Mephisto. Klaus Mann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mephisto - Klaus Mann страница 11

Автор:
Серия:
Издательство:
Mephisto - Klaus Mann

Скачать книгу

Triumphierend sah sie Kroge an, der eine gewisse Bewegtheit nicht verbergen konnte. Ulrichs machte eine feierliche Miene.

      Während alle noch gebannt saßen von den Effekten seines rührenden Enthusiasmus, änderte Höfgen plötzlich Haltung und Ausdruck. Er begann überraschend zu lachen und deutete auf die Photographie eines »Heldenvaters«, die über dem Tisch an der Wand hing: die Arme drohend verschränkt, biederer Blick unter finsterer Braue, breiter Vollbart, sorgfältig ausgebreitet auf einem phantastischen Jägerwams. Hendrik konnte sich gar nicht darüber beruhigen, wie drollig er den alten Burschen fand. Unter vielem Gelächter, nachdem Hedda ihm den Rücken geklopft hatte, weil er am Salat zu ersticken drohte, brachte er hervor, daß er selber ganz ähnlich, ja, fast genau so ausgesehen habe – als er nämlich noch die Väterrollen gespielt hatte, an der Norddeutschen Wanderbühne.

      »Als ich noch ein Knabe war,« jubelte Hendrik, »da sah ich doch so phantastisch alt aus. Und auf der Bühne ging ich immer gebückt vor lauter Verlegenheit. In den ›Räubern‹ ließ man mich den alten Moor spielen. Ich war ein hervorragend guter alter Moor. Jeder von meinen Söhnen war zwanzig Jahre älter als ich.«

      Da er so laut lachte und von der Norddeutschen Wanderbühne sprach, eilten von allen Tischen die Kollegen herbei: man wußte, daß nun Anekdoten kommen würden, und zwar keine abgestandenen alten, sondern neue, und wahrscheinlich ziemlich gute – es geschah selten, daß Hendrik sich wiederholte. Die Motz rieb sich genußsüchtig die Hände, zeigte Gold im Innern ihres Mundes und konstatierte mit einer grimmigen Aufgeräumtheit: »Jetzt wird es lustig!« Gleich darauf mußte sie einen strengen Blick auf Petersen werfen, weil dieser sich einen doppelten Cognac bestellt hatte. Rahel Mohrenwitz, Angelika Siebert und der schöne Bonetti: alle hingen sie an Hendriks beredten Lippen. Sogar Miklas mußte hinhören, ob er es nun wollte oder nicht: die raffinierten Scherze des Verhaßten nötigten ihm brummige und trotzige kleine Gelächter ab. Da ihr böser Liebling sich amüsierte, wurde auch die dicke Efeu munter. Keuchend trug sie ihren Stuhl in die Nähe von Hendriks Sessel, murmelte: »Die Herrschaften haben doch nichts dagegen!«, ließ ihren Strickstrumpf ruhen und legte sich die rechte Hand trichterförmig ans Ohr, auf daß ihrer Schwerhörigkeit nichts entgehe.

      Es wurde ein reizender Abend. Höfgen war blendend in Form. Er bezauberte, er brillierte. Als hätte er ein großes Publikum vor sich, anstatt nur die paar geringen Kollegen, verschwendete er, großmütig-übermütig, Witz, Charme und Anekdotenschatz. Was war nicht alles an dieser Wanderbühne passiert, wo er die Väterrollen hatte spielen müssen! Die Motz bekam schon Atemnöte vor Lachen. »Kinder, ich kann nicht mehr!« schrie sie, und da Bonetti ihr drollig-galant mit dem Tüchlein fächelte, übersah sie, daß Petersen sich schon wieder Schnaps bestellte. Als Höfgen aber dazu überging, mit schriller Stimme, flatternden Gesten und unheimlich schielenden Augen, die jugendliche Sentimentale der Wanderbühne nachzuahmen, da verzog sogar Vater Hansemann die starre Miene und Herr Knurr mußte sein Grinsen hinter dem Taschentuch verbergen. Mehr Triumph war nicht herauszuholen aus der Situation. Höfgen brach ab. Auch die Motz wurde ernst, da sie feststellte, wie besoffen Petersen war. Kroge gab das Zeichen zum Aufbruch. Es war zwei Uhr morgens. Zum Abschied schenkte die Mohrenwitz, die immer originelle Einfälle hatte, Hendrik ihre lange Zigarettenspitze, ein dekoratives, übrigens wertloses Stück. »Weil du heute Abend so enorm amüsant gewesen bist, Hendrik.« Ihr Monokel blitzte sein Monokel an. Man sah, daß Angelika Siebert, die neben Bonetti stand, vor Eifersucht eine weiße Nase bekam, und dazu Augen, die tränenvoll und gleichzeitig ein wenig tückisch waren.

      Frau von Herzfeld hatte Hendrik aufgefordert, noch eine Tasse Kaffee mit ihr zu trinken. Im leeren Lokal machte Vater Hansemann schon die Lampen aus. Für Hedda war das Halbdunkel vorteilhaft: ihr großes, weiches Gesicht mit den sanften, klug beseelten Augen erschien nun jünger, oder doch alterslos. Dieses war nicht mehr das betrübte Antlitz der alternden, intellektuellen Frau. Die Wangen wirkten nicht mehr flaumig, sondern glatt. Das Lächeln um die orientalisch trägen, halbgeöffneten Lippen war nicht mehr ironisch, sondern fast verführerisch. Still und zärtlich schaute Frau von Herzfeld auf Hendrik Höfgen. Sie dachte nicht daran, daß sie selber reizvoller aussah als sonst; nur daß Hendriks Gesicht mit dem angestrengten Leidenszug an den Schläfen und dem edlen Kinn blaß und deutlich in der Dämmerung stand, merkte sie und genoß sie.

      Hendrik hatte seine Ellenbogen auf den Tisch gestützt und die Fingerspitzen seiner ausgestreckten Hände gegeneinander gelegt. Diese anspruchsvolle Haltung leistete er sich wie einer, der besonders schöne, gotisch spitze Hände hat. Höfgens Hände waren aber keineswegs gotisch; vielmehr schienen sie den Leidenszug der Schläfen durch ihre unschöne Derbheit widerlegen zu wollen. Die Handrücken waren sehr breit und rötlich behaart; breit waren auch die ziemlich langen Finger, die in eckigen, nicht ganz sauberen Nägeln endigten. Gerade diese Nägel waren es wohl, die den Händen ihren unedlen, beinah unappetitlichen Charakter gaben. Sie schienen aus minderwertiger Substanz zu sein: bröckelig, spröde, ohne Glanz, ohne Form und Wölbung.

      Diese Schadhaftigkeiten und Mängel aber verbarg die vorteilhafte Dämmerung. Hingegen ließ sie das träumerische Schielen der grünlichen Augen rätselhaft und reizend wirken.

      »Woran denken Sie, Hendrik?« fragte die Herzfeld, nach langem Schweigen, mit einer innig gedämpften Stimme.

      Ebenso leise antwortete Höfgen: »Ich denke daran – daß Dora Martin unrecht hat . . .« Hedda ließ ihn, über seine aneinander gelegten Hände hinweg, ins Dunkel reden, ohne zu fragen oder zu widersprechen. »Ich werde mich nicht beweisen,« klagte er in die Dämmerung. »Ich habe nichts zu beweisen. Niemals werde ich erstklassig sein. Ich bin provinziell.« Er verstummte, preßte die Lippen aufeinander, als erschräke er selber vor den Erkenntnissen und Bekenntnissen, zu denen die sonderbare Stunde ihn brachte.

      »Und weiter?« fragte Frau von Herzfeld mit sanftem Vorwurf. »Und weiter denken Sie nichts? Immer nur daran?« Da er stumm blieb, dachte sie: ›Ja – dieses ist wohl das Einzige, was ihn wirklich beschäftigt. Das mit dem politischen Theater vorhin und sein Enthusiasmus für die Revolution – das war also auch nur Komödie.‹ Diese Entdeckung erfüllte sie mit Enttäuschung; irgendwo fühlte sie sich aber auch auf eine merkwürdige Art von ihr befriedigt.

      Er ließ mysteriös die Augen schillern; eine Antwort hatte er nicht.

      »Merken Sie denn nicht, wie Sie die kleine Angelika quälen?« fragte die Frau neben ihm. »Spüren Sie denn nicht, daß Sie – andere leiden machen? Irgendwo müssen Sie doch für all das bezahlen.« Sie ließ den klagenden und suchenden Blick nicht von ihm. »Irgendwo müssen Sie doch büßen – und lieben.«

      Nun war es ihr doch peinlich, daß sie dies gesagt hatte. Es war entschieden zu viel, sie hatte sich gehen lassen. Schnell entfernte sie ihr Gesicht von seinem. Zu ihrem Erstaunen bestrafte er sie durch kein böses Grinsen, durch kein höhnisches Wort. Vielmehr blieb sein Blick, schielend, schillernd und starr, ins Dunkel gerichtet, als suchte er dort Antwort auf dringliche Fragen, Stillung seiner Zweifel und das Bild einer Zukunft, deren eigentlicher Sinn es war, ihn groß zu machen.

      Die Tanzstunde

      Für den nächsten Tag hatte Hendrik den Beginn der Probe auf halb zehn Uhr angesetzt. Pünktlich versammelte sich das Ensemble, so weit es in »Frühlings-Erwachen« beschäftigt war, teils auf der zugigen Bühne, teils im spärlich beleuchteten Parkett. Nachdem man etwa eine Viertelstunde lang gewartet hatte, entschloß sich Frau von Herzfeld dazu, Höfgen aus dem Bureau zu holen, wo er sich seit neun Uhr mit den Direktoren Schmitz und Kroge besprach.

      Gleich bei seinem Eintritt waren sich alle darüber klar, daß er sich heute in der ungnädigsten Stimmung befand – der strahlende Causeur vom vorigen Abend war nicht wiederzuerkennen. Die Schultern auf nervöse Art hochgezogen, die Hände in den Hosentaschen vergraben, ging er eilig durch das Parkett und bat, mit einer vor Gereiztheit fast tonlosen Stimme, um ein Exemplar des Textbuches. »Ich

Скачать книгу