Die Villa. Jacques Varicourt
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Erwartungsvoll trat ich ein, aber ich war enttäuscht und blieb abrupt stehen, zu spartanisch, zu leer und zu kalt, zu ungemütlich und zu leblos, starrten mich eine Handvoll Möbel, ein paar alte Bilder, eine kleine Küche und eine Katze an, die offensichtlich durch eines der Kellerfenster ins Haus gekommen war. „Schade,“ sagte ich zu der schwarzweißen Katze, „der Milchmann ist gerade weg, da hättest du früher auftauchen müssen, dann hätten wir zusammen etwas getrunken, du eine Untertasse voll Milch, und ich ein Glas Scotch – ohne Milch.“
Da die Katze mich anscheinend nicht verstanden hatte, kam sie auf mich zu und schlich durch meine Beine hindurch, geradewegs ins Wohnzimmer auf einen Sessel, dort legte sie sich schnurrend auf die Seite und beobachtete mich, wie ich mich weiterhin verhalten würde. Und da ich in der Tat in meiner Einkaufstüte eine Flasche Whisky hatte, zudem noch ein ganz einfaches Zahnputzglas, sowie zwei Konserven und ein wenig Brot mit Käse, goss ich mir so eine Art Willkommenstrunk ein. Die Katze pflegte derweil ihren Körper, sie war, so wie es aussah, nicht zum ersten Mal in diesem Haus, denn allzu vertraut hatte sie auf dem etwas abgenutzten Sessel Platz genommen und wohl auch jemanden ganz anderen erwartet als mich. Warum mir meine Mutter von der Katze nichts erzählt hatte? Nun, das fand ich schon ein bisschen sonderbar, doch, was mich am meisten störte, war die Tatsache, dass es niemanden gab der sich um das Haus kümmerte - in Abwesenheit meiner Mutter sowie dem ihr zugehörigen Clan aus den USA. Sie, die sonst alles immer bis ins Genauste im Voraus plante und festlegte, sie hatte ohne jeden Zweifel, das Haus in die falschen Hände gegeben, falls überhaupt jemand mal nach dem Rechten sehen sollte, was ich stark bezweifelte. Denn es sah im Haus eigentlich nur scheiße aus. Natürlich dachte ich auch an einen Einbruch, aber dafür sah es andererseits wieder zu ordentlich aus, allerdings um endgültige Klarheit zu haben, musste ein aufschlussreiches Gespräch her, darum beschloss ich noch am selben Tag, über den großen Teich, nach Amerika zu telefonieren, ich war einfach zu nervös. Ein Taxi fuhr mich nachmittags zur Post, denn das Telefon im Haus war ebenfalls defekt. Bei der Post angekommen ließ ich mir sofort eine freie Leitung nach Amerika geben, doch selbst nach dem zehnten Versuch, innerhalb von gut und gerne zwei Stunden, war niemand zu erreichen gewesen, obwohl es bei den letzten beiden Anrufen nach 20 Uhr abends war, und um diese Zeit war eigentlich immer jemand im Haus gewesen – sonst, wenn ich nach Amerika telefoniert hatte. Ich machte mir ernsthafte Sorgen, ich rief Britta an, doch Britta konnte mir auch nicht weiter helfen, sie bat mich umgehend nach Hamburg zurückzukommen, weil sie sich so alleine im Hause fühlen würde, und ich versprach ihr, noch in den nächsten beiden Tagen England zu verlassen und mich wieder Richtung Nienstedten zu begeben. Die Nacht verbrachte ich, nach ein paar weiteren erfolglosen Versuchen meine Mutter zu erreichen, in dem spartanisch eingerichteten Haus, zusammen mit der Katze, die sich anscheinend freute, dass nun wieder jemand da war, um mit ihr zu spielen, und um ihr genügend Milch und Aufmerksamkeit zu schenken, denn ich hatte ihr eine große Flasche Landmilch mitgebracht, und die Katze blickte mich auch sehr erwartungsvoll an, als sie die Flasche entdeckt hatte. Sie sprang auf mich drauf, sie beschnüffelte mich, sie schmuste ein wenig mit mir, während ich mich für die Nacht, auf eine etwas größere Couch hingelegt hatte. Nachdem die Katze, die im Übrigen „sehr“ verspielt war, von der, guten, britischen Landmilch ausreichend getrunken hatte, aus einer Schüssel, welche ich ihr vor die Couch, auf der ich schlafen wollte, hingestellt hatte, da streckte sie sich; sie gähnte und kam wieder zu mir rauf, ja, und so schlief sie dann an meiner Seite friedlich, gesättigt und schnurrend ein. Am nächsten Morgen frühstückten wir zusammen, sie schleckte aus ihrer Schüssel die zweite Hälfte der noch verbliebenen Milch, und ich nahm mein Glas, füllte es voll mit Whisky sowie Leitungswasser, denn, was anderes war ja nicht da, und trank. Nun erzählte ich ihr von den vergeblichen Versuchen die Familie in Amerika zu erreichen, die Katze hörte sehr genau zu, legte sich dann jedoch, als ich ins Detail ging, leicht desinteressiert, noch etwas müde und verspannt vom Vortag, auf ihren Sessel und döste so in den Tag hinein. Ich machte mich währenddessen fertig und fuhr erneut zur Post, und dieses Mal hatte ich endlich Glück. Meine Mutter war höchstpersönlich am Telefon, und sie erklärte mir warum das Haus in England von außen so schön, und von innen so weit aus weniger schön ist, und vor allem: Warum das Telefon nicht mehr brauchbar funktionierte. Meine Mutter sagte wörtlich: „Es ist doch alles nur eine Art von Vorsichtsmaßnahme. Natürlich kümmert sich ein Hausmeister „Tom McCraner“ um das Haus, solange niemand dort auf Dauer wohnt. Er selber ist nicht immer da, aber, wenn er eines Tages gebraucht wird, dann wird er dafür Sorge tragen, dass alles in Schuss ist, darauf kannst du dich verlassen. Und die Katze die immer mal wieder auftaucht - ist „seine“ Katze, „Twinny“ heißt sie, sie ist sehr lieb und schleicht sich gerne mal heimlich durch ein kaputtes Kellerfenster ins Haus, um dort dann zu nächtigen, süß, nicht wahr? Ich habe das Haus für dich, Britta und für Lukas gekauft, falls es in Deutschland Krieg geben sollte, denn die Zeichen stehen auf Sturm, das ist nicht mehr zu übersehen.“
Ich machte mir nicht einmal die Mühe meine Mutter davon zu überzeugen, dass es „keinen“ Krieg geben wird unter Hitler, denn ich war ja auch Parteimitglied, und ich hätte mit Sicherheit als erstes erfahren, in wie weit Hitler Kriegsvorbereitungen planen würde, oder bereits getroffen hätte. Doch meine Mutter wollte sich auf ihr Gespür verlassen, so hatte sie das ja auch immer gemacht, und ich hatte keine Lust mehr auf ein Streitgespräch mit ihr, weil sie ja seit je her immer alles besser wusste, und wenn sie mal Unrecht hatte, schrie sie wie eine Irre herum. Wir beendeten unser Gespräch damit, dass wir einander alles nur erdenklich Gute wünschten, bis zum nächsten Besuch ihrerseits. Einen Tag später kehrte ich mit so einem seltsamen Gefühl zurück ins heimische Nienstedten, aber, irgendwie hatte die Wirkung des Gesprächs mit meiner Mutter, so einen Rest von Nachdenklichkeit und von Unwohlsein bei mir hinterlassen. Mein aufrichtiges, grundsätzliches, eigentlich uneingeschränktes Vertrauen zu all meinen nationalsozialistischen Freunden, vorrangig zu Ludwig Rösser, Dr. Feldermann, Achim - der Verlobte meiner Tochter Birgit, dann zu Friedrich Ballinger - mein unermüdlicher, fleißiger Geschäftsführer, ausnahmslos alle, auch mein Sohn Jochen, oh ja, dieses sonst so uneingeschränkte Vertrauen zu meinen Nächsten war, auf einmal, unterschwellig, in Frage gestellt worden. Denn auch Melanie, ihr Mann Dave, sowie Roger - der Mann meiner Mutter, hatten „mich“ schon einmal sehr vorsichtig gewarnt, dass in meinem Freundeskreis, die Möglichkeit bestünde, dass die Ansichten zum Faschismus, nicht ausschließlich begeistert und demzufolge gradlinig seien. Mir war das zwar, zu dem Zeitpunkt - so, nie aufgefallen, aber ich ließ mich gerne, durch andere, belehren; was „ich“ davon halten würde, das allerdings musste man dann mir überlassen.
Dave hatte beim letzten Besuch, sehr ernsthaft und gar nicht im Plauderstil, zu mir gesagt: „Recht und Ordnung sind eine Sache, das Beseitigen von Gegnern, die eine andere politische Auffassung vertreten, selbst in den eigenen Reihen, ist eine vollkommen andere.“ Und er hatte nach einer gedanklichen Pause, die ziemlich lang war, hinzugefügt: „Der deutsche Nationalismus, nicht der Nationalsozialismus, dieser sei das wirkliche und das richtige System für ein Land, dessen Menschen sich vor Übervölkerung und Zersetzung ihrer Kultur schützen sollten und müssen. Letzten Endes liege „das“, - jenes pflichtgetreue Bewahren verschiedener Werte, aber in der Natur eines so dermaßen bewunderungswürdigen Landes wie Deutschland selbst, wo die Dichtkunst, die Musik, das Vorausdenken, das verbessern der Lebensbedingungen für das Volk immer an höchster Stelle standen, darum sei das Ausland, auch Amerika, irritiert über diese neue aufkommende Machtentfaltung, die unweigerlich in einem Krieg enden werde.“ Britta fand solche „Aussprüche“, noch dazu von einem Amerikaner, übertrieben; übertrieben und unangemessen,