Keeva McCullen 3 - Invasion der Ghule. Nathan R. Corwyn

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Keeva McCullen 3 - Invasion der Ghule - Nathan R. Corwyn

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er seinem Meister nicht. Dann könnte man ja gleich eine scharfe Handgranate in einen Vulkan werfen, der kurz vor einem Ausbruch stand.

      Stattdessen brachte er sich lieber in eine sichere Position vor dem Tor und konzentrierte sich auf die geistigen Vibrationen, die er von der anderen Seite her wahrnahm.

      „Was machst du denn jetzt schon wieder?“, grollte sein Meister.

      „Wenn dieser neugierige Mensch dem Tor zu nahe kommt“, entgegnete Liekk-Baoth mit einem grausamen Lächeln. „Dann schicke ich einen tödlichen Energiestoß hindurch – und man wird nur noch einen Haufen Asche von ihm finden...“

      *

      Edward blinzelte erneut. Es gelang ihm einfach nicht, die aufgesprühten Schriftzüge an der Wand scharf zu erkennen.

      „Verdammt“, murmelte er. Schon seit einer Weile befürchtete er, demnächst eine Brille zu benötigen.

      Er ging noch einen Schritt näher in Richtung Wand.

      Er dachte daran zurück, wie er bei seiner letzten Augenkontrolle vor ein paar Monaten die immer kleiner werdende Buchstabenreihen hatte vorlesen müssen. Damals konnte er lediglich die untersten Zeilen nicht mehr fehlerfrei erkennen und hatte sich einreden können, dass alles noch im grünen Bereich sei – doch jetzt waren bereits die Konturen der einige dutzend Zentimeter großen Zeichen vor ihm unscharf, auch wenn er die Buchstaben selbst natürlich noch entziffern konnte.

      Das beunruhigte ihn, denn in letzter Zeit hatte er sich immer häufiger dabei ertappt, wie er Kleingedrucktes möglichst weit von sich entfernt hielt. Die vorher unscharfen kleinen Buchstaben wurden dadurch etwas schärfer – wegen der zusätzlichen Entfernung jedoch natürlich auch noch kleiner, sodass er sie erst recht nicht mehr lesen konnte.

      Er seufzte.

      Bisher hatte er einen erneuten Besuch beim Augenarzt ständig vor sich hergeschoben. Er ging langsam aber sicher auf die Fünfzig zu und hatte sich immer eingebildet, für sein Alter ziemlich gut in Form zu sein.

      Seine zwei Jahre jüngere Ehefrau wiederum benutzte schon länger eine Lesebrille, wirkte sonst jedoch noch sehr jugendlich - von daher wäre es wohl kein Zeichen von Schwäche, wenn er sich auch bald eine anschaffen würde. Allerdings bemerkte Edward gerade einen eitlen Wesenszug an sich: wenn er zugeben müsste, dass er ebenfalls – altersbedingt – eine Sehhilfe benötigte, dann käme es dem Eingeständnis gleich, dass er … nun ja, dass er eben alt wurde. Und er hätte nie geglaubt, dass ihm das einmal so schwer fallen würde.

      Vielleicht ist hier oben ja auch nur die ungenügende Beleuchtung schuld, dachte er hoffnungsvoll.

      Um herauszufinden, in welcher Nähe die Konturen letztendlich scharf sein würden, ging er noch einige Schritte in Richtung Wand – doch die Buchstaben blieben verschwommen.

      Das kann doch nicht sein, schoss es ihm durch den Kopf. Er stand jetzt vielleicht zwei Meter von der Wand entfernt. Waren seine Augen denn wirklich schon so schlecht? Jetzt wollte er es aber genau wissen! Energisch schritt er weiter auf die Mauer zu und hatte sie bereits fast erreicht - als von unten eine laute Stimme zu vernehmen war: „He, Edward!“

      Das unverwechselbare Organ von Herbert Bliss dröhnte durch das Haus.

      „Bist du da oben irgendwo?“

      Edward blieb stehen, drehte sich um und ging zurück ins Treppenhaus.

      „Ich komme gleich zu dir“, rief er und warf noch einen letzten, wehmütigen Blick auf das verschwommene Graffiti-Geschmiere. Er würde gleich nächste Woche einen Termin beim Augenarzt vereinbaren. Es wurde wohl langsam Zeit, sich damit abzufinden, dass er einfach keine Zwanzig mehr war. Auch wenn das natürlich nur seine Sehkraft betraf, ansonsten war er unverändert fit.

      Betont schwungvoll eilte er die Treppen zu dem Reinigungsfachmann herunter, der ihn im ersten Stock erwartete.

      „Was ist los?“, fragte er, als er unten ankam. Er ignorierte das heftige Klopfen seines Herzens.

      Herbert deutete auf ein Handy.

      „Habe gerade den Anruf von meinem zweiten Trupp bekommen. Sie wären jetzt soweit und könnten zu dem anderen Tatort kommen, von dem du gesprochen hast. Wir brauchen nur die Adresse und die Schlüssel.“

      Edward nickte. Gemeint war das Versteck der Sukkubus. Im Gegensatz zu dem gut gekühlten Haus hier war jene Wohnung allerdings beheizt gewesen – und das dort vergossene Blut und die abgerissenen Hautfetzen der Opfer waren in einen deutlich fortgeschritteneren Zustand der Verwesung übergegangen.

      Er nannte Herbert die Adresse.

      „Ich komme auch gleich dorthin, ich habe die Schlüssel bei mir“, sagte er dann. „Aber deine Jungs sollten sich auf einen ziemlich üblen Gestank einstellen.“

      Herbert grinste schief.

      „Na, dann kann ich ja nur froh sein, dass ich mir bei der Auftragsverteilung heute morgen diese Baustelle hier zugeteilt habe“, meinte er fröhlich – und machte sich sogleich daran, seinen Mitarbeitern per Handy die notwendigen Informationen zu übermitteln.

      *

      Liekk-Baoth zog sich vom Portal zurück. Er wirkte erleichtert, aber auch ein klein wenig enttäuscht.

      „Er ist weg“, meinte er, zu seinem Meister gewandt.

      Dieser schnaubte nur und begann mit seiner Wanderung durch die Höhle, die mächtigen Pranken auf dem Rücken verschränkt – wie üblich, wenn er über irgendein Problem nachdachte.

      „Das war mir zu knapp“, meinte er düster.

      Liekk-Baoth musste ihm recht geben.

      Doch er konnte nicht mehr tun, als seinem Herrn immer wieder zu erklären, dass ein Dämonenportal – und sei es noch so gut getarnt – in einer belebten Großstadt nun einmal eher in Gefahr geriet, entdeckt zu werden, als irgendwo in einem finsteren, womöglich sowieso schon verrufenen und daher gemiedenen Wald.

      Er würde ja zu gerne wissen, warum der Erzdämon dieses Risiko trotzdem eingegangen war – aber er musste sich wohl weiterhin in Geduld üben, ehe er diesbezüglich eine Antwort bekam.

      „Wir müssen ein Ablenkungsmanöver starten“, überlegte sein Meister gerade laut. Er verstummte, wanderte einige weitere Male hin und her – und blieb schließlich mit entschlossenem Gesichtsausdruck stehen.

      „Schicke ein paar Ghule durch“, befahl er. „Aber warte damit, bis es drüben Nacht ist.“

      Liekk-Baoth konnte nicht anders, er musste seinem Meister einmal mehr Hochachtung zollen: Ghule waren einfach perfekt für ein derartiges Täuschungsmanöver!

      Diese niedrigen Dämonen vermehrten sich wie eine Seuche, sie waren anspruchslos, vollkommen frei von Intelligenz – konnten also auch niemanden verraten – und was das Wichtigste war: sie würden sich sofort vom Portal entfernen, auf irgendeinem hoffentlich recht weit entfernten Friedhof einnisten und dort nach einiger Zeit ganz bestimmt Aufmerksamkeit erregen – und so, wie erwünscht, vom wirklichen Standort des Tores ablenken.

      „Meister, Ihr seid genial“, schleimte der Formwandler und verneigte sich tief.

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