Der Gewalt keine Chance. Martina Dr. Schäfer

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Der Gewalt keine Chance - Martina Dr. Schäfer

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Sohn aus einer anderen Ehe, der etwa zehn Jahre ältere Halbbruder des Mädchens, der beim Gespräch dabeigesessen hatte, sprang plötzlich auf, stürmte auf die Liege zu, schüttelte seinen Vater an der Schulter und schrie ihn an, er solle sofort seine Schwester in Ruhe lassen, sonst sei er nicht mehr sein Sohn.

      Es war, als hätte der junge Mann eine dunstige Glasschale, die über die ganze Szene gestülpt war, mit seinem Aufschrei zerschlagen, als wäre eine trübe Brühe, in der die Beteiligten schwammen, plötzlich abgeflossen, der Stöpsel aus dem Schlammbassin gezogen. Danach erst konnte sich die Geschäftsfrau aufraffen, und unter supervisorischer Aufsicht wurden dem glibberigen Kindsvater die Bedingungen für sein weiteres Verhalten gestellt, insbesondere ein striktes Umgangsverbot mit seiner Tochter.

      Dieser Aspekt des Eingreifens wird uns im Kapitel über Gewalt in fundamental-religiösen Gruppen noch einmal beschäftigen, denn ich halte es für eine mitmenschliche Pflicht, in Gewaltsituationen auch von außen einzugreifen. Da die Zeugen und Zuschauerinnen oft zum gleichen System gehören wie Täter und Opfer, haben sie ein ähnliches Interesse daran, dass die Situation nicht verändert wird. Schweiger sind Mitvampire, Mittäter.

      Da wäre beispielsweise die fortschauende Mutter, die den «Familienfrieden » nicht gefährden will; die schweigende Verwandtschaft, die den übergriffigen Onkel immer wieder zu den Familienfesten einlädt, obwohl er bereits vor zehn Jahren die kleinen Nichten in ihren weißen Röckchen in einer Weise betätschelte, dass allen die Haare zu Berge standen, aber man macht das halt so. Da gibt es Kollegen, welche die Übergriffe eines Vorgesetzten gegenüber dem Lehrlingsmädchen schweigend hinnehmen, fürchten sie doch um ihre eigene Karriere. Ich kannte eine Familie, da war der Grund für das Schweigen die schiere Gewalt, das Schreien und Prügeln des Mannes, unter dessen Knute sich die Ehefrau duckte. Sie schwieg selbst dann noch, als eine der Töchter bereits ein Kind von ihm erwartete, adoptierte dieses stillschweigend und zog es auch noch mit auf.

      In der oben beschriebenen Szene durchbricht der erwachsene Halbbruder diese Glasglocke. Er ist von allen am wenigsten in die Situation verwickelt, von keinem der Erwachsenen mehr finanziell abhängig, und es scheint, als sei seine emotionale Bindung an die kleine Halbschwester auch stärker als die an den Vater, sonst hätte er ihm wohl kein Ultimatum stellen können. Auf der anderen Seite profitierte er aber auch von dieser Konstellation; sie gab ihm die Gelegenheit, den Vater zu stürzen und sich vor einer offensichtlich mächtigeren Person – der Präventionsberaterin – als Ritter des Guten aufzuspielen. Das Risiko, falsch zu handeln, war auch nicht so groß, denn es war offensichtlich, dass ich selber im nächsten Augenblick eingegriffen hätte. Die Voraussetzung für seinen Aufschrei war das mitgehörte Gespräch, das seine eigenen bisherigen unguten Gefühle und Beobachtungen bestätigte. Trotzdem muss der Ritter in unabhängiger Position sein, denn die Mutter hätte ja in diesem Augenblick ebenfalls reagieren können. Aber ihr war es, aus welchen Gründen auch immer, eben nicht möglich.

      Eingreifende Personen sind weit genug entfernt, um unabhängiger als die Hauptbeteiligten zu sein, und nah genug, um die Geschichte zu bemerken und für das Opfer Empathie, Mitgefühl zu entwickeln.

      Schweigende Zuschauer und Zeuginnen leben in der Illusion, dass das System – die Familie, die Gruppe, die Stimmung am Arbeitsplatz usw. – noch in Ordnung sei, dass da vielleicht einer etwas tut, was irgendwie nicht richtig zu sein scheint, was ja aber gar nicht sein kann. Denn die Gruppe ist doch eigentlich in Ordnung, und wenn man zuviel über das redet, was man da sieht – aber vielleicht irrt man sich ja auch und ist überempfindlich? –, zerstört man nur die heile Welt dieser Gruppe.

      Das System ist von dem Augenblick an nicht mehr in Ordnung, da der Vampironkel seine ersten seltsamen Blicke und Bemerkungen an sein Opfer richtet. Ja, er kann sich nur so verhalten, weil die Gruppe, die Familie bereits Risse in der Harmonie zeigt, nicht mehr stabil ist. Das Nicht-Intakt-Sein der betroffenen Gruppe ist die Vorbedingung für einen Vampir, hereinzuschlüpfen und auszusaugen – wie das offene Schlossfenster in Transsylvanien.

      In Gruppen, in Familien, in Arbeitsgemeinschaften, die von offener Kommunikation getragen werden, von Gesprächsbereitschaft, gegenseitiger Achtung und Sympathie und in denen der Schutz der jeweils Schwächsten oder Jüngsten ein unhinterfragtes Prinzip der Solidarität ist, wird ein Vampir wenig Chancen haben. Man wird ihm beim ersten Versuch bereits auf die Finger hauen, mit ihm reden, ihn abdrängen und die potentiellen Opfer warnen.

      Trotzdem sind eine instabile Familie, eine unsolidarische Gruppe kein Grund und schon gar keine Entschuldigung für die sexuelle Anmache Abhängiger und Kinder. Nicht weil die Familie «eh den Bach runter» ist, greift der Täter an. Er macht es sich zunutze, dass die Stimmung nicht mehr in Ordnung ist. Möglicherweise ist der Täter überhaupt die erste Person, die auf einer Art halbbewussten Ebene wahrgenommen hat, dass das System nicht mehr intakt ist und ihm so eine Möglichkeit bietet anzugreifen.

      Wenn ein Banksafe offen steht, hat der Wachmann zwei Möglichkeiten: Er kann mit den Millionen durchbrennen oder den Fehler sofort, noch während seiner Schicht melden! Ist er ein Dieb, wird er mit dem Geld durchbrennen; ist er eine ehrliche Haut, wird er den offenen Safe solange schützen, bis der Kassierer mit dem Code oder die Reparaturmannschaft angerückt ist.

      Es gibt eben auch eine Menge gescheiterter Ehen, Familien, aufgelöster Arbeitsgruppen, untergegangener spiritueller Gemeinschaften, bankrott gegangener Parteien usw., die allesamt sicherlich auch höchst marode und instabil waren, aber wo trotzdem niemals sexueller Missbrauch stattfand. Ein nicht intaktes System ist nicht unbedingt die Voraussetzung für sexuelle Gewalt, aber es kann ein guter Nährboden sein, der den Vampir anzieht wie die Wurst die Wespen.

      Aber wenn sexuelle Gewalt geschieht, ist das immer auch ein Zeichen dafür, dass das dazugehörige System nicht mehr stimmt. Das Schweigen der Zuschauer, das Fortschauen der Zeugen ist Ausdruck dieser Zerstörung, und die Voraussetzung für das Schweigen dieser Lämmer ist ihre Abhängigkeit.

       Schlagworte

      Auch Zeugen sind abhängig.

       Regeln

      Traut Euren Augen, Ohren und Gefühlen. Es braucht mehr Mut zu reden, als zu schweigen.

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