Brennende Erde. Erich Muhsam
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Der Schweiß quillt aus der Stirn heraus.
Doch nicht erlahmt die die starke Hand
des Arbeitsmanns. Es denkt der Held:
Freiheit und Land!
In Schwaden liegt das Korn gemäht.
Der es geackert, fährt es heim.
Noch einmal schweift sein Auge, späht,
wo hoch und stolz die Ähre stand.
Noch einmal formt sein Mund den Reim:
Freiheit und Land!
Die Sonne überstrahlt die Flur,
die sich nach neuem Samen sehnt.
zum Menschen flüstert die Natur,
zum Menschen, der die Garben band,
dem Sehnsucht alle Muskeln dehnt:
Freiheit und Land!
Der Mahner
1910
Wo bleibt ihr nur, Genossen meiner Zeit?
Ich schau zurück und kann euch kaum noch sehn.
Ein wirres Stimmentosen hör ich weit,
weit hinter mir und kann es nicht verstehn.
Ich ruf euch zu, doch euer Echo fehlt
den Laut, der rein aus meiner Stimme klingt.
Ich wink euch her. Doch ihr, wie unbeseelt,
horcht tauben Ohrs, ob euch ein Stummer singt.
Vergebne Zeichen! Aus den Zähnen pfeift
mißtönig euer ärgerlicher Spott.
Kommt nie die Zeit, da ihr die Zeit begreift?
Tritt nie aus finstern Kirchen euer Gott?
Hoffnung
1910
Von meiner Hoffnung laß ich nicht,
ich ließe denn mein Leben,
daß einmal noch das Weltgericht
ein Lächeln muß umschweben.
Und kann es nicht durch Gott geschehn,
daß sich die Menschheit liebe,
so muß es mit dem Teufel gehn,
dem sich die Welt verschriebe.
Der Teufel hol Gesetz und Zwang
samt allen toten Lettern!
Er leih dem Geiste Mut und Drang,
die Tafeln zu zerschmettern!
Am Anfang trennte Gottes Rat
die Guten von den Bösen.
Am Ende steht die Menschentat,
den Gottesbann zu lösen.
Stumm starrt der Weltengeist und friert,
wo wild Begriffe toben.
Wenn einst das Wort die Tat gebiert,
wird er uns lächelnd loben.
Tolstojs Tod
(am 20. November 1910)
Die Liebe ist verwaist. Ihr stärkster Hort,
ihr Schützer, ihr Prophet, ihr Held, ihr Sohn,
die menschgewordne Liebe selbst ging fort.
Das Herz der Welt erbebt in seinen Festen,
erschüttert von des Worts Posaunenton,
vom Testament des Weisesten und Besten.
Er ging, wie nie ein Mensch noch sterben ging,
nicht müde flüchtend, nicht mit Todesbeben;
er sprengte seines Daseins goldnen Ring,
zu einen seines Herzens mächtigen Schlag
mit dem der Welt. – An seinem Sterbetag
grüßt ihn der Sieg des langen Kampfs: das Leben...
Noch schläft die Sonne hinter Reif und Frost;
vereiste Wege, nur vom Schnee erhellt,
durchkreuzen bleich und lang erfrorne Gründe.
Durch den Novembermorgen pfeift und gellt,
wie Atemstöße roher Menschensünde,
von Schmerz und Wollust heulend der Nordost.
Da trappeln Pferde. Eine Wagenspur
spult flimmernd sich im schneeigen Boden ab.
Ein Greis verläßt sein Weib, sein Gut, sein Haus.
Hinaus in Gottes einsame Natur!
Die Hufe schlagen auf im scharfen Trab, –
in Rußlands stillste Einsamkeit hinaus.
Was arme Menschen Wohlstand dünkt und Glück:
Bequemlichkeit und festliches Geschmeide
und Zärtlichkeit und liebende Betreuung, –
der flüchtige Greis wirft keinen Blick zurück.
Die Seele, eingekrustet im Genuß,
sehnt sich nach Reinigung und nach Erneuung.
Sie wäscht sich rein von aller Menschheit Leid
Und aller Menschheit weiht sie ihren Kuß.
Sucht nicht den Gatten, sucht den Vater nicht,
der ohne Abschied ging, um Gott zu finden;
in seiner Sterbestunde für die Blinden
Gott