Dunkle Wolken über Bernice. Heidi Christina Jaax

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Dunkle Wolken über Bernice - Heidi Christina Jaax

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einem gemütlichen Abendessen mit ihrem Vater und einer anschließenden Diskussion über Reitpferde im Rauchsalon, war die Welt für sie wieder in Ordnung. Vor dem zu Bett gehen huschte sie noch einmal zu ihrer Mutter ins Zimmer um ihr eine gute Nacht zu wünschen. Diese lag bereits zu Bett und machte einen erschöpften und angegriffenen Eindruck. Madame Devore war noch um einiges anstrengender als ihre Töchter, die arme Maman! Amelie drückte ihr eine zarten Kuss auf die Wange und diese umarmte sie mit der Sanftheit einer liebenden Mutter. Danach strebt sie ihrem Turm zu, wo Marie schon wartete um sie zu entkleiden. „Na meine Kleine, hattest du einen schönen Tag?“ „Bis auf den Besuch am Nachmittag war mein Tag wirklich wunderschön.“ Als sie später vor sich hin träumend in ihrem Himmelbett lag, freute sie sich auf den nächsten Morgen und dachte: „So wie das Leben jetzt ist, könnte es eine weile bleiben“. Dann schlief sie glücklich und zufrieden ein.

      Das Trauerhaus

      Aber leider blieb es nicht so und schon das Erwachen am nächsten Morgen unterschied sich so von dem am vorangegangenen Tag, dass ein Unglück förmlich in der Luft lag und eine angstvolle Vorahnung Amelie beschlich. Die Morgensonne schimmerte schon durch einen Spalt zwischen den Vorhängen, warum hatte sie niemand geweckt und wo blieb Marie mit ihrer heißen Schokolade?

      Unten im Hof hörte sie eine Kutsche über das Kopfsteinpflaster rumpeln, wer hatte denn schon zu dieser frühen Stunde einen Besuch gemacht? Amelie zog sich notdürftig an, denn sie war es nicht gewohnt dies selbst zu erledigen, auf das Waschen und Frisieren verzichtete sie gänzlich. Vorsichtig lugte sie aus ihrem Turmzimmer und stieg die Wendeltreppe hinab, unten vernahm sie Stimmen und eine Frau weinte leise. Als sie um die Ecke zum großen Korridor bog, kam ihr Marie mit geröteten Augen entgegen. Mdame Rodwig, die sich ebenfalls am Treppenaufgang befand, schlug die Hände vors Gesicht: „Oh Gott, wir haben die Kleine völlig vergessen, das arme Kind!“ Sie nahm Amelie in die Arme und drückte sie an ihren zitternden Busen, was Amelie nun völlig verwirrte, warum war sie ein armes Kind?

      Madame Rodwig nahm sie mit in die Küche, Wo sich Jaques und der Gärtner Louis im Gespräch befanden, sogleich nach ihrem Eintreten verstummten sie verlegen. Madame setzte Amelie an den großen Küchentisch, bestrich ihr ein Brötchen und machte ihr eine heiße Schokolade. Amelie hatte plötzlich keinen Appetit mehr, was war geschehen? In der Küche hatte sie nicht mehr gefrühstückt seit sie ein Kleinkind war. Nachdem sie lustlos ein paar Bissen gegessen hatte, brachte Marie sie in ihr Zimmer und trug ihr auf dort zu bleiben, bis die Mademoiselle zu ihr käme. Das war schon alles mehr als ungewöhnlich und eine unbestimmte Angst beschlich Marie. Da saß sie nun und verstand die Welt nicht mehr, warum sollte die Mademoiselle zu ihr in den Turm kommen? Das hatte sie noch nie zuvor getan.

      Mademoiselle Darnelle betrat den Turm mit einem unendlich traurigen Blick, sie trug ein schwarzes Kleid, welches Amelie noch nie an ihr gesehen hatte. Sie zog Amelie zum Fenstersitz, legte den Arm um das Kind und schwieg zunächst. Die ewig quirlige Amelie hielt ganz still, sie hatte plötzlich große Angst und wusste nicht wovor. „Haben wir heute nicht im Schulzimmer unseren Unterricht?“ fragte sie mit unsicherer Stimme und sah vertrauensvoll zu ihrer Lehrerin auf. Schließlich seufzte Mademoiselle Darnelle tief und begann stockend zu sprechen. „Nein, es findet heute kein Unterricht statt und in den nächsten tagen auch nicht. Es ist ein großes Unglück geschehen, deine Mutter ist heute Nacht zu den Engeln gegangen und sie hat dein kleines Brüderchen mitgenommen.“ „ Welches Brüderchen, wann kommt sie wieder? Ich möchte sie doch hier bei mir haben.“ „Sie kommt nicht wieder aber sie schaut dir vom Himmel aus zu und beschützt dich. Du musst immer recht brav sein, dann freut sie sich sehr.“ Nach einer Weile ließ sie die schluchzende und tieftraurige Amelie zurück.

      Nachdem Amelie eine Stunde mit leerem Blick aus dem Fenster geschaut hatte, verließ sie den Raum und fand mit schlafwandlerischer Sicherheit den Weg zum Pferdestall. Dort traf sie auf Jules, welcher ebenfalls einen bedrückten Eindruck machte. Er sah sie an und sagte mit trauriger Stimme: „Es tut mir so leid!“ Aber Amelie war wie erstarrt und antwortete nicht, so ergriff er ihre Hand und sagte leise: „Komm mit.“ Gemeinsam liefen sie zu den Felsen am Fluss und setzten sich hernieder. Nach einer Weile des Schweigens sagte Amelie: „Meine Mutter ist bei den Engeln und kommt nicht mehr wieder. Verstehst du das?“ „Ja, ich habe es heute Morgen gehört, es ist unendlich traurig aber so etwas kommt oft vor. In unseren Kreisen sterben viele Frauen, wenn sie ein Kind bekommen. Und es kommt nicht mal der Arzt zur Hilfe, der heute Nacht noch versucht hat deine Mutter zu retten.“ „Mademoiselle Darnelle sagt, sie hat mein Brüderchen mitgenommen und ich hatte mir doch so sehr ein Geschwisterchen gewünscht. Dabei wusste ich nicht einmal, dass ich eins bekommen sollte. Warum hat mir das niemand erzählt, wo ich mich doch so darüber gefreut hätte?“ „Es gibt viel Dinge, welche die Erwachsenen uns nicht erzählen, weil sie glauben, wir verstehen es noch nicht.“ Ach Jules, jetzt habe ich keine Mutter und keine Geschwister, es bleibt mir nur noch mein Vater.“ Nach einer weiteren Weile einvernehmlichen Schweigens gingen sie Hand in Hand zum Schloss zurück. Jules musste zurück in den Pferdestall und Amelie zog sich im Turm zurück, wo sie ein Tablett mit ihrem Mittagessen vorfand. Aber es sollte noch viel schlimmer kommen.

      Die Tage vergingen, viele Kutschen mit Kondolenzbesuchern fuhren vor, die Hausschneiderin nahm Maß und nähte für Amelie ein schwarzes Kleid für die Beerdigung. In all den Tagen hatte sie den Vater nicht zu Gesicht bekommen. Auf ihre Nachfragen hatte man ihr geantwortet, er verlasse früh am Morgen das Schloss und kehre erst spät in der Nacht zurück. Sein eigener Kummer war so unendlich groß, dass er sein Kind völlig vergaß, welches seine Zuwendung doch jetzt so dringend benötigt hätte. Erst am Tag der Beerdigung sah sie ihn wieder, es regnete, all die vielen Menschen trugen schwarze Kleidung, viele Hände strichen über ihren Kopf, nur nicht die ihres Vaters. Er sah furchterregend aus, sein Blick ging ins Leere, er war in den letzten Tagen erschreckend abgemagert und seine gramgebeugte Haltung, als er dem Sarg seiner Frau folgte, zeigte einen völlig gebrochenen Mann. Er hatte auch keinen Blick für Amelie, so sehr sie ihn auch fixierte. Sie war unendlich traurig, nun hatte sie auch noch der Vater verlassen.

      Die nächsten Tage und Wochen zogen wie von Nebel umhüllt an ihr vorbei, den Vater sah Amelie nur wenige Male bei flüchtigen Begegnungen innerhalb des Schlosses. Es schien ihr, als meide er absichtlich ihre Gesellschaft und es kam nicht mehr zu vertrauten Gesprächen wie vor dem Tod ihrer Mutter. Schließlich wurde ihr von Mademoiselle Darnelle mitgeteilt, er sei für einige Monate auf Reisen gegangen.

      Die Aufsicht über die Güter hatte für den Zeitraum seiner Abwesenheit ein Verwalter übernommen. Er hieß Bernard, war ein stattlicher Mann in mittleren Jahren und verfügte über ausgezeichnete Referenzen. Die weiblichen Mitglieder des Gesindes schwärmten allesamt für ihn, doch er beging nicht den Fehler durch zu private Kontakte seine Autorität und seinen Arbeitsplatz zu gefährden. Obwohl er fachlich kompetent und und fleißig war, brachte man ihm nicht den gleichen Respekt entgegen wie dem Baron, denn er war ja auch nur ein Angestellter. Obwohl Amelie den Vater schmerzlich vermisste, war der Verlust doch nicht so groß, da er sie in letzter Zeit ohnehin kaum beachtet hatte. Sie fügte sich in ihren einsamen Alltag, nur Unterbrochen von den Unterrichtsstunden und den Streifzügen mit Jules.

      So vergingen zwei Jahre, in denen der Baron nur zu den Feiertagen kurz auf Bernice verweilte, jedoch keinerlei Anstrengungen unternahm um seiner Tochter wieder näherzukommen. Mittlerweile, mied sie selbst scheu seine Nähe, was ihm nur recht zu sein schien. Dieses Fehlen von jeglicher familiärer Zuwendung bescherte ihr ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit. Nun hatte sie nur noch Jules, doch auch ihr Verhältnis hatte sich gewandelt. Die kindliche Freude und der Übermut waren stillen Stunden am Fluss und ernsten Gesprächen gewichen.

      Zudem hatte Jules eigenen Kummer, sein Vater drängte ihn den nunmehr zwölfjährigen Knaben von hochgewachsener Gestalt, endlich den Wechsel vom Stalljungen zum Pferdeknecht zu vollziehen. Jules Widerwille den vorgezeichneten Weg zu beschreiten wuchs stetig. Sowohl der Baron als auch der Verwalter sahen keinerlei Gründe, welche

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