Mehnerts Fall. Peter Schmidt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mehnerts Fall - Peter Schmidt страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Mehnerts Fall - Peter Schmidt

Скачать книгу

ihn aufblicken ließ.

      Er starrte Iven an, und die Kriegsnarbe an seinem Schädel füllte sich mit Blut und wurde blauviolett.

      „Da ist überhaupt nichts, was im ZK gegen mich verwendet werden könnte“, sagte er mit heiserem Tonfall und streckte seine Hand aus. Er litt an krankhaftem Misstrauen. Iven verzog keine Miene, als er ihm die Unterlagen reichte.

      Dann ließ Störte die Mappe langsam vor Ivens Augen durch den Papierschnitzler laufen.

      Die ZETKIN-Dokumente hatten unter einem Stapel Akten gelegen.

      Im selben Moment, als sie über einen hellerleuchteten Bahnübergang fuhren, öffnete sich die Abteiltür und das Licht wurde eingeschaltet …

      „Pass und Gepäckkontrolle.“

      Es war eine der Volkspolizistinnen, die im Grenzverkehr Dienst tun. Ihr Blick wanderte durch das Abteil. Sie war höchstens vierzig, aber die Uniform ließ sie älter erscheinen. An der Art, wie sie Iven musterte, erkannte er, dass sie ihn für einen Westdeutschen hielt. “Ist das Ihr ganzes Gepäck?“

      Iven nickte.

      „Bitte öffnen.“

      Sie sah in den Pass und dann in die Reisetasche. “Was ist das?“, fragte sie und zeigte auf ein rotes Lederetui. Iven konnte nur raten.

      „Maniküre“, sagte er.

      „Bitte öffnen.“

      Das Etui enthielt Schreibzeug.

      „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“, fragte sie mit sächsischem Dialekt und musterte ihn arrogant.

      „Nein, entschuldigen Sie, ich hatte es mit meinem Maniküreetui verwechselt. Es hat die gleiche Farbe“

      Sie musterte ihn prüfend. “Das müssten Sie aber bemerkt haben. Waren Sie in der DDR?“

      Er schüttelte den Kopf.

      „Bitte noch einmal Ihren Reisepass.“

      „Was ist daran so ungewöhnlich“, erkundigte sich Iven, während er den Pass aus der Tasche zog, “wenn man zwei Etuis verwechselt?“ Sie gab keine Antwort und sah in das Dokument.

      „Im Namen der Deutschen Demokratischen Republik wünsche ich gute Weiterreise.“

      Sie verließ das Abteil. “Lieber Himmel“, murmelte Iven.

      Das war also der Eindruck, den ein Westreisender hatte. Einen Moment lang war er in seine Rolle geschlüpft – und es war merkwürdig genug. Er fühlte sich nicht besonders gut dabei. Seine Gefühle waren eher zwiespältig.

      Er stand auf und sah in den Gang hinaus. Draußen brannte nur eine grüne Deckenleuchte. Ein Westdeutscher würde das alles mit einer spöttischen Bemerkung abgetan haben. Natürlich ärgerte es ihn, dass er sich das Gepäck nicht angesehen hatte.

      Er stellte sich ans Fenster, um sich eine Zigarette anzuzünden, da sah er sie mit einer zweiten Polizistin den Gang heraufkommen. Keine Gefahr, dachte er. Es ist absolut harmlos. Wir sind auf ost-deutschem Gebiet. Es war lächerlich, die Ruhe zu verlieren. “Herr Karwel?“, fragte sie.

      Die andere war groß und hager und hielt eine Stange, an deren Winkelende ein Spiegel angeschraubt war.

      „Abteilkontrolle“

      „Wenn Sie etwas Bestimmtes suchen – vielleicht kann ich Ihnen helfen? Seit Berlin bin ich allein im Abteil.“

      „Treten Sie beiseite“, sagte die erste.

      Zwei Abteile weiter wurde eine Schiebetür geöffnet. Das neugierige Gesicht einer alten Frau erschien.

      Die Polizistin mit der Stange begann den Raum unter den Sitzen abzusuchen. Als sie dort nichts fand, suchte sie im Spiegel das Gepäckfach über der Tür ab; sie leuchtete jeden Winkel aus. Die andere stand mit verschränkten Armen neben ihr. “Falls Sie Westzeitungen suchen …“, bemerkte Iven bissig, “– ich könnte Ihnen bei meiner nächsten Fahrt welche mitbringen?“

      „Werden Sie nicht unverschämt, Herr Karwel. Sie befinden sich immer noch auf dem Gebiet der DDR.“

      Die andere nahm die Stange mit dem Spiegel herunter und sah Iven an. “Für einen Westdeutschen sprechen Sie recht merkwürdig“, sagte sie. “Haben Sie früher in der Deutschen Demokratischen Republik gelebt?“

      Iven schüttelte den Kopf. Karwel war in der Nähe von Augsburg aufgewachsen.

      Als sie endlich gegangen waren, lehnte er sich in die Polster zurück und zündete sich nervös eine Zigarette an.

      Der Zug erreichte die Grenze gegen drei Uhr morgens. Irgendwann nach zwei Dritteln der Strecke hatten sie die Elbe überquert. In der beginnenden Morgendämmerung sah das Land mit seinen grünen Weiden und den ziehenden Bodennebeln gar nicht viel anders aus als zu Hause.

      Bei der Einreise hatte es keine Probleme gegeben. Iven trank einen Kaffee im Speisewagen.

      Es mochte an der frühen Stunde oder an dem Wasser liegen – das Zeug schmeckte genauso schlecht wie der Kaffee, den sie im Büro tranken!

      Danach ging er ins Waschabteil, um sich zu rasieren. Der fremde Rasierschaum aus seiner Reisetasche roch nach Zitrone.

      Auf westdeutschem Gebiet war eine ältere Dame zugestiegen. Sie trug einen Fuchs, und ihre Finger waren mit Ringen bestückt. Es brauchte nur ein freundliches Kopfnicken, um zu erfahren, dass sie ihre Rückfahrt von einer Besuchsreise in den Osten unterbrochen hatte.

      Iven hielt wenig von den Reisen der Westler. Sie setzten den eigenen Leuten nur Flöhe in den Kopf. Es war ähnlich wie bei den Intershop-Läden: Wenn sie westdeutschen Kaffee mit ostdeutschem verglichen, westliche Automarken mit östlichen … dann wurden sie immer nachdenklich.

      Aber er sah die Verwestlichung des Ostens nicht als so gefähr1ich an wie Vera. Das war immer ein strittiger Punkt zwischen ihnen gewesen. Nicht, dass es ihrer Beziehung wirklich geschadet hätte.

      Nur manchmal – wobei der wahre Grund wie in jeder Ehe meist in etwas anderem lag – gerieten sie deswegen aneinander.

      Zum Glück hatten sie keine Kinder, die man da mit hineinziehen konnte. Morgens gingen sie gemeinsam aus dem Haus. Ihre Wohnung lag außerhalb des Zentrums in der Neubausiedlung Leninistischer Friede.

      Während der Busfahrt hatten sie Gelegenheit, sich zu streiten. Vera verstand es immer, ihn durch das, was sie verschwieg oder durch ihr Mienenspiel, zu provozieren – darin war sie grundverschieden von ihrem Vater.

      Nach allem was er wusste, lagen die Schwierigkeiten hauptsächlich bei der Arbeit im Naturkundlichen Museum: Sie hätte liebend gern einen verantwortlichen Posten in der Partei übernommen.

      Aber aus für sie unerklärlichen Gründen war Kuznow dagegen. Er war eine ehrliche Haut und sagte, was er dachte. Hinterhältigkeiten nach der Art Störtes lagen ihm nicht.

      Andererseits war durch seine in der Abteilung vielbeschworene sogenannte “Protektion“ nie mehr herausgekommen als diese Neubauwohnung …

Скачать книгу