Der letzte Weg des Dr. Dembski. Benedict Dana

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Der letzte Weg des Dr. Dembski - Benedict Dana

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tadellosen Umgangsformen und seiner Fähigkeit außergewöhnlich gut mit Menschen umzugehen wurde Dembski des Öfteren für repräsentative Aufgaben herangezogen - nicht nur deshalb wurde er auch das „menschliche Gesicht von Langley“ genannt.

      Aus der Sicht echter Profis des geheimen Außendienstes, für den die CIA traditionell die bedeutendste Organisation war, müsste es schlecht durchdacht wirken, dass sich Dembskis Ehefrau Eliza an diesem Abend wie zufällig genau dort auf dem Parkplatz unweit der Stelle befinden würde, wo der hochrangige kanadische Besucher verabschiedet werden sollte. Allerdings hatte sich dieses scheinbar unprofessionelle Vorgehen bereits dreimal sehr bewährt und alles sprach dafür, dass die Übergabe des kleinen „Delta Cores“ an seine Frau auch ein viertes und letztes Mal gut gehen würde.

      -

      Kurz bevor Dr. Dembski zu seinem Vortrag anhob, blickte er noch einmal durch die Reihen des Auditoriums und erkannte viele vertraute Gesichter. Einige der Anwesenden waren ihm über die Jahre zu guten Bekannten geworden, weil er sie regelmäßig psychologisch beraten hatte. Im Grunde handelte es sich um seine Abschiedsrede, auch wenn sein Ausscheiden aus dem Dienst noch nicht offiziell mitgeteilt worden war. Er hätte bei dieser Gelegenheit gerne aus der berühmten Rede zitiert, die John F. Kennedy am 27. April 1961 vor der Vereinigung der amerikanischen Zeitungsverleger im Waldorf Astoria Hotel in New York gehalten hatte und in der er so deutlich wie nie zuvor vor den Gefahren exzessiver Geheimhaltung gewarnt hatte. Aber natürlich durfte er sich in seiner besonderen Lage zu einer solchen Versuchung nicht hinreißen lassen, um nicht etwa noch in seinen letzten Tagen in Langley unnötig aufzufallen.

      Während er über das Thema eigenmächtiger Geheimdienstoperationen in rechtsfreien Räumen sprach - womit er nicht zum ersten Mal im Sinne seiner Vorgesetzten unter den Zuhörern den Eindruck erweckte, eine Vereinigung wie die CIA müsste dieses Problem durch verantwortungsvolle Spezialisten voll unter Kontrolle haben - verabschiedete er sich insgeheim nicht nur von den bekannten Gesichtern im Auditorium, sondern auch von Cohen. Dieser war vor wenigen Tagen zum letzten Mal in seinem Büro erschienen, hatte wie üblich kaum etwas gesagt und ihm bloß mit bedeutungsvoller Miene den vierten Delta-Core überreicht. Ihre letzte Begegnung außerhalb von Langley hatte sich zwei Wochen zuvor in Ocean City ergeben, wo sie bei einem Strandspaziergang Abschied voneinander genommen hatten. Der junge Superhacker hatte ihn dort zum Schluss mit der Einschätzung allein gelassen, dass sie womöglich einen der letzten großen erfolgreichen Daten-Raubzüge im alten Stil begangen hatten, da die Zukunft dem kaum noch manipulierbaren Quantum-Computing gehören würde.

      Der verschlossene, logisch denkende Cohen schien nach außen kalt und emotionslos zu sein, weshalb es trotz ihrer zweijährigen Zusammenarbeit und der Aussicht, sich aus Sicherheitsgründen vielleicht nie mehr wieder zu sehen, am Ende nur zu einem Händedruck gekommen war. Das autistische Genie konnte nicht einmal eine kurze Umarmung zulassen, wohingegen sich Dembski trotz seiner Vernunft manchmal ziemlich ungewöhnlichen Gefühlsregungen hingab. Aus diesem Grund war es auch nicht sehr erstaunlich, dass er seinem Freund in einem Café an der Strandpromenade als letztes ein paar ziemlich pathetisch klingende Worte mit auf den Weg gegeben hatte:

      „Geh’ mit Gott, Frederic! Du und ich sind ein Teil des ewigen Davids, der in dieser Welt gegen die übermächtigen Kräfte Goliaths kämpft und dabei am Ende trotzdem als Sieger dastehen wird. Ich hoffe inständig, wir sehen uns im Himmel und nicht an einem Ort wie Guantanamo wieder!“

      Dabei war zu berücksichtigen, wie tief in Dembski noch immer die Gene eines polnischstämmigen Juden steckten, der in seinem Herzen das Andenken an seine Vorfahren hochhielt, auch wenn er alle religiösen Bräuche inzwischen vollständig abgelegt hatte. Manchmal sah er in seinen Träumen das ausgeblichene Foto mit dem Gesicht eines alten, ausgemergelten Mannes im Warschauer Ghetto vor sich, der später in Auschwitz zugrunde gegangen war und seinen Kindern und Enkeln nichts als ein tiefes, immerwährendes, inneres Beben und den letzten überlieferten Satz hinterlassen hatte, die Nachfahren des Elias Dembski sollten zu seinem Andenken Zeit ihres Lebens für die Freiheit eintreten.

      Bisher konnte David Dembski nicht gerade behaupten, sein Zweig an ihrem alten Familienbaum hätte hinsichtlich dieses letzten Wunsches seines Großvaters einen würdigen Spross getrieben; genauso wenig hatte sein Vater besondere Anstrengungen für den großen Kampf um die Freiheit unternommen. Die Versicherungspolicen, die Simon Dembski lange Zeit in Baltimore verkauft hatte, hatten ihn zwar relativ wohlhabend, die Welt aber nicht unbedingt besser oder freier gemacht. Manchmal wollte Dembski tatsächlich glauben, Cohen wäre ihm von Gott gesendet worden, nur um die Erfüllung eines alten Familiengelübdes zu ermöglichen, um das sich bisher noch kein Nachfahre seines Großvaters besonders gekümmert hatte.

      Als er nun in seinem Vortrag über „geheime Operationen in rechtsfreien Räumen“ sprach – Operationen, die man entsprechend der Redeanweisung seines Vorgesetzen offiziell natürlich so weit wie möglich minimierte und selbstverständlich nur für höhere Zwecke im unermüdlichen Kampf gegen den großen Feind und das Böse ausführte - wurden diese in seiner eigenen Überzeugung zu einer guten Begründung, sich selber das Recht auf einen solchen „rechtsfreien Raum“ zuzugestehen und das eigene Handeln allein den Regeln einer höheren Ethik zu unterstellen. Wer in einem solchen Raum operierte, durfte eben nicht auffallen, egal auf welcher Seite er stand, und so musste man sowohl im Namen des Bösen wie auch des Guten besonders vorsichtig und professionell agieren, sobald man sich außerhalb des Bodens des Gesetzes befand…

      -

      Dembskis letzte Rede hatte an jenem Abend ungewöhnlich schnell geendet. Er schaute noch einmal durch die Reihen des halbkreisförmigen, leicht ansteigenden Auditoriums, das im Kern des Hauptgebäudes lag und nur durch einige große Oberlichter und ein paar Scheinwerfer beleuchtet wurde. Draußen war es noch hell und es herrschte der schönste Junisommer, was man in dem streng gesicherten Geheimdienstgebäude leicht vergessen konnte. Er konnte für seinen Vortrag nicht ernsthaft einen besonderen Beifall erwarten, aber wenigstens hatte er in einigen offenen und etwas vieldeutigen Formulierungen bewusst ein paar mögliche Ausgänge aus dem streng zensierten Redeskript geschaffen, die die Klügeren unter seinen Zuhörern dazu nutzen konnten, hinter die äußere Fassade seiner Worte zu blicken und sich um eine freiere Interpretation zu bemühen.

      Nach dem verhaltenen Applaus hoffte er nur noch darauf, dass der nächste Redner solange sprach, bis die Dämmerung hereinbrach. Erfahrungsgemäß wurden die ihn und den besonderen Gast Ian Dubois später nach draußen begleitenden Sicherheitsleute abends ein wenig nachsichtiger und würden nicht so schnell etwas Verdächtiges daran finden, wenn seine Frau Eliza um diese Zeit nach Dienstschluss auf dem Parkplatz auf ihn wartete. Er würde sie jedoch nur kurz begrüßen und ihr den Datenträger zustecken können, da er nach Dubois’ Verabschiedung zunächst wieder das Gebäude betreten musste.

      Während er dem nachfolgenden Redner zuhörte, beobachtete er immer wieder voller Spannung den Verlauf der Minuten auf seiner Armbanduhr. Wenn alles gut ging, saß er in einer Stunde neben Eliza im Wagen und würde langsam den George Washington Memorial Parkway herunterfahren, am Theodore Roosevelt Island den Potomac River überqueren, mit einem gewissen Triumphgefühl das Weiße Haus passieren, um dann später in Downtown Washington bei ihrem Lieblingsitaliener ein großes Glas Rotwein zu leeren und dabei erleichtert den Beginn eines neuen Lebens in sich zu spüren. Es war absolut nicht übertrieben von einem „neuen Leben“ zu sprechen, da der kleine Delta Core, dessen Vorhandensein er immer wieder nervös mit der Hand in seiner Sakkotasche prüfte, genügend explosiven Stoff barg, um erheblich mehr als nur eine vorübergehende Welle der Empörung im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit heraufzubeschwören. Die Preisgabe von Geheimlevel C, der die wichtigsten und mächtigsten Institutionen des gesamten Staates wie ein unsichtbares, rotes Band durchzog, würde aller Voraussicht nach zu irreparablen innen- und außenpolitischen Spannungen führen.

      In dem Moment, als einer der Sicherheitsleute unerwartet neben Dembskis Stuhl auf dem Podium des Auditoriums trat und ihn kurz an seinem Oberarm

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