Mehnerts Fall. Peter Schmidt

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Mehnerts Fall - Peter Schmidt

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einen Bürstenhaarschnitt und hochhackige Schuhe.

      Für einen Mann Mitte Vierzig – mit seinem ausgeprägten Hang zum angenehmen Leben – war er erstaunlich hoch in die Parteienhierarchie aufgestiegen. Ein Ministeramt schien er nie angestrebt zu haben. Er war der Typ, der hinter den Kulissen die Weichen stellt. Aus einer in frühen Jahren geschiedenen Ehe gab es eine Tochter, die in der Schweiz lebte.

      Weder diese Scheidung noch seine Affären mit den Sekretärinnen der Bonner Abgeordnetenszene hatten ihm schaden können, er saß fest im Parteisattel: Dabei war sein Einfluss während der Abrüstungsdebatte eher noch gewachsen. Hinter ihm stand eine solide Mehrheit – wenn alles gut ging, würde sie ihren führenden Kopf verlieren.

      Wie die Abteilung herausgefunden hatte, schlüpfte er immer einmal wieder durch die Maschen der Abschirmung, besonders im Ausland. Die Sicherheitsleute hatten es nicht leicht mit ihm. Sein Hang zu ausschweifendem Privatleben hatte ihn schon zweimal in brenzlige Situationen gebracht.

      Im vorigen Sommer war er während einer Portugalreise verschwunden. Zwei Tage später entdeckte man ihn in einem kleinen Hotel an der Algarve. Es hieß, er sei dort allein angetroffen worden.

      Doch nahm keiner dem alten Halunken ab, es habe ihn nur nach ein paar Tagen mönchischer Einkehr verlangt. Wahrscheinlich war eine Frau im Spiel. Offiziell sprach man von einem Geheimtreffen mit dem portugiesischen Sozialminister. Da es kein Dementi gab, ließ sich der Fall nie widerlegen.

      Iven konnte nur hoffen, dass Hanne sein Typ war.

      4

      Er war überrascht, wie wenig Notiz eine Umgebung von ihm nahm. Die Leute hatten vollauf mit sich selbst zu tun. Von der rheinischen Wesensart schien im hektischen Straßenverkehr und Einkaufsrummel wenig übrig zu bleiben. Iven konnte das nur recht sein. Er wurde von niemandem angesprochen und sprach selbst niemanden an.

      Unter dem Eigelsteintor war Markt, und Iven ersetzte Karwels Socken, die ihm um einiges zu groß waren, an einem Textilstand durch drei kleinere Paare. Das städtische Treiben außerhalb des Zentrums erinnerte ihn ein wenig an Berlin.

      Die Zeitungen waren unerhört offen, aber die Leute schienen sich daran gewöhnt zu haben.

       Er genoss es, sich treiben zu lassen …

      Seit Monaten, seit der Tretmühle der Abteilung, nächtlichen Sitzungen, eintreffenden Depeschen, die entschlüsselt und beantwortet werden mussten, den kleinen täglichen Siegen und Niederlagen, die nicht weniger Nerven kosteten als die großen, war er kaum zur Ruhe gekommen.

      Von hier aus kam ihm seine Arbeit beinahe unwirklich vor. Die kleinen Leute um ihn her sahen keinen “Klassenfeind“. Für sie war er nicht mehr als ein Phantom. Die Rede vom „Sieg des Proletariats“ wäre ihnen nur eine hohlklingende Phrase gewesen. Wenn sie schimpften, dann so, wie man überall in der Welt schimpft.

      Wenn sie unzufrieden waren, dann wegen ihrer ganz persönlichen Ängste und Sorgen – Beulen im Kotflügel, Ansteigen der Ölpreise waren ihnen wichtiger.

      In den nächsten Tagen erledigte er verschiedene Wege.

      Er hob von Karwels Bank einen größeren Geldbetrag ab, der ihm durch den Holländer überwiesen worden war, kaufte in den umliegenden Geschäften ein, beim Krämer an der Ecke wurde er diskret auf eine offenstehende Rechnung hingewiesen, brachte Kleidung in die Wäscherei und verhielt sich wie er glaubte, dass sich ein arbeitsscheuer Stempelgeldempfänger verhalten hätte.

      Der Aufforderung des Arbeitsamtes zur Meldung kam er nicht nach, das schien ihm zu gefährlich. Er riskierte lieber eine Sperrfrist.

      Auf Karwels Geld war er ohnehin nicht angewiesen. Die eigenen Leute – und erst recht die Russen – knauserten nicht, wenn es um wichtige Projekte ging. Da Karwel sein Spielchen schon über einen längeren Zeitraum trieb, würde er den Berufsberatern zur Genüge bekannt sein. Eine einzige falsche Bemerkung konnte ihn verraten.

      Niemand nahm Notiz von ihm, niemand schien ihn vermisst zu haben. Nicht ein einziges Mal sprachen ihn Nachbarn im Haus an.

      Er wurde höflich gegrüßt, doch im übrigen gingen sie ihm aus dem Weg. Iven gewann den Eindruck, dass Karwel zwar gut bekannt in dem Viertel, aber nicht sonderlich gern gesehen war. Es traf auch keine weitere Post ein.

      Bei der Bank teilte man ihm mit, dass er sein Konto um neunhundert Mark überzogen hatte. Nach der Überweisung des Holländers, die vom Konto einer Scheinfirma in Krefeld stammte, und der Anrechnung der Überzugszinsen sah man den Fall als erledigt an. Karwels Unterschrift bestand aus einem “K“ mit angehängter Schlangenlinie – sie war kinderleicht zu fälschen und hatte ihn nicht mehr als drei Versuche auf dem Küchentisch gekostet.

      Iven gewöhnte sich an seine neue Rolle. Er überstürzte nichts. Das erste Zusammentreffen Hannes mit Mehnert sollte Anfang Juli sein, wenn sich aus organisatorischen Gründen eine günstige Gelegenheit bot. Der Abteilung war auch bekannt, dass der Parteivorsitzende danach eine Reise plante.

      Ivens Plan sah vor, zunächst die “Operationsbasis“ zu sichern. Er bewegte sich immer unbekümmerter in der Umgebung. Nur die Kneipen, in denen Karwel womöglich verkehrt hatte, mied er lieber.

      Ein alter Zechkumpan hätte ihn zu leicht erkennen und sein Spiel entlarven können …

      Da er nichts von Billard verstand, würde man sich auch wundern, wenn er jede Einladung zu einer Partie ablehnte. Um dem vorzubeugen, besorgte er sich in der Apotheke ein Pflaster, das er in seine linke Handfläche klebte. Notfalls konnte er immer noch behaupten, er sei Karwels Zwillingsbruder und habe die Wohnung während nur seiner Abwesenheit übernommen.

      Der Apotheker, ein dickbauchiger Mann mit verschwitzten Händen, nahm ihn beiseite. Besorgt versuchte er ihn davon zu überzeugen, dass Karwel in Zukunft auf seine Dienste verzichten müsse. Bei der Kasse sei bereits eine Untersuchung eingeleitet worden – er habe einen Hinweis bekommen.

      Iven musste ein paar verdeckte Fragen stellen, bis er verstand, worum es sich handelte. Der Andere schüttelte deswegen den Kopf, als hielte er ihn nur für ein wenig zerstreut.

      Immerhin war jetzt klar, dass Karwel von ihm Valeron bezogen hatte, ein starkes Schmerzmittel. Offenbar ohne Rezept.

      „Gehen Sie zu einem Arzt! Lassen Sie sich das Zeug um Himmels willen legal verschreiben“, beschwor er ihn. “So starke Analgetika haben auch ihre Nachwirkungen. Sie tun sich keinen Gefallen damit.“ Er wirkte ziemlich nervös.

      Schließlich ging er doch noch an ein Regal und drückte ihm eines der blauetikettierten Fläschchen in die Hand.

      Als Iven ohne weiteres darauf einging, war er sehr erleichtert.

      „Wie viel bekommen Sie?“, fragte Iven. “Wie immer?“

      „Nein, nein.“ Er hob abwehrend die Hände. “Betrachten Sie es als ein …“ Dabei sah er ihn fast flehentlich an.

      Iven nickte. “Verstehe … schon gut. Machen Sie sich keine Sorgen.“

      Als er den Laden verlassen hatte, bemerkte er von der anderen Straßenseite aus, dass der Apotheker ihm in seltsam starrer Haltung nachblickte.

      Das alles bestätigte seinen Verdacht. Mit Karwel hatte die Abteilung keinen glücklichen Griff getan. Er war nicht

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