Königin der Spiegelkrieger. Werner Karl

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Königin der Spiegelkrieger - Werner Karl

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könnte, war er verschwunden … und mit ihm die Tafel! Lange Zeit glaubte ich, die Römer hätten ihn gefunden und ermordet, so wie viele, viele andere unserer Brüder und Landsleute.«

      Er machte eine Pause und blickte Túan tief in die Augen.

      »Erst als ich von unheimlichen Kriegern und ihren Siegen hörte, ahnte ich, dass die Tafel nicht verloren oder zerstört worden war. Sondern von jemandem - einem Druiden - erweckt und benutzt wurde. Von dir.«

      Nun schien es, als würde Túan gebrechlicher sein, als der um das Vielfache ältere Mann vor ihm, so drückte ihn die Schilderung nieder. Seine Knie gaben nach und er setzte sich auf einen Stein.

      »Viel Leid hätte verhindert werden können«, bestätigte er Sétantas Meinung. »Die Römer hätten schon damals zurückgeschlagen werden können. All die Weisheiten von Jahrhunderten, die verloren gingen, durch die Ermordung all unserer Brüder, all dies wäre nicht geschehen.« Heiße Tränen stiegen ihm in die Augen und er hatte keine Scham, sie dem alten Freund seines Meisters zu zeigen. »Und auch meine Familie, mein ganzer Clan, würde noch am Leben sein.«

      Der brennende Hass, der lange unter einer dünnen Schicht aus kurzfristigem Frieden und Liebe zu Arianrhod verborgen gewesen war, doch immer weiter geschwelt hatte, drang mit alter Kraft wieder an die Oberfläche. Seine momentane körperliche Schwäche schien verschwunden, wie vom Winde verweht, und Túan erhob sich mit neuer, in Wahrheit nur geliehener Kraft.

      »Nun, Sétanta, mein Bruder. Ich denke anders als Kennaigh, wie du an meinen Taten gesehen hast und weiter tun wirst. Und noch einen Unterschied zu meinem Lehrer sollst du sehen: Ich werde nicht zulassen, dass das Wissen um so ein machtvolles Werkzeug wieder für viele Jahre in Vergessenheit gerät. Von nun an sollen immer zwei Druiden in das Geheimnis eingeweiht sein. Stößt einem etwas zu, kann der andere die Aufgabe fortführen. Solange, bis wir unser Land wieder befreit haben.«

      Sétanta schaffte es, in seinem strahlenden Lächeln, die tiefe Zufriedenheit zu verbergen, die ihn erfüllte. Er beglückwünschte sich für seinen Einfall, dem spärlichen Rest des von Túan gebrauten Trankes einen weiteren Zusatz verabreicht zu haben. Von deinem Fleisch und Blut. Ihm war – im Gegensatz zu Kennaigh und offensichtlich auch Túan – schon vor vielen Jahren klar geworden, dass sich dieser Abschnitt nicht nur auf das Fleisch und Blut eines Druiden selbst bezog. Sondern auch auf dessen Kinder. Und der Bann, der einen Erweckten an den Überbringer des Trankes band, funktionierte eben nur mit diesen beiden Zutaten. Ohne sie würden die Wiedererweckten sich zwar erheben, aber nicht unbedingt dem Erwecker folgen.

      Und so hat und wird der Tölpel doch noch zu etwas Sinnvollem seinen Beitrag leisten können, dachte er und innerlich lachte er grausam und höhnisch. Seine Gaben haben Túan zumindest soweit an mich gebunden, dass er meine wahren Absichten nicht erkennt. Und längst kennt er nicht alle Geheimnisse des Steins und des Trankes.

      Marcellus Maximus Lupinius saß zusammen mit Túan, Arianrhod, Swidger, Maelchon, Fionnghal, Catriona, Dòmhnall, Máiri und Sileas in der kleinen Audienzhalle der neuen Königin.

      Weder Sétanta noch die anderen Fürsten und Kriegerinnen stellten – auch jetzt nach Túans Wiedererweckung – deren Führungsanspruch infrage. Es hatte keiner erneuten Zeremonie bedurft, sie als Königin und als Herrin der Toten zu bestätigen.

      Für die Jahreszeit war es erstaunlich milde und dies genau war der Grund, warum sie jetzt – mitten im Winter – Kriegsrat hielten.

      Túan mac Ruith hatte das Treffen in ihrem Namen einberufen, weil er sich immer schlechter fühlte und trotz fehlender sichtbarer Beeinträchtigungen seine Kräfte schwinden sah. Er aß und trank völlig normal, er strengte sich bei keinen Tätigkeiten an, und trotzdem sank seine Kraft beinahe von Tag zu Tag. Er konnte es sich nicht erklären und war damit auch im Vertrauen zu Sétanta gegangen. Der hatte ihm lediglich Speisen mit heilenden Kräutern verordnet, auf die er auch selbst gekommen wäre. Aber sie wirkten nicht.

      Arianrhod hingegen hatte ein offenes Ohr für alle Vorschläge, die den Krieg so schnell wie möglich - und natürlich erfolgreich - beenden könnten. Denn sie erhoffte sich eine friedliche Zukunft, in der sie Brannon all ihre Aufmerksamkeit widmen konnte, derer er bedurfte. Er wuchs zu schnell. Sein seltsames Gebaren schob sie auf die Tatsache, dass sie nicht wie andere Mütter ständig bei ihm sein konnte, sondern dies zu einem guten Teil Inga überlassen musste.

      Und all die anderen Führer der Cruithin brannten darauf, dass der Schnee schmolz und sie ihren erfolgreichen Feldzug - ob mit oder ohne die Unterstützung anderer Pictenstämme - fortsetzen konnten.

      Marcellus Maximus Lupinius, Lupus, der Wolf, räusperte sich und stellte seinen Krug mit Honigmet beiseite. Auch wenn alle dem Met kräftig zugesprochen hatten, erhielt er doch ihre volle Aufmerksamkeit. Seine bald 80 Jahre alten Hände zitterten ein wenig.

      Túan erinnerte sich daran, wie sie schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen den Bogen und Pfeil nur mühsam gehalten hatten. Auch seine Zeit würde bald kommen.

      »Der Winter wird dieses Jahr nicht lange währen«, begann der Römer, der sich schon lange als Picte betrachtete. »Schon jetzt werden die Tage mit Schneefall seltener und die See wird ruhiger und weniger sturmgepeitscht. Wir kennen dieses Land«, sagte er und freute sich, als niemand anzweifelte, dass er fester Bestandteil des Wir war. »Sobald auch die Römer der Meinung sind, dass die See zwischen dem Festland und Britannia schiffbar wird, werden sie Entsatz für all die von uns vernichteten Truppen schicken.«

      »Soweit sie welche entbehren können«, warf Swidger ein. »Viele der Handelsschiffe, die an unsere Küsten gelangen, berichten von Angriffen vieler Völker an beinahe allen Grenzen des Römischen Reiches.«

      »Was uns nur recht sein kann«, bekräftigte Maelchon mac Cean und stieß mit seinem Kopf wie ein Raubvogel nach vorn. Sein ohnehin durchdringender Blick hatte einen fanatischen Glanz angenommen, der nur noch durch sein blitzblank poliertes Schwert übertroffen wurde, das nach seiner Meinung schon viel zu lange kein Blut mehr gekostet hatte.

      Sileas mac Ducantae hatte kurz geschnittenes Haar, das nur an den Schläfen in zwei dünne, aber lange Zöpfe auslief. Als sie ihren Kopf schüttelte, tanzten sie wie zwei Schlangen vor ihrer Brust.

      »Dann werden wir sie an unserer Ostküste erwarten und gar nicht erst landen lassen. Beschießen wir sie mit hatrischem Feuer. Es hat uns beim Sturm auf den Wall hervorragende Dienste geleistet.«

      »Wir dürfen uns nicht nur auf diese mögliche Entsatzstreitmacht konzentrieren … wenn sie denn überhaupt kommt. Wir sollten uns zunächst um die Römer kümmern, die schon hier sind«, betonte Catriona und blickte sich nach Zustimmung um.

      Ausgerechnet Marcellus Lupinius nickte.

      »Oh, glaube mir, Catriona von den Horestiani, sie werden kommen. Wenn ich eines von Rom weiß, dann dieses, dass sie jedes Schiff schicken werden, das sie entbehren können. Die Frage ist nur, wie viele werden es sein?«

      Jetzt erst griff Arianrhod in die Diskussion ein.

      »Das ist aber nicht der Punkt, der dir Sorge macht, Marcellus, nicht wahr? Ob es nun 50, 100 oder mehr Schiffe sind, habe ich recht?«

      »Es kommt darauf an, wer in Rom so viel Weitblick aufbringen kann, dass er unsere zu erwartenden Vorbereitungen nicht seinerseits in Erwägung zieht. Ich anstelle dieses Feldherrn würde einen Landungsplatz wählen, der sich uns nicht auf den ersten Blick erschließt.«

      »Der Weg über den Kanal ist der kürzeste. Die römischen Schiffe mögen unseren überlegen

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