Königin der Spiegelkrieger. Werner Karl

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Königin der Spiegelkrieger - Werner Karl

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A. D. 182, Dezember

       Sétanta

      Das Pferd des Druiden hatte sichtlich Mühe, im Schnee voranzukommen. Seine Hufe hinterließen tiefe Trichter, von denen lang gezogene Schleifspuren zum nächsten Loch führten. Aber Sétanta interessierte das nicht. Er fror, denn die Kälte hatte seine alten Knochen längst durchdrungen. Er trieb das erschöpfte Tier immer weiter. Seit dem frühen Morgen kämpften sich beide durch die weiße Landschaft, die in ihrer Pracht nur dann unterbrochen wurde, wenn die Schneelast auf den Wipfeln der Bäume so schwer wurde, dass sie herunterrutschte und dahinter finsteres Braun und dunkle Schatten dem Auge freigab.

      Wenn diese Mähre noch ein wenig durchhält, schaffe ich es bis zur nächsten Flut, dachte er und zog seine Kapuze tiefer ins Gesicht.

      Er befand sich an der Westküste des Landes Breith, das die Römer Britannien und dessen nördlichste Völker Picten und Caledonier nannten, anstelle der richtigen Bezeichnung Cruithin. Aber auch das kümmerte den hochgewachsenen Druiden im Augenblick nicht. Sollten sie ihren schlimmsten Albtraum doch nennen, wie sie mochten. Er hatte anderes im Sinn.

      Erneut trieb er sein Reittier an und schlug ihm härter als nötig die Hacken in die Seiten. Das müde Tier wieherte protestierend, ergab sich aber seinem Befehl und schritt weiter. Es musste die Beine weit heben, um aus dem vorherigen Loch, das es damit getreten hatte, herauszukommen und in dem tiefen Schnee ein neues zu schaffen. Das kostete Kraft und ein rücksichtsvoller oder vernünftiger Reiter hätte eine andere Route genommen. Durch den Wald wäre eine Alternative gewesen. Der war zwar auch an den lichteren Stellen schneebedeckt und dessen Wipfel trugen dicke weiße Hauben, aber die Schicht auf dem Boden war deutlich dünner als im offenen Gelände. Doch der Weg durch die Wälder hätte trotzdem länger gedauert und Sétanta wollte nicht zulange dem Heerlager Arianrhods, der Witwe Túan mac Ruiths, fernbleiben.

      Sein Pferd schnaubte heftig, als er es am einfachen Riemen riss, der ihm als Zügel diente. Beinahe hätte er in dem allgegenwärtigen Weiß den schmalen Einschnitt verpasst, der zwischen zwei steilen Bergen hinunter an die Küste führte.

      »Na endlich«, murmelte er leise und ungeduldig in sich hinein und trieb sein Reittier, dem er noch nicht einmal einen Namen gegeben hatte, wieder an.

      Der Wind pfiff mit zunehmender Schärfe durch den sich öffnenden Spalt. Die Kälte, die seinen hageren, aber zähen Körper längst ausgekühlt hatte, kroch ihm mit eisigen Krallen bis in die Knochen. Den Göttern sei Dank lag in dem Spalt - wahrscheinlich gerade wegen des starken Abwindes - nur eine geringe Schneedecke und Ross und Reiter vermerkten es jeder für sich dankbar.

      Das Pferd verfiel sogar in einen leichten Trab, weniger um seinem Reiter zu Willen zu sein, sondern um ihn schnellstmöglich loszuwerden. Es hatte schon oft diesen Weg genommen und wusste, dass am Strand ein einfacher Stall mit Heu und spärlicher Wärme auf es wartete. Ein Stalljunge würde es mit ein wenig Glück sogar mit Hafer versorgen und trocken reiben.

      Der hagere Druide aber hatte nur einen Blick für den Weg und konnte es kaum erwarten, den letzten Ausläufer des Bergrückens zu umreiten, der ihm bis jetzt noch den freien Blick auf das nahe Meer der skotischen See verwehrte. Der Wind peitschte die salzige Gischt bis zu ihm herauf, aber er nahm es als letzte Wegmarke hin und nicht als weitere Prüfung seines Plans. Als es schließlich soweit war, kniff er seine steingrauen Augen zusammen und spähte über den Strand und das Wasser.

      Nach wenigen Augenblicken hatte er am Ufer ein Currach entdeckt, in dessen unmittelbarer Nähe ein kleines Feuer brannte und zwei vermummte Gestalten sich daran leidlich wärmten. Die beiden Figuren bezeugten ihre Aufmerksamkeit dadurch, dass sie sich erhoben, kaum dass Sétanta und sein Pferd hinter dem Hügel hervorkamen. Einer der beiden zog sogar eine Axt unter seinem Mantel hervor. Als der Druide trotz der kalten, salzigen Luft und des stetigen Windes seine Kapuze in den Nacken schob, ließ der Mann die Axt wieder sinken. Noch außer Hörweite gab er dem anderen Mann offensichtlich Befehle, denn der löschte sofort das Feuer und machte sich an dem kleinen Boot zu schaffen.

      Als er heran war und mit steifen Gliedern von seinem Reittier stieg, konnte er sich seinen Unwillen nicht verkneifen.

      »Ich habe es zwar eilig, Ceallach, aber eine Weile am Feuer zu bleiben, hätte ich zu schätzen gewusst.«

      Der zweite Skote, der scheinbar mit seinen wenigen Vorbereitungen am Currach fertig war, nahm dem Druiden wortlos die Zügel ab. Er marschierte damit den Strand in Richtung des kleinen Stalles entlang, der gut versteckt zwischen Kiesstrand und Hügel irgendwann einmal errichtet worden war. Von wem wusste längst niemand mehr. Wahrscheinlich von Fischern, die womöglich inzwischen tot oder an einen freundlicheren Ort gezogen waren.

      Sétanta sah, dass sein Pferd den Mann mehr zog, als dass der es führte. Als sich die beiden der einfachen Hütte näherten, öffnete der erwartete Junge rasch die Tür und ließ Pferd und Mann hinein. Warmer Schein blinkte bis zu Ceallach und Sétanta herüber und der ergab sich seufzend in sein Schicksal.

      »Hauptsache der Gaul hat es warm und bekommt etwas zu fressen«, sagte er lakonisch und gönnte beides dem Tier nicht. »Dann können wir uns ebenso gut gleich auf die Fahrt machen. Ich hoffe, dein Schiff ist noch nicht ganz zerfallen«, spottete er und schob mit dem Skoten das kleine Boot ins Wasser.

      Nach zwei Tagen und einer kleinen Rast an der Südküste von Ellan Vannin kam endlich Sétantas Ziel in Sicht: Ynys Môn. Sie hatten den Strand noch nicht ganz erreicht, als zwischen dicht stehenden Bäumen ein Mann mit einem Pferd am Zügel heraustrat und sich knapp an der Wasserlinie positionierte. Sétanta kannte zwar seinen Namen nicht, wusste jedoch, dass es ein Vetter Ceallachs war. Ohne Worte übergab Ceallach dem Druiden die Zügel des frisch und ausgeruht wirkenden Wallachs in die Hand und dieser ihm eine Münze. Noch während Sétanta aufstieg und davon ritt, prüfte der Skote das Metall und schob es schließlich zufrieden in einen mager gefüllten Beutel mit ähnlichen Münzstücken.

      Doch das sah der Druide nicht mehr, denn der gab dem Pferd seine Hacken zu spüren und freute sich, dass dieses bereitwillig in einen Galopp verfiel.

      Es war bereits Nacht, als Sétanta in das kleine Dorf einritt. Kein noch so einfacher Zaun oder gar ein Wächter hielten ihn auf. Der Schnee war hier durch Wagenräder, menschliche sowie zahlreiche tierische Füße zu einem harten Grau zertreten, das getaut, gefroren, wieder getaut und erneut gefroren einen festen Belag bildete. Bei jedem Schritt des Pferdes knirschte er als würde es auf tönerne Scherben oder zersplittertes Glas treten.

      Fast hätte Sétanta das ganze Dorf unbemerkt durchquert - was er nicht beabsichtigte -, als endlich ein verschlafener Mann sich die Mühe machte, nach der Ursache des nächtlichen Knisterns zu sehen. Zu Sétantas Erstaunen hatte der Mann sogar eine hölzerne Mistgabel in den Händen, die ihm allerdings bei wirklicher Gefahr wenig genutzt hätte.

      »Heh, wer da?«, rief er mit krächzender Stimme und ein Schwall von schlechtem Atem, einem Gemisch aus Met und Erbrochenem, flog dem Druiden entgegen.

      In diesem Moment tat sich in der Wolkendecke eine große Lücke auf und ein halber Mond beschien spärlich die armselige Hütte des mehr besoffenen als mutigen Mannes. Scheinbar war er aber soweit wieder auf dem Weg der Ernüchterung, da er den Mann vor ihm auf dem Pferd sofort erkannte.

      »Der Druide!« Der Mann schien mit einem Schlag deutlich klarer im Kopf zu werden und zeigte alle Anzeichen von Furcht.

      Der Mann zu Pferd bemerkte es mit stiller Befriedigung und dachte: zu Recht, mein Guter, zu Recht. Laut - und völlig überflüssig - sagte er: »Ja, ich bin es.« Sétanta machte sich nicht die Mühe, den Mann bei seinem Namen zu nennen,

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