Mehnerts Fall. Peter Schmidt

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Mehnerts Fall - Peter Schmidt

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setzen Sie sich doch!“, erklärte sie schwach. “Ihr Stehen macht mich nervös.“

      Iven tat ihr den Gefallen.

      „Falls Sie glauben, ich hätte Skrupel wegen der sogenannten ‚Amoralität’ des Auftrags, oder wie auch immer Sie es nennen wollen. Für mich ist es nicht unmoralisch. Wir sind vollwertige Menschen mit gleichen Rechten. – Es ist nichts, was man sich aussuchen könnte.“

      Daran hatte er nichts auszusetzen.

      „Man kommt schließlich so auf die Welt.“

      Auch das hätte er nicht geleugnet.

      „Unsereins hat es nicht leicht“, fuhr sie fort. “Wenn wir manchmal wenig umgänglich wirken, dann, weil wir unsere Empfindsamkeit hinter einer zerbrechlichen Maske verbergen. – Denken Sie bloß nicht, ich hätte das Gefühl, Mehnert zu täuschen. Ich spiele ihm nichts vor, ich bin, was ich bin. Ich fühle mich wirklich so“, erklärte sie leise, beinahe tonlos.

      „Ich fühle mich“ – sie zögerte und sah Iven hilfesuchend an –“als Frau …

      Iven gab ihr zu verstehen, er habe nie daran gezweifelt. Die Wahl sei aus purem Zufall auf sie gefallen. “Ihre Geschlechtsumwandlung ist absolut bedeutungslos“, log er. “Stände uns im nordrhein-westfälischen Raum eine andere fähige Agentin zur Verfügung, wir würden nicht zögern. Komplikationen sind aber unwahrscheinlich. Vermutlich wird es Mehnert überhaupt nicht auffallen. – Übrigens glaube ich, dass Sie sein Typ sind.“

      Das hatte gesessen. Sie musterte ihn neugierig.

      „Ich bin einverstanden, unter der Voraussetzung, es ist mein letzter Auftrag. Damit wäre die Sache dann ausgestanden, okay?“

      „Sie nehmen Ihr Geld und verschwinden“, sagte Iven, obwohl das gelogen war “Im Erfolgsfall, das heißt, wenn der Informationswert Ihrer Arbeit hoch genug ist, erhalten Sie noch ein Zugeld.“

      „Das kann ich gut gebrauchen“, sagte sie erleichtert. “Professor Ducassé will eine Korrektionsoperation vornehmen. Ich möchte Sie nicht mit Einzelheiten belasten, es wäre zu peinlich.“

      Mit einem Mal war sie folgsam wie ein Kind, das auf die Bescherung unter dem Christbaum hoffte …

      „Aber die Reise nach Lyon, dann die Operation, mein Aufenthalt in der Klinik – ich rechne mit zwei bis drei Wochen. Das alles verschlingt nun mal eine Menge Geld …“

      „Wir werden sehen, was sich tun lässt. Die Abteilung ist in solchen Fällen nicht kleinlich.“

      Iven hatte schon früh gelernt, dass die Motivierung in solchen Fällen von entscheidender Bedeutung war. Politische – oder “moralische“ – Motive waren stärker als finanzielle, allen Unkenrufen zum Trotz, das zeigte die Erfahrung. Wenn ein Agent den Glauben an seine Ziele verlor, drohte er über kurz oder lang auf der Strecke zu bleiben.

      Er hatte während seiner Zeit in der Abteilung zwei Abgänge und fünf Zugänge erlebt.

      Der Marxismus besaß immer noch genügend Anziehungskraft. Und stets waren für den Wechsel andere als finanzielle Motive verantwortlich gewesen – oft bizarre, krause, manchmal idealistische Vorstellungen –‚ wobei sich in der Regel weder die Ideen noch die Wirklichkeit darum scherten, einander auch nur annähernd zu entsprechen …

      „Und im gegenteiligen Fall?“, erkundigte sie sich – vielleicht wegen seines Schweigens argwöhnisch geworden.

      „Wird Ihnen nichts abgezogen.“

      „Sie wollen sagen, es genügt, wenn ich …?“

      „Wenn Sie Ihre Rolle bis zum Ende durchhalten.“

      Als er ihren fragenden Gesichtsausdruck sah, wusste er, dass er gewonnen hatte.

      Gut, gut …“, sagte er zufrieden. “Ausgezeichnet! Es freut mich, dass wir unsere Kontroverse begraben können. Klären wir jetzt die Einzelheiten der Operation. Wie Sie bereits wissen, nennen wir es das ‚M’-Projekt.“

      Er hatte richtig vermutet! Nach den Pflichtprotesten, den Vorbehalten und Bedenken, in deren Schutz man sich selbst die Notwendigkeit vorgaukelte, sich zu einem – aus westlicher Sicht – ziemlich miesen Geschäft durchringen zu müssen, war sie willig auf die Linie der Abteilung eingeschwenkt.

      Sie hatten sich in das mit Büchern und Zeitschriften überladene Zimmer unter die Mansardenschräge der Fensterseite gesetzt; sie ihm gegenüber auf das veloursbezogene Rundsofa – mit spitzen Knien, über denen der krampfhaft zusammengeraffte Seidenkimono immer wieder aufsprang, er neben der Stehlampe in den Ohrensessel, unter deren kreisrundem Lichtschein er seine Skizzen, Notizen und Zeitpläne ausbreitete, von denen nachher nur verbranntes Papier im Ascher übrig blieb.

      Die Leichtigkeit, mit der sie ihm folgte, die Selbständigkeit, mit der sie nicht Selbstverständliches vorwegnahm, nötigte ihm Hochachtung ab.

      Sie war viel mehr als nur der kleine, seinem Hang zur Lust verfallene Schwule, den Agenten aus Mehrholds Abteilung, dem Vorgänger Störtes, der jetzt in der SED das Amt des Chefinquisitors innehatte, im Rotterdamer Hafenviertel auflasen. Man munkelte, er sei der Sohn eines französischen Dorfschullehrers und einer deutschen Industriellen.

      Diese und andere Versionen blieben jedoch im Dunkeln, da sich Hanne über ihre Vergangenheit ausschwieg. Als man ihn – als “Hanno“ – aufgabelte, war er ungefähr so weit unten, wie ein Mensch nur sein kann, ehe er sich vor einen Güterzug wirft oder von der nächsten Brücke springt …

      Möglich, dass van Megeren, ein holländischer Spitzel, ihm durch seinen Antrag das Leben rettete! Über ein halbes Jahr lang lebten sie in dem holländischen Küstenbadeort Domburg nahe der belgischen Grenze und führten etwas, das man laut van Megerens Auskunft nur mit einer gehörigen Portion Ignoranz nicht als“ glückliche Ehe“ bezeichnen konnte.

      Er war es auch, der herausfand (vielleicht hatte er es ihm in einer schwachen Stunde entlockt), dass Hanno nach dem Tode der Mutter zu einem Onkel zog, einem haltlosen Trinker, wo er den Rest seiner Kindheit als Junge verbrachte; er war technisch begabt, auch ansonsten ein aufgewecktes Bürschchen, und sein Hang, sich Frauenkleider anzuziehen, belustigte den alten Säufer eher, als dass er ihn nachdenklich stimmte.

      Als Hanno sechzehn Jahre alt war, zogen sie aus der westfälischen Kleinstadt fort.

      Danach verlor sich seine Spur. Soviel man wusste, landete er nach einem abgebrochenen Studium des Maschinenbaus in Rotterdam. Während der Zeit mit van Megeren musste er die ganze Tragweite seiner Veranlagung erkannt haben.

      Er hörte von Kliniken in den USA und Frankreich, wo man Geschlechtsumwandlungen vornahm.

      Durch Hormonbehandlungen und eine aus den Resten der entfernten Genitalien nachgebildete Vagina ließen sich Menschen fabrizieren, die sich zumeist ohne viel Aufhebens in ihre neue Rolle einfügten. – Van Megeren setzte ihn auf einige kleinere Projekte an; und eines Tages präsentierte er ihn der Abteilung.

      Mehrhold begriff, dass er sich mit geringem Aufwand – den Kosten für eine Operation – ein dankbares und gefügiges Werkzeug verschaffen konnte:

      Hanno besaß einen westdeutschen Pass; seine Vergangenheit war nicht gerade sauber – aber sie ließ sich leichter schönen als sich ein im Osten gedrillter Agent unter den

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