Sehen will gelernt sein. Wilfred Gerber
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„Ja, Horst.“ Die Kommissarin betrachtete konzentriert die Zeichnungen. „Du hast wahrscheinlich recht. Jetzt kann ich Ähnlichkeiten erkennen. Man muss nur drauf gebracht werden. Dein Verdacht könnte stimmen. Den anderen willst du sicher noch nichts sagen, vermute ich mal.“
„Nein, vorerst nicht. Ich möchte mir erst sicherer sein, dass das wirklich unser Mann ist oder wenigstens einer aus der Gruppe. Ich brauche noch mehr Kofferfotos zum Vergleich.
Kannst du sie mir unauffällig besorgen? Ich möchte sie ungern selbst anfordern. Das verstehst du doch, Susanne? Ich will mich mit meiner Vermutung weder beim Polizeirat noch bei den Mitarbeitern blamieren.“
„Ja, Horst, ich verstehe das. Wir tappen mit unseren Ermittlungen seit Monaten im Dunklen, da willst du mit deiner Hypothese keine übertriebenen Erwartungen wecken. Ich mache mich gleich an die Arbeit und suche dir die Kofferbilder raus. Mach mir bitte eine Kopie vom Phantombild. Ich werde es zuerst allein mit den Überwachungsabzügen vergleichen, dann nehmen wir uns gemeinsam noch einmal alle Quellen vor. Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht endlich einen Ermittlungsansatz finden würden. Du kannst dich auf mich verlassen. So wie immer, mein Lieber.“ Traurig und stumm verließ sie Kruses Büro, hatte sie nach seiner offenen Annäherung auf eine andere Reaktion gehofft, wieder einmal, wie so oft in letzter Zeit, wurde sie enttäuscht.
Wenn es mir gelingt, Horsts Hypothese zu stützen, wäre die halbe Miete im Sack, dachte sie aufgeregt, ließ sich aber nichts anmerken, als sie Kommissar Reuter von der hessischen Arbeitsgruppe um seine Überwachungsabzüge bat. „Ich nehme diese vier kurz mit, mache davon Kopien und bringe Ihnen die Originale gleich wieder zurück.“
Sie legte die sechs ohne Aktenkoffer auf Reuters Schreibtisch, eilte ungeduldig zum Sekretariat der Abteilung am anderen Ende des Flures.
„Frau Wolf“, bat sie die Sekretärin. „Könnten Sie mir bitte von diesen vier Fotos Kopien machen. Ich sage es ungern, es eilt sehr. Der Chef wartet ungeduldig auf sie. Wie wir ihn alle kennen, gehört Warten nicht zu seinen Kardinaltugenden.“
Widerstrebend und missmutig verließ Frau Wolf ihren Arbeitsplatz hinter der Schreibmaschine. „Es eilt ja immer, Frau Richter. Warten Sie einen Moment, dann können Sie die Kopien gleich mitnehmen.“
„Danke, Frau Wolf, Sie haben etwas gut bei mir.“
Die Kommissarin eilte mit den vier Kopien aus dem Sekretariat und brachte, bevor sie ihr Büro betrat, Reuters Originale zu ihm zurück.
In die Mitte des Schreibtisches legte sie Kruses Phantomzeichnung, Reuters Kopien gruppierte sie im Kreis. Versonnen goss sie sich im Stehen Kaffee in die Tasse. In kleinen Schlucken trank sie ihn, starrte dabei auf die ausgebreiteten Abzüge und die Zeichnung.
Lange Minuten vergingen, bis sie sich besann, eine starke Lupe aus der Schublade zog und Schritt für Schritt die Körper und Gesichter miteinander verglich.
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