdeutschen Dienste würden an einem Mann aus dem Planungsstab höchst interessiert sein. Und es gab genügend Leute im Ministerium, die in der praktischen Arbeit mehr Erfahrung besaßen als er. Aber anscheinend setzte Störte das Risiko für ihn aus irgendwelchen Gründen nur gering an. Oder seine Weisungen von oben waren so präzise, dass ihm keine andere Wahl blieb.

      „Sie sind dreißig“, sagte er. “Das richtige Alter. Wir haben einen blendenden Austausch vorbereitet. Alle Daten stimmen: Aussehen, Körpergewicht, selbst die Brille …“ Damit reichte er ihm eine Mappe. “Es gibt niemanden im Ministerium, der ihm so ähnlich sieht. Der Mann heißt Karwel und sitzt in einem Prager Gefängnis ein. Er ist vor einer Woche wegen Devisenvergehens festgenommen worden. Sie übernehmen seine Rolle und seine Wohnung in Köln. Das Haus wird seit Wochen von uns observiert, es ist einwandfrei. Von dort aus leiten Sie Hannes Aktion. Karwel ist arbeitslos und ledig. Falls Bekannte auftauchen, werden wir sie Ihnen vom Leibe halten.“

      Er schwieg und musterte Iven.

      „Wurde Karwels Strafe mit den Tschechen abgestimmt?“

      „Vier Monate.“ Störte nickte und lächelte zufrieden. “Lässt sich bei Bedarf verlängern.“

      „Und Sie sind sicher, dass die Presse noch nicht von seiner Verhaftung Wind bekommen hat?“

      „Anscheinend vermisst ihn niemand. Morgen Abend nehmen Sie seinen Platz ein. Das wird seine Nachbarn beruhigen. Alles Weitere steht in der Mappe. Sie kennen ja die Prozedur: auswendig lernen und vernichten.“

      Störte reichte ihm die Hand.

      Iven machte ein paar zögernde Schritte zur Tür in dem düsteren Altbaubüro, das bis unter die Decke vollgestopft war mit Aktenregalen und in dem nie mehr als eine einzige Vierzigwatt-Glühbirne brannte. Dabei dachte er, dass er in den acht Jahren, seit man ihn von der VP auf diesen Posten versetzt hatte, kaum jemals so freundlich von ihm behandelt worden war. Er schloss daraus, es müsse viel für Störte auf dem Spiel stehen. Vielleicht sogar alles.

      „Und … Karwel“, rief Störte ihm nach, als Iven schon an der

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